Scharfer Ton im Streit um Bauprojekt. Politiker fühlt sich von Bürgerinitiative bedrängt

Glinde. Wie weit darf eine Bürgerinitiative gehen? Jene in Glinde, die gegen die Bebauung des Areals Gleisdreieck im Zentrum der Stadt mobil macht, hat die rote Linie überschritten. Dieser Meinung ist zumindest SPD-Stadtvertreter Wolfgang Pohlmann. Er fühlt sich von den Protestlern bedrängt und macht ihnen schwere Vorwürfe.

Der Ton wird schärfer im Streit um die Schaffung von 153 Wohneinheiten, 60Prozent davon sind öffentlich gefördert. In einer E-Mail an Grünen-Politiker Jan Schwartz fährt ein Mitglied der Bürgerinitiative schwere Geschütze auf, wirft der Politik vor, ihn und seine Mitstreiter zu verunglimpfen, zu verleumden, indirekt zu kriminalisieren und „in die asoziale Ecke zu stellen“.

Als Unruheherd hat Pohlmann, der seit 40 Jahren in Glinde lebt und in der Stadt bestens vernetzt ist, Initiativensprecher Michael Riedinger ausgemacht. Der Sozialdemokrat ist von dessen ständigen Mails mit Fragen zum Bauprojekt genervt und berichtet von Anrufen an Feiertagen bei sich zu Hause. Riedinger habe mehrmals versucht, Druck auszuüben und der Politik schriftlich mitgeteilt, wie sie abzustimmen habe, sagt der 68-Jährige. Pohlmann: „Herr Riedinger hat mir sogar gedroht, dafür zu sorgen, dass ich nicht wiedergewählt werde.“

Das verneint der Initiativensprecher. „So etwas habe ich nicht gesagt.“ Riedinger, dessen Initiative nach seiner Aussage rund 300 Mitglieder zählt, zeigt hingegen Unverständnis, dass Pohlmann seine E-Mails nicht beantwortet. Er wirft den Entscheidungsträgern vor, „die Bedenken der Anwohner nicht wahrzunehmen und die Vorlagen der Verwaltung in den Gremien einfach so durchzuwinken“. Unter anderem beklagt er den Wegfall von 28 Stellplätzen in einer Tiefgarage, die in ersten Plänen noch aufgeführt war. „Ich habe das Gefühl, dass der Investor da Druck aufgebaut hat.“ Laut Riedinger ist Parkplatzchaos am Gleisdreieck programmiert.

Auf dem 2,1 Hektar großen Areal will das Wohnungsunternehmen Semmelhaack vom Herbst an sieben Häuser bauen. Die Politik plant, den dafür erforderlichen Bebauungsplan im zweiten Quartal abzusegnen. Das Investitionsvolumen für das Projekt beläuft sich auf rund 20 Millionen Euro.

In den vergangenen fünf Monaten hatten Unbekannte Vorarbeiten auf dem Gelände gleich dreimal sabotiert und Bohrmarkierungen aus dem Boden gerissen. Dabei entstand ein Schaden von mehr als 20.000 Euro.

Wortwahl eines Grünen verärgert Initiativenmitglied

Daraufhin wandte sich Jan Schwartz an den Initiativensprecher Riedinger, schrieb ihm unter anderem: „Was halten Sie eigentlich davon, dass auf dem Gelände des Gleisdreiecks zum wiederholten Mal von Unbekannten die Markierungen für das Bauprojekt entfernt wurden? Wäre es nicht auch in Ihrem Interesse, dass in Ihrer Nachbarschaft keine Rechtsverstöße geschehen?“ Er habe damit erreichen wollen, dass die Initiative Farbe bekennt und sich von den Taten distanziert, sagt der Grüne.

Die Art und Weise, wie er gefragt wurde, wertet Riedinger „schon fast wie einen Affront“. Er verurteile solche Zerstörungen selbstverständlich, „das machen nur Idioten“. Seinen Mitstreiter Christian Kollath brachte die Wortwahl des Grünen so richtig auf die Palme. Er holt zum Rundumschlag aus. In einer E-Mail an Schwartz, die inzwischen allen Stadtvertretern vorliegt, geht er mit den Entscheidungsträgern sowie Bürgermeister Rainhard Zug hart ins Gericht. Er schreibt zum Beispiel: „Die Politiker werden von der Verwaltung am Nasenring – mit Halbwahrheiten und Erpressungen – durch die politische Arena geführt.“ Er habe „die Schnauze voll von den Verlogenheiten, die hier in Glinde passieren“.

Schwartz reagierte auf die Vorwürfe sofort, besuchte Kollath am vergangenen Sonntag in dessen Haus – ohne Absprache mit den Fraktionskollegen. Das Gespräch dauerte rund eine Stunde. Demnächst will er auch an einem Treffen der Bürgerinitiative teilnehmen. Der Politiker sagt: „Wir haben einen Punkt erreicht, wo Glinde Schaden nimmt.“ Seine Gesprächsbereitschaft ändere jedoch nichts an der Tatsache, dass am Gleisdreieck gebaut werde.

Ein Zurück gibt es auch für die CDU nicht mehr. Zum verbalen Umgang zwischen der Initiative und den Politikern sagt der Fraktionsvorsitzende Rainer Neumann: „Es geht ins Persönliche.“ Er könne die Argumente der Gegenseite verstehen, aber geförderten Wohnraum in der Stadt zu schaffen, das zähle mehr. Pohlmann: „Die Initiative muss einsehen, dass sie das Projekt nicht verhindern kann.“ Am Donnerstag, 5. März, ist das Projekt Thema im Bauausschuss: um 19Uhr im Marcellin-Verbe-Haus.