Bei den Wühlmäusen in Barsbüttel werden Kinder elf Stunden täglich betreut, können Golf spielen und kochen. Mütter haben den Verein gegründet

Barsbüttel. Klein anfangen und groß rauskommen. Das ist der Traum eines jeden Unternehmers, der mit seiner Geschäftsidee an den Start geht. Im Barsbütteler Ortsteil Willinghusen ist er Realität geworden – für einen Elternverein, der 1998 von zwei Müttern gegründet wurde und anfangs acht Grundschulkinder an Nachmittagen in einem Container betreute. Dank des ehrenamtlichen Engagements trägt die dort ansässige Bildungseinrichtung seit vergangenem Jahr die Bezeichnung Offene Ganztagsschule. Inzwischen haben die Wühlmäuse, so der Name des Vereins, 14 Angestellte. Die Fachkräfte kümmern sich vor, während und nach dem Unterricht um 120 Grundschulkinder. Die Nachfrage ist sogar noch größer: Auf der Warteliste sind aktuell 36 Interessenten aufgeführt.

„Wir bieten den Eltern das Rundum-sorglos-Paket“, sagt Schulleiterin Gabriela Bock. Sie hatte die Idee einer Offenen Ganztagsschule, holte die Verwaltung und den Verein mit ins Boot. Zwei Jahre dauerte die Testphase. „Jetzt bilden Eltern, Betreuerinnen und Kollegium eine Symbiose, bei der der eine nicht ohne den anderen kann.“

Neuer Anbau für 290.000 Euro wird am heutigen Freitag offiziell eingeweiht

Auch die Politik ist von der engen Verzahnung und dem pädagogischen Konzept der Wühlmäuse überzeugt. Sie bewilligte 290.000 Euro für einen Anbau über zwei Ebenen an der Willinghusener Schule. Seit Januar stehen dem Verein für die Betreuung fünf statt drei Gruppenräume zur Verfügung. Die Fläche wuchs von 180 auf 280 Quadratmeter. Am heutigen Freitag ist offizielle Einweihung. Rainer Eickenrodt, Fraktionsvorsitzender der Wählergemeinschaft Bürger für Barsbüttel (BfB): „Wenn es überall so einen ehrenamtlichen Einsatz wie hier geben würde, hätten die Kommunen in diesem Bereich keine Probleme.“ Die Politik sei froh über die Entwicklung an der Schule. Über die Eltern sagt er: „Da sind Macher am Werk.“

Eine von ihnen ist Jessica Kurre, 35, seit Oktober 2014 die 2. Vorsitzende des Vereins, der 59 Mitglieder zählt. Sie ist Assistentin eines Professors an der Universität Hamburg und hat ihre sieben Jahre alte Tochter bei den Wühlmäusen untergebracht. Über ihre Motivation sagt sie: „Das Konzept ist klasse, die Umgebung familiär. Hier kann ich etwas bewegen und sehe schnell die Resultate. Mindestens einmal pro Woche tauscht sie sich mit Regina Gumtau, Leiterin der Wühlmäuse, aus und plant unter anderem Ferienreisen für die Kinder. In diesem Jahr geht es nach Eckernförde. Laut Jan Greve, stellvertretender Fachbereichsleiter im Rathaus, gehen die Aufgaben über das normale Ehrenamt hinaus. Deswegen hat die Verwaltung dem Verein eine Bürokraft als Hilfe zur Verfügung gestellt.

Der neun Jahre alte Nick verbringt die Nachmittage gerne bei den Wühlmäusen, die von 7 bis 18 Uhr geöffnet und keine Ferienschließzeiten haben. Ist für mindestens fünf Kinder eine frühere Betreuung nötig, öffnet die Einrichtung bereits morgens um Sechs. Nachdem Drittklässler Nick zu Mittag gegessen und die Hausaufgaben erledigt hat, nimmt er an zwei Kursen teil: kreatives Gestalten am Montag sowie Kochen bei einer Ökotrophologin am Donnerstag. Er sagt: „Ich kann inzwischen Frikadellen, Nudeln und auch Pizza machen.“ Seinen Eltern hat er bereits aufgetischt. „Die fanden es cool.“

Auch wer es sportlich mag, kommt bei den Wühlmäusen voll auf seine Kosten. Denn zu den 15 Kursen, die angeboten werden, zählen neben Theater, Töpfern, Englisch und Yoga auch Fußball sowie das Kickbox-Training mit Weltmeister René Perz. Mit ihm wurde eine Kooperation abgeschlossen – genauso mit dem Golfverband. Auf der Anlage in Glinde lernen die Kinder Abschläge und das Putten. Hin- und Rückweg werden per Taxi zurückgelegt. Die Kosten dafür übernimmt der Verband.

Zum Konzept, das Lehrer und Elternverein entwickelt haben, gehört zudem eine individuelle Lernzeit von einer Stunde am Tag, die in den Schulvormittag integriert ist und überwiegend durch die Mitarbeiter des Vereins realisiert wird. „Dadurch können wir am Stück arbeiten und haben zwischen 8 und 12 Uhr keine großen Pausen“, sagt Gumtau. Der Elternanteil für 30 Stunden Betreuung pro Woche liegt bei 163 Euro im Monat plus 60 Euro Essensgeld, den Rest zahlt die Gemeinde. Für die Kursteilnahme sind pro Halbjahr 30 Euro extra fällig. Verwaltungsmitarbeiter Greve: „Die Kosten sind vergleichbar mit den Hortgebühren.“

Apropos Hort: Einen solchen gab es in unmittelbarer Nachbarschaft in der Kita Piratenschiff. Ende 2014 wurde er geschlossen. „Die Anmeldezahlen sind zurückgegangen“, sagt Greve. Die Kinder wollten lieber zu den Wühlmäusen. Leiterin Gumtau: „Früher wurden wir als Mutti-Hort belächelt.“ Inzwischen erfahre sie viel Anerkennung.

Das breite Angebot der Offenen Ganztagsschule in Willinghusen hat sich auch in den Nachbarkommunen herumgesprochen. Rund 25 Prozent der 160 Schüler kommen aus Glinde und Oststeinbek. Und die Bildungseinrichtung wächst weiter: Im kommenden Schuljahr wird sie 175 Jungen und Mädchen beherbergen.