Nur wenige Verwaltungen in Stormarn machen beim bundesweiten Behördenservice mit: Der Sinn steht infrage

Ahrensburg . Der Ausweis ist abgelaufen, aber ich will verreisen – und nun? Wie lange dauert es, bis ein Reisepass ausgestellt wird – und wo und zu welchen Zeiten kann ich ihn beantragen? Ich möchte in einem Vorgarten eine Garage bauen lassen – aber wo muss ich den Antrag stellen? Wer Fragen dieser Art hat, der muss sich künftig nur noch drei Ziffern merken: 115. Unter der bundesweiten Behördennummer findet nun, rein statistisch gesehen, mehr als jeder vierte Stormarner Rat und Hilfe, wenn es um Amtsangelegenheiten geht. Am heutigen Dienstag gibt die Stadt Reinbek ihre Teilnahme an dem Netzwerk bekannt, Ahrensburg macht schon seit vergangener Woche mit, Barsbüttel seit Mai 2014; voraussichtlich im Juni wird auch die Kreisverwaltung in Bad Oldesloe Anschluss finden.

Wer die 115 wählt, landet beim telefonischen Hamburg-Service, einem ans Bezirksamt Wandsbek angegliederten stadteigenen Callcenter. Dort arbeiten nach den Worten des Hamburger Finanzbehörden-Sprechers Daniel Stricker ungefähr 120 Menschen. Männer und Frauen, die sich gut auskennen in den Standards des Verwaltungshandwerks. „Unsere Bürger haben unabhängig von ihrem Wohnort die gleichen Fragen an die Verwaltung. Sie müssen nicht über Zuständigkeiten nachdenken, wo sie eigentlich anrufen müssen“, sagt Thomas Losse-Müller, Chef der Staatskanzlei in Kiel. Und was die Mitarbeiter in Hamburg-Wandsbek nicht aus dem Ärmel schütteln können, das gucken sie nach – im Internet.

„Basis für die telefonischen Auskünfte ist die vom Land betriebene und mit Hilfe der Kommunen gepflegte Wissensdatenbank Zuständigkeitsfinder Schleswig-Holstein“, sagt Lisa Häger, eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums in Berlin, auf Anfrage.

Die Ahrensburger Stadtverwaltung erhofft sich durch die Teilnahme am 115-Projekt besseren Bürgerservice und eine Entlastung der eigenen Mitarbeiter. „Wenn wir damit mehr Leuten schneller helfen können, ist das doch gut“, sagt Rathaus-Sprecherin Imke Bär. Außerdem sei es bislang vorgekommen, dass Mitarbeiter an der Infothek im Foyer nicht sofort ans Telefon hätten gehen können, weil sie gerade im persönlichen Gespräch gewesen seien. Unter 115 hingegen werden laut Finanzbehörden-Sprecher Stricker 75 Prozent aller Anrufe innerhalb von 30 Sekunden angenommen, und „mindestens 65 Prozent“ aller Anfragen würden direkt beantwortet.

Während Imke Bär sagt, von einer Entlastung sei nach einer Woche noch nichts im Ahrensburger Rathaus zu spüren, verweigern sich andere Verwaltungen dem in der Region neuen Service. Nachbarin Großhansdorf zum Beispiel. Bürgermeister Janhinnerk Voß: „Die Callcenter-Ebene wird von vielen als unangenehm empfunden.“ Ein Großhansdorfer spreche lieber mit jemandem, den er persönlich kennt. „Wenn jemand anruft und sagt, am Groten Diek ist die Lampe kaputt, dann weiß der Bearbeiter sofort, welche gemeint ist.“

Voß’ Bargteheider Amtskollege Henning Görtz sagt: „Die 115 bringt uns keinen echten Mehrwert.“ In der Telefonzentrale des Rathauses sitze den ganzen Tag über jemand, der Ahnung habe und Anrufer auch weiterleite. „Dem Anrufer allgemeine Informationen geben, die er braucht, kann unser Rathaus besser als ein Callcenter“, meint auch Glinde Bürgermeister Reinhard Zug.

Dass sich die Mehrheit der Verwaltungen in Stormarn gegen die 115 entschieden hat, ist insofern bemerkenswert, als die Inanspruchnahme des Services für sie mit keinerlei Kosten verbunden ist. Die trägt das Land pauschal – nach Abendblatt-Informationen allerdings nur, weil sich sonst keine Verwaltung gefunden hätte, die mitmachen möchte.

Mitmachen oder nicht, dabei sein oder nicht: Darauf scheint es kurioserweise nicht einmal anzukommen. Ein Abendblatt-Test (siehe Kasten) hat ergeben: Eine Anfrage eines vorgeblichen Bargteheiders wird ebenso korrekt und ausführlich beantwortet wie die eines vorgeblichen Ahrensburgers. Daniel Stricker von der Hamburger Finanzbehörde sagt dazu auf Anfrage: „Tatsächlich sind alle Kreise in Schleswig-Holstein freigeschaltet. Es ist von jedem Ort im Land aus möglich, die 115 anzuwählen.“ Und da sich die Callcenter-Mitarbeiter ohnehin auf den Zuständigkeitsfinder (www.zufish.schleswig-holstein. de) bezögen, könnten sie auch über nahezu jede Verwaltung etwas sagen. Stricker: „Bei denen, die tatsächlich teilnehmen, überprüft der Hamburg-Service die Qualität der Angaben im Internet. Bei allen anderen werden eventuelle Fehler weitergegeben.“