Auf sechs Straßen haben Fahrradfahrer absoluten Vorrang. Doch es gibt allerhand Probleme mit Autofahrern

Ahrensburg. Es ist offenbar eine außergewöhnliche Szene auf dem Ahrensfelder Weg in Ahrensburg: Der Fahrer eines dunklen VW bremst seinen Wagen, die Augen hat er auf einen Knirps und dessen Begleiterin, beide auf Fahrrädern sitzend, gerichtet. Im Schritttempo und im großen Bogen überholt der Mann mit seinem Auto den sechsjährigen Luis und Mutter Silke Last. Er lächelt. Die meisten Autofahrer unterdessen seien auf der Fahrradstraße zwischen Bahnhof und der U-Bahnstation Ahrensburg Ost nicht nur zu schnell, sondern auch zunehmend rücksichtlos unterwegs, das sagen sowohl Radfahrer als auch Anwohner.

Radfahrer haben auf den Fahrradstraßen absoluten Vorrang

„Das ist für Fahrradfahrer ziemlich gefährlich hier, besonders im Dunkeln“, sagt Silke Last. Sie fährt nahezu täglich auf dem Ahrensfelder Weg. Zu schnell und rücksichtlos, so fasst auch Anwohnerin Ursula Wohltmann das Verhalten vieler Autofahrer zusammen. Eine Anwohnerin, die namentlich nicht genannt werden möchte, sagt zu Verursachern und Ursachen des Fahrradfahrer-Ärgers: „Die Verkehrsrüpel sind meist Eltern, die in oft großen Geländewagen ihre Kinder von der Schule abholen.“ Oder es seien die Fahrer von Lieferwagen, die auf den Ahrensfelder Weg ausweichen würden, weil es dort im Unterschied zur Parallelstraße – der Manhagener Allee – keine Ampeln gibt. Silke Last: „Das Problem ist auch, dass viele Autofahrer die Regeln nicht kennen.“

Die Regeln sind in der Straßenverkehrsordnung (StVO) festgeschrieben (siehe rechts) und sorgen kurzum dafür, dass Fahrradfahrer absoluten Vorrang haben. Egal, ob fünf von ihnen langsam radelnd nebeneinander her fahren und klönen. Der Autofahrer muss auch in dem Fall Ruhe bewahren, bremsen und solange mit seinem Auto hinter der Gruppe hinterherfahren wie es notwendig ist. Seit April 2013 ist in der StVO auch die maximale Höchstgeschwindigkeit festgelegt: 30 Kilometer pro Stunde. Zuvor galt es, „eine mäßige Geschwindigkeit“ zu fahren. „Über die Regelung kann man nur immer wieder informieren und an die Autofahrer appellieren“, sagt Jürgen Hentschke, Sprecher des ADFC Ahrensburg.

Anfang der 90er-Jahre war die Schlossstadt bundesweit der Vorreiter auf dem Gebiet. Rathaussprecherin Imke Bär sagt: „Das Konzept war damals so neu, dass es noch nicht mal die Straßenschilder für die Fahrradstraßen gab.“ Der Verkehrsausschuss hatte die Anregung für die Fahrradstraßen gegeben. Bär: „Das Ziel war es, den Radverkehr zu fördern.“ Aus den ursprünglich drei Fahrradstraßen sind sechs geworden: der Ahrensfelder Weg, die Waldstraße, die Theodor-Storm-Straße, der Asternweg, der Lilienweg und ein Streckenabschnitt des Wulfsdorfer Weg.

Beschwerden gibt es laut Rathaus allerdings vor allem über den Wulfsdorfer Weg. Bär: „Da ärgern sich Busfahrer und Autofahrer über Radfahrer, und die Radfahrer, die ärgern sich über die Autofahrer und Busfahrer.“ Meist ginge es um mangelnde Rücksichtnahme. Es scheint allerdings beim Ärger zu bleiben, der nicht zu Anzeigen führt. Andreas Misselhorn, zuständiger Sachbearbeiter bei der Ahrensburger Polizei sagt: „Wir verzeichnen für die Fahrradstraßen keine bemerkenswerte Beschwerdelage.“

Auch eine Häufung von Unfällen gebe es auf den Fahrradstraßen nicht. Die aktuellen Zahlen hat Kay-Uwe Güsmer, Verkehrsexperte der Polizeidirektion Ratzeburg. 2013 sind demnach in Ahrensburg 68 Fahrradfahrer verunglückt, 2012 waren es 54. Güsmer sagt: „Die Unfälle sind über das gesamte Stadtgebiet verteilt, es gibt keine Schwerpunkte.“ Laut der Landespolizei steigen allerdings die Zahlen der Unfälle mit Fahrradfahrern seit Jahren. Und annähernd 90 Prozent aller Unglücke ereignen sich dabei in geschlossenen Ortschaften. Natürlich sind nicht immer die Autofahrer schuld. Ursache sei meist das Missachten von Vorfahrt und Unachtsamkeit – auf beiden Seiten. Daher rät die Landespolizei Autofahrern wie Fahrradfahren: „Nehmen Sie Rücksicht.“

Die Schulen appellieren an Eltern, ihre Kinder nicht zur Schule zu fahren

Dem Frust zwischen Autofahrern und Fahrradfahrern am Ahrensfelder Weg entgegenwirken, das versuchen übrigens die anliegenden Schulen: Aus dem Sekretariat der Stormarnschule, die an der Waldstraße und in unmittelbarer Nähe des Ahrensfelder Weg liegt, heißt es: „Es wird immer wieder auf Elternabenden appelliert, die Kinder nicht zur Schule zu fahren.“ Auch die Verantwortlichen der Grundschule Am Aalfang (Ahrensfelder Weg) wollen, dass die Kinder zu Fuß oder – wahlweise ab der dritten Klasse – mit dem Fahrrad zum Unterricht kommen.