Zahlen gehen zurück. In Ahrensburg informieren Arzt und zwei Patienten mit neuer Leber

Ahrensburg . Bernd Hüchtemann genießt seit 19 Jahren jeden Tag in seinem Leben ganz bewusst. „Ich bin 60 Jahre alt – nun doch“, sagt er und lächelt. Vor 19 Jahren hat Hüchtemann nach jahrelanger Krankheit eine Leber transplantiert bekommen: „Ein größeres Geschenk kann man nicht erhalten.“

Hüchtemann und seine Kollegin Petra Ramke vom Verein Lebertransplantierte Deutschland sind Ansprechpartner für die Kontaktgruppe Hamburg des Vereins. Neben der Betreuung von Betroffenen informieren sie auch in Schulen, auf Messen und bei diversen Veranstaltungen über das Thema Organtransplantation – und werben dafür, dass Menschen sich als Organspender zur Verfügung stellen.

Am Donnerstag besuchten sie gemeinsam mit Tobias Rudolph von der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) das Gymnasium Am Heimgarten in Ahrensburg, wo sie den Schülern von ihren Erfahrungen berichteten. Das Thema Organtransplantation muss laut Rudolph unbedingt stärker ins öffentliche Bewusstsein gerückt werden, denn die Bereitschaft, Organe zu spenden, hat in den letzten Jahren deutlich abgenommen. „In Schleswig-Holstein hat sich die Spenderzahl seit 2011 fast halbiert“, sagt der Facharzt für Anästhesie und Intensivmedizin. „Die Anzahl der durchgeführten Organentnahmen ist von 37 auf 20 pro Jahr gesunken.“ Dieser Trend sei leider bundesweit zu beobachten.

Zu den Gründen für die geringe Spendenbereitschaft kann Rudolph nur Spekulationen anstellen. „In den letzten Jahren gab es eine Reihe von Vorfällen, zum Beispiel den Skandal im Universitätsklinikum Göttingen, die auf potenzielle Spender abschreckend gewirkt haben“, sagt der Mediziner. In Göttingen sollen Leberbefunde gefälscht worden sein, um bestimmten Patienten frühzeitig zu einem Spenderorgan zu verhelfen.

Arzt appelliert daran, sich nicht von Skandalen beirren zu lassen

Dies seien aber nur Einzelfälle in einem System, das eigentlich dazu da sei, Menschenleben zu retten. „Wenn Leute sich nach solchen Skandalen dagegen entscheiden, Organe zu spenden, führt das nur dazu, dass notleidende Patienten eine geringere Chance haben, ein lebensrettendes Organ zu bekommen“, sagt Rudolph. „Daher ist es unheimlich wichtig, dass Menschen für das Thema offen bleiben und sich im besten Fall einen Organspendeausweis besorgen.“

Wie wichtig ein Spenderorgan sein kann, hat Bernd Hüchtemann am eigenen Leib erfahren. Bereits mit Anfang 20 erkrankte er an einer Leberzirrhose als Folge einer Hepatitis-C-Infektion. „Ich war damals fast so jung wie ihr jetzt“, sagt er zu den Schülern in der Aula des Heimgarten-Gymnasiums. „Ich hatte damals eine andere Lebensplanung als früh zu sterben, ich wollte studieren und eine Familie gründen.“

Nach vielem Auf und Ab im Krankenverlauf war eine Organtransplantation Mitte der 90er-Jahre seine letzte Chance. „Ich wurde mit massiven Blutungen ins Krankenhaus eingeliefert, war vollkommen geschwächt. Durch die Leberfehlfunktion habe ich außerdem schrecklich gefroren“, erinnert sich Hüchtemann. „Ich habe nur noch gedacht: ‚Lasst mich einfach sterben!‘“ 1996 bekam er endlich ein Spenderorgan. „Dadurch konnte ich sehen, wie mein Sohn aufwächst“, sagt der 60-Jährige. „Ich konnte erleben, wie meine Enkelkinder geboren wurden, weil mir jemand mit seiner Leber, die er nicht mehr brauchen konnte, geholfen hat.“ Seit 1996 ist Hüchtemann bereits ehrenamtlich im Transplantationsbereich tätig.

„Für mich war das am Anfang auch eine Art von Therapie, ein Weg, mit der Situation fertig zu werden“, sagt er. „Solche Veranstaltungen machen auch richtig Spaß, wenn man die entsprechende Resonanz hat.“ Die bekam er im Gymnasium Am Heimgarten. Die Schüler stellten zahlreiche Fragen, und viele nahmen am Ende der Informationsveranstaltung einen Organspendeausweis mit.

Barbara Ohlde, Deutsch- und Religionslehrerin an der Schule, hatte die Veranstaltung organisiert. „In meinem Ethikunterricht ist das Thema Organspende immer dabei, weil ich es für äußerst wichtig halte, Jugendliche für das Thema zu sensibilisieren“, sagt Ohlde. „Dieses Mal waren die Schüler besonders interessiert, weshalb ich Referenten zu dem Thema eingeladen habe“.