265 Architekten wollen Reinbeks neue Feuerwache bauen. Ihre großvolumigen Pakete nehmen sehr viel Raum ein

Reinbek. Nichts ist wie vorher im großen Sitzungssaal des Reinbeker Rathauses. Der Blick nach draußen ist versperrt. Wo sonst ein Dutzend Tische und drei bis vier Sitzreihen stehen, sind jetzt 42 Stellwände aus Kunststoff dicht aneinandergereiht. Jede ist 1,95 Meter hoch und 1,23 Meter breit – und damit größer als Manuela Witt und Jana Latus. Die Kolleginnen sind mit Steckklammern bewaffnet, um sie herum liegen Rollen aus Pappe und Kartons. Teilweise sind sie länger als ein ausgestreckter Arm. In ihnen verbergen sich Zeichnungen. Sie zeigen, wie die neue Reinbeker Feuerwehrwache auf dem Grandplatz am Mühlenredder aussehen könnte.

Die beiden Damen ziehen die Skizzen in DIN-A1-Format vorsichtig heraus, klammern sie sorgfältig an die Wände. Witt ist Landschaftsarchitektin, Latus Stadtplanerin. Beide sind beim Stadtplanungsbüro Luchterhandt in Hamburg beschäftigt. Es hat den Auslobungstext, der im Wesentlichen vorgibt, wie die Wache auszusehen hat, für den offenen Architektenwettbewerb verfasst – und das in einer Art und Weise, die sehr ansprechend ist. 265 Teilnehmer aus Europa, darunter aus Spanien, Italien, England, Griechenland, Österreich, Frankreich, der Schweiz und auch Bulgarien, haben ihre Unterlagen eingereicht. Reinbeks Bauamtsleiter Sven Noetzel: „50 Teilnehmer hatte ich mir erträumt, aber diese Zahl ist sensationell.“

Witt, die zusammen mit ihrem Chef Daniel Luchterhandt das Verfahren koordiniert, und Latus haben am Dienstag mithilfe von einer Handvoll Mitarbeitern der Verwaltung sämtliche Skizzen an doppelseitigen Stellwänden im Sitzungssaal und in der Rathauskantine angebracht. „Das hat Spaß gemacht. Man fühlt sich wie Bob der Baumeister“, sagt Witt. Von Mittwoch an wird es ernst. Bis Donnerstagabend nehmen ein Dutzend Experten die Bewerbungen genau unter die Lupe.

In die sogenannte Vorprüfung sind auch Witt und einige Kollegen des Stadtplanungsbüros involviert. Hinzu kommen sechs Verwaltungsmitarbeiter, darunter Amtsleiter Noetzel, sowie Jörg Reimann, Fachdienst Öffentliche Sicherheit des Kreises Stormarn, und Gemeindewehrführer Karsten Hein. Sie sind mit einem Fragebogen ausgestattet, der drei DIN-A3-Seiten umfasst. Das Team wird alle inhaltlichen und formalen Kriterien abgleichen, zum Beispiel die Nähe der Umkleideräume zu den Fahrzeugen, und einen Prüfbericht für die Jury erstellen. Es ist eine Herkules-Aufgabe, denn jeder Experte schaut sich auch jeden der 265 Entwürfe an.

Ursprünglich hatten sich für den Wettbewerb 640 Architekten registrieren lassen. „Dass mehr als ein Drittel auch mitmacht, ist schon überraschend“, sagt Witt. Meistens gebe es bei öffentlichen Aufträgen eine Vorauswahl, man entscheide sich für bestimmte Büros. Das ist in Reinbek anders. Hier konnte jeder seine Unterlagen einschicken. „Die Architektenkammer war jedenfalls begeistert, denn so einen Wettbewerb gibt es in Schleswig-Holstein nicht allzu oft“, sagt Noetzel.

Witt hatte zuletzt ein Projekt nach dem identischen Verfahren in Niedersachsen betreut, es war jedoch wesentlich größer. Dort ging es um den Bau des Bildungshauses in Wolfsburg. 120 Architektenbüros schickten ihre Entwürfe ein. Die große Resonanz auf den Wettbewerb für den Neubau der Feuerwache, die zwischen 4,5 und fünf Millionen Euro kosten und rund 2400 Quadratmeter Fläche haben soll, hatte zur Folge, dass ein Kleintransporter gleich zweimal den Weg vom Büro Luchterhandt in der Shanghaiallee nach Reinbek zurücklegen musste, um die Papprollen und -kartons anzuliefern.

Entschieden ist am Donnerstagabend jedoch gar nichts. Welche zwölf Vorschläge in die nächste Runde kommen, bestimmt eine elfköpfige Jury am 31. März. Sie besteht aus sechs Fachpreisrichtern – fünf freien Architekten sowie Kathrin Zur-Lage, Architektin der Stadt Reinbek – und fünf Sachpreisrichtern aus CDU, SPD, den Grünen, der FDP und Forum 21.

Wer es in die Endauswahl schafft, muss die Pläne ausarbeiten und bis Mitte Juni ein Modell, das laut Noetzel zwischen 2000 und 3000 Euro kostet, bauen. Das alles wird dann ausgestellt. Schließlich tritt wieder die Jury auf den Plan und entscheidet voraussichtlich in der ersten Juli-Woche, wer die Feuerwehrwache bauen darf. Der Start soll 2016 erfolgen. Noetzel: „Die Architekten haben Spaß an diesem Wettbewerb. Und er wird erhöht, weil der Sieger den Auftrag dann bekommt.“ Zudem bekommt der Gewinner 18.000 Euro. Insgesamt wird Preisgeld in Höhe von 45.000 Euro verteilt.

Die Durchführung des Wettbewerbs lohnt sich für Reinbek allemal. Laut der Architektenkammer Berlin beträgt der zusätzliche finanzielle Aufwand eines solchen Verfahrens ein bis zwei Prozent der Baukosten, dem stehen jedoch durch Optimierung der Planungslösung Einsparungen von sechs Prozent der Baukosten gegenüber.