Ahrensburg. „Ausgerechnet Freitagnacht ist es ganz unvermittelt passiert“, sagt Adelheid Stille-Sinn. Die Ahrensburgerin kommt nach Hause, will schnell in ihr warmes Heim. „Dabei ist der Schlüssel einfach abgebrochen und im Schloss stecken geblieben.“ Zum Glück sind Nachbarn da, gewähren in der kalten Nacht Unterschlupf. „Die haben auch einen Ersatzschlüssel, der ging aber gar nicht mehr rein“, sagt Stille-Sinn.
Sie hat keine Nummer eines Notdienstes parat, sucht mit dem Handy im Internet. Vielen Stormarnern geht es wie Adelheid Stille-Sinn. Wie sie suchen sie spontan nach Hilfe, stehen dabei oft in Kälte oder Dunkelheit. Kein Moment, um lange Angebote zu vergleichen. Was die Ahrensburgerin noch nicht ahnt: Kurz vor Mitternacht wird sie um 1064,93 Euro ärmer sein.
Blick ins Impressum der Anbieter ist hilfreich
Wie leicht Verbraucher in so eine Falle tappen können, zeigt ihr Fall. „Ich habe extra nach einem lokalen Dienst gesucht, damit die Anfahrt nicht so teuer wird“, sagt sie. Auf der Internetseite schlossfritze.de meint sie fündig geworden zu sein. „Schlüsseldienst für Ahrensburg“ heißt es dort, eine kostenlose 0800-Nummer ist angegeben. Was sie nicht weiß: Das Foto mit dem sympathisch wirkenden Herren in blauer Monteurskleidung ist immer das gleiche, egal ob ein Schlüsseldienst für Ahrensburg, Bargteheide oder Castrop-Rauxel gesucht wird. Erst ein Blick ins Impressum der Seite verrät, dass es sich um eine Vermittlerfirma handelt.
Wo extra mit seriösen Preisen und „vollständiger Kostenkontrolle“ geworben wird, muss sie für eine Dreiviertelstunde Arbeit, einen neuen Zylinder und eine Sicherheitsrosette um kurz nach 23 Uhr mehr als 1000 Euro bezahlen. Die Rechnung, die von der Firma Schließ- und Sicherheitstechnik VKS mit Sitz in Essen ausgestellt wird, liegt dem Abendblatt vor.
Monteure kamen zu zweit und gingen sehr dreist vor
Dabei gehen die Monteure, die gleich zu zweit erscheinen, sehr dreist vor: Sie verlangen eine Unterschrift auf der Rechnung, noch bevor diese vollständig ausgefüllt ist. „Einer der beiden hat immer weitere Beträge notiert, der andere hauptsächlich am Wagen gewartet.“ Adelheid Stille-Sinn zahlt schließlich mit EC-Karte, wenn auch mit einem unguten Gefühl. „Irgendwann wollte ich nur noch in mein Haus“, so die Ahrensburgerin.
Rechtsanwalt Boris Wita von der Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein sind solche Fälle bekannt. „Die sind bei uns an der Tagesordnung“, sagt er. Gerade mit Firmen aus Essen gebe es immer wieder Ärger. Er empfiehlt: „Um sicherzugehen, dass der Schlüsseldienst aus der Nähe ist, klären Sie im Vorfeld, woher er kommt und wie lange er zu Ihnen braucht.“ Vorab sollte abgesprochen werden, welche Arbeiten wahrscheinlich zu erledigen sind, also zum Beispiel, ob nur die Tür zu öffnen oder auch das Schloss auszuwechseln sei. „Vereinbaren Sie dafür einen Festpreis.“
Die Verbraucherzentrale prüft Rechnungen
Zu hoch erscheinende Vereinbarungen sollten nicht unterschrieben und allenfalls eine Anzahlung geleistet werden. Wer Zweifel hat, ob die Rechnung korrekt ist, könne diese bei der Verbraucherzentrale prüfen lassen. „Die Rechtsprechung ist in der Frage, was angemessen ist, aber uneinheitlich“, sagt Wita. Tendenziell würden Beträge zwischen 80 und 150 Euro nur für die Türöffnung als angemessen angesehen, auch abends und am Wochenende.
Im konkreten Fall könnte deshalb versucht werden, die Lastschrift bei der eigenen Bank zurückzufordern oder in einem Schreiben an die Firma eine Erstattung eines Teilbetrags zu verlangen. Einzig: „Oft firmieren die Anbieter so schnell um, dass kaum eine Chance besteht, das Geld wiederzubekommen.“ Dennoch sei es sinnvoll, eine Strafanzeige wegen Betrugs zu stellen. Das erschwere den Unternehmen das Weiterarbeiten unter dem gleichen Namen. „Darum ergibt eine Liste der schwarzen Schafe aber keinen Sinn.“ Die Verbraucherzentrale wolle jedoch prüfen, ob sie das Unternehmen abmahnt, so Wita.
Polizei kann Schlüsseldienst vor Ort empfehlen
Damit es erst gar nicht so weit kommt, empfiehlt Tino Sdunek, Präventionsbeamter bei der Polizei in Bad Oldesloe: „Notieren Sie sich bereits im Vorfeld ein ortsansässiges Unternehmen und speichern es im Handy ab.“ Außerdem sei es ratsam, nicht den Anbieter aus dem Internet oder dem Branchenbuch zu nehmen, dessen Name mit „Aaa“ anfange. „Die wollen meistens nur als erste gefunden werden“, so Sdunek.
Wer nicht weiter wisse, könne außerdem den Polizei-Notruf 110 wählen. „Die Kollegen können einen Schlüsseldienst vor Ort empfehlen.“ Das gelte besonders, wenn sich Betroffene genötigt fühlten, einen möglicherweise überhöhten Preis zu bezahlen.
Nur wenige Betriebe bieten einen Notdienst an
Empfehlenswerte Anbieter zu finden ist indes schwer. Nur noch wenige Betriebe bieten die Dienstleistung auch in der Nacht und am Wochenende an. Bei Ömer Cicek, der einen Schuh- und Schlüsselnotdienst in Bargteheide betreibt, kostet eine Türöffnung nach eigenen Angaben 99,90 Euro. Nachts, am Wochenende und bei weiterer Anfahrt nehme er 142,80 Euro. „Egal, wie lang die Arbeiten dauern.“
Lediglich Materialkosten würden extra anfallen, wenn ein Schloss einmal tatsächlich nicht mehr gangbar gemacht werden könne. „Das ist aber selten“, sagt er. Für einen Zylinder berechne er zwischen knapp 30 und etwas über 70 Euro. Teurere Modelle gebe es, die müsse er dann aber ohnehin bestellen. In unserem Beispielfall hätte die Türöffnung mitsamt neuem Schloss und Anfahrt bei ihm nur 213,70 Euro gekostet.
Dankesumarmung oder Diskussion um den Preis
Diskussionen um den Preis kennt Cicek trotzdem, „egal bei welcher Höhe“. Darum besteht auch er mittlerweile auf einer sofortigen Zahlung. „Sonst laufe ich dem Geld ewig hinterher.“ Bis zu dreimal pro Tag hilft er Kunden aus der Klemme. Manchmal gebe es auch Dankesumarmungen. „Das entschädigt für vieles“, sagt der 47-Jährige.
Betroffene erhalten Hilfe bei der Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein. Die nächste Beratungsstelle erreichen Sie in Norderstedt unter Tel. 040/523 84 55. Mehr unter: www.verbraucherzentrale.sh/beratung-sh
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