Bargteheide. Auch Amt für Denkmalschutz besteht auf Erhalt des maroden Hauses in Bargteheide – obwohl es ein aktuelles Gutachten gar nicht kennt.

Durchnässte Wände, Schimmel und Pilzbefall, marode Treppen, ein defektes Dach, keine zeitgemäße Wärmedämmung und dazu eine Heizungsanlage, die nur mit fossilen Brennstoffen betrieben werden kann – die Liste gravierender Mängel der Villa Wacker unweit des Bahnhofs Bargteheide ist endlos. Eine Grundsanierung würde Kosten von rund einer Million Euro verursachen, wie eine kürzlich vorgestellte Bauzustandsanalyse vorgerechnet hat. Geld, das die Stadt trotz einer angespannten Haushaltslage aber wohl doch investieren muss. Das hat das Landesamt für Denkmalschutz Schleswig-Holstein auf Anfrage dieser Redaktion noch einmal bekräftigt.

Kernsanierung wäre wirtschaftlich nicht darstellbar

Wie bereits berichtet, hat die Behörde mit Sitz in Kiel die von ihr nunmehr offiziell als „Landhaus Lüneburg“ geführte Immobilie samt Nebengelassen und Gartenanlage Mitte März vergangenen Jahres in die Liste der Kulturdenkmale des Landes aufgenommen. Laut Amtsbeschreibung handele es sich bei dem vermutlich 1925 für den Bargteheider Kaufmann Fritz Lüneburg errichteten Ensemble um ein „charakteristisches bauliches Zeugnis für die Heimatschutz- und Reformarchitektur“ des Landes und die „damalige Lebensweise des gehobenen Bürgertums“, so die offizielle Begründung.

Die daraus resultierenden orts- wie architekturgeschichtlichen und städtebaulichen Denkmalwerte begründeten „ein öffentliches Interesse an der Erhaltung und Erforschung des Objekts“, heißt es in der Einschätzung. Aus Sicht des von der Stadt beauftragten Bausachverständigen Rüdiger F. Solvie aus Hamburg ist inzwischen eine Kernsanierung notwendig, „die im Normalfall wirtschaftlich nicht darstellbar“ sei. Zumal eine technische und energetische Instandsetzung des Gebäudes nach heutigen Vorgaben unter Berücksichtigung des Denkmalschutzes die Kosten weiter in die Höhe treiben würde.

Behörde legt sich fest: Die Bausubstanz in sanierungsfähig

Das alles beurteilt das Landesamt für Denkmalschutz völlig anders. „Prinzipiell könnte eine fehlende technische Erhaltungsfähigkeit durchaus zu einem Wegfall der besonderen Denkmalwerte führen“, sagt Amtsleiter Philip Seifert. Das sei beim Landhaus Lüneburg in Bargteheide jedoch nicht gegeben. „Die Bausubstanz ist sanierungsfähig“, bekräftigte Seifert.

Pikanterweise hat er aber eingeräumt, das aktuelle Gutachten Solvies gar nicht zu kennen. Weder das Landesamt noch die untere Denkmalschutzbehörde des Kreises seien bei der Erstellung des Gutachtens hinzugezogen worden. Aus diesem Grund könne er nur beurteilen, was die Presse darüber berichtet habe.

Künftige Nutzung ist weiter völlig unklar

An der Denkmalwerterkenntnis ändere das Guthaben aber nichts. „Sowohl die Denkmalfähigkeit als auch die Denkmalwürdigkeit als Voraussetzung der Denkmaleigenschaft sind weiterhin unberührt“, gibt sich Seifert unbeeindruckt. Das Land, die Kreise und die Gemeinden sowie alle Körperschaften und Stiftungen des öffentlichen Rechts hätten die gesetzliche Aufgabe, sich ihren Denkmälern in besonderem Maße anzunehmen und diese vorbildlich zu pflegen. Fragt sich nur, warum es fast 100 Jahre gedauert hat, um dem außerordentlichen Wert des Bauwerks auf die Spur zu kommen. Antwort Seifert: Weil sich Bürger der Stadt Bargteheide mit der Bitte um eine Denkmalwertüberprüfung ans Amt gewandt hätten.

So dürfte das Landhaus Lüneburg die Stadt Bargteheide noch auf Jahre hinaus finanziell und logistisch schwer belasten. Zumal nach wie vor nicht klar ist, wie es künftig überhaupt genutzt werden soll. Eine Umwandlung in Wohnraum für Geflüchtete scheidet mit Blick auf die immensen Kosten wohl ebenso aus, wie die Umwandlung in regulären Wohnraum.

Barrierefreie Ertüchtigung ist schwieriges Unterfangen

Unterdessen wünscht sich der Verein Bunte Vielfalt den Fortbestand seiner Fahrradwerkstatt im Wintergarten der Villa. Und die Jugend der Stadt hofft noch immer auf die Nutzung als Freizeitzentrum. Das aber würde die barrierefreie Ertüchtigung des Gebäudes bedingen, etwa durch den Einbau eines Fahrstuhls.

Über all das muss nun die Kommunalpolitik befinden. Die hatte sich eigentlich in weiten Teilen schon auf einen Architektenwettbewerb verständigt, in dem das gesamte Areal für die Schaffung bezahlbaren Wohnraums überplant werden sollte. Diese Option ist allerdings hinfällig, solange die alte Villa, ihre Nebengelasse und der Park unter Denkmalschutz stehen.

Bürgerwille ist die Schaffung eines „Orts der Begegnung“

Sehr zur Freude der Grünen. Die hatten jüngst noch einmal deutlich gemacht, dass sie sich nach wie vor vehement für den Erhalt des gesamten Ensembles einsetzen. Als im Herbst des Vorjahres dringend Flächen für den Bau neuer Flüchtlingsunterkünfte gesucht wurden, war der Villapark wegen seiner Nähe zum Bahnhof kurioserweise noch ihre erste Option.

In zwei Bürgerdialogen zur Städtebauförderung sei die Villa als „Ort der Begegnung“ gewünscht worden, diesem Bürgerwillen soll nun auch entsprochen werden. „Ungeachtet dessen setzen einige Akteure jetzt aber alles daran, das Gebäude samt Garten von der Denkmalliste zu streichen“, kritisiert Fraktionschef Matthias Leidner anklagend. Wer diese „Akteure“ sind, sagt er allerdings nicht.

Grüne: Keine Spur von „exorbitanten Sanierungskosten“

Dafür verwies er den „angeblich maroden Zustand des Hauses“ ins Reich der Fabeln. Auch Zweifel an der stadtgeschichtlichen Bedeutung seien völlig unangebracht. Und von „exorbitanten Sanierungskosten“ könne erst recht keine Rede sein. Bislang gebe es jedenfalls „kein belastbares Gutachten von öffentlich bestellten und vereidigten Bausachverständigen mit der Expertise Denkmal“, so Leidner.

Das Gutachten des Hamburger Architekten Rüdiger F. Solvie tauge jedenfalls nicht als Entscheidungsgrundlage. Weil es aus seiner Sicht „keine detaillierte Beschreibung des Bauzustands“ enthalte, sondern lediglich eine „nicht nachvollziehbare Bewertung“. Damit sei der einstimmige Beschluss der Stadtvertretung vom Oktober 2022 für eine Zustandsanalyse bislang nicht umgesetzt worden, behauptet Leidner.

Mehr zum Thema

Das sieht unter anderen die Wählergemeinschaft WfB nicht so. „Das vorliegende Gutachten spricht Bände. Eine umfassende und regelhafte Ertüchtigung des Gebäudes ist unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten unzumutbar, selbst wenn dafür Zuschüsse eingeworben werden könnten“, sagt Fraktionschef Norbert Muras.

Die Wählergemeinschaft halte eine moderate Bebauung des Areals An den Stücken mit maximal dreistöckigen Sozialwohnungen im Zuge eines Architektenwettbewerbs nach wie vor für die sinnvollste Lösung. „Das ist, was die Stadt am dringendsten braucht. Und nicht das Festhalten an einem Gebäude, dass stadtgeschichtlich bislang nie eine Rolle gespielt hat“, so Muras.