Kritik am SPD-Landtagsabgeordneten wegen Haltung zum Finanzausgleichsgesetz. Kandidiert 2017 der Landrat?

Glinde. Der Mann, um den es gehen sollte, war nicht erschienen. Martin Habersaat, SPD-Landtagsabgeordneter, der in Kiel den Wahlkreis 31 Stormarn-Süd vertritt, war vielleicht nicht gerade als Hauptperson eines Pressegesprächs angekündigt, aber durch das Thema deutlich identifizierbar als Adressat des geballten Unmuts der anderen Beteiligten. Es sollte nämlich um das umstrittene Finanzausgleichsgesetz (FAG) gehen, mit dem die Landesregierung die schleswig-holsteinischen Steuereinnahmen von 2015 an anders verteilen will. Seit gut einem Jahr wird der Gesetzentwurf, der im November in Kiel verabschiedet werden soll, heftig kritisiert – vor allem in Stormarn, dessen wirtschaftsstarke Städte und Kommunen deutlich mehr zahlen müssten. Umso entsetzter waren Bürger und Politiker im Kreis, als der Barsbütteler Martin Habersaat im Juli ankündigte, dem Finanzausgleichsgesetz zustimmen zu wollen.

Bevor das FAG vollendete Tatsachen schafft, wollen die Südstormarner ihren Abgeordneten, dessen Meinung bei der Ein-Stimmen-Mehrheit der SPD-Regierung im Landtag den Ausschlag geben würde, nicht nur kritisieren, sondern durch gute Argumente noch umstimmen. Deshalb lud Glindes Bürgermeister Rainhard Zug am 17.September die Kollegen aus Barsbüttel, Oststeinbek, Reinbek und Wentorf sowie Landrat Klaus Plöger zum Gespräch mit Habersaat vor Pressevertretern ein. Doch die Kritiker blieben unter sich, denn der Landtagsabgeordnete war trotz Zusage nicht erschienen.

Über sein Mobiltelefon wurde Habersaat in Halle/Saale erreicht. Als Begründung für seine Abwesenheit soll er gesagt haben, dass er vergebens auf eine Terminbestätigung gewartet habe und davon ausgegangen sei, dass der Termin nicht stattfinde. Habersaat entschuldigte sich und vereinbarte einen Ersatztermin. „Dafür habe ich kein Verständnis. Das ist respektlos gegenüber der ganzen Runde“, sagte der stellvertretender Bürgermeister von Oststeinbek, Hans-Joachim Vorbeck (CDU).

Zunächst ließen die vier Bürgermeister Zahlen sprechen. Björn Warmer, seit August Bürgermeister in Reinbek, geht nach vorläufigen Berechnungen des Haushaltsentwurfes davon aus, dass die FAG-Umlage seine Stadt jährlich 750.000 Euro mehr kosten wird. Hinzukommen dürfte eine Mehrbelastung in ähnlicher Höhe durch die Steigerung der Kreisumlage, die angehoben würde, weil auch der Kreis Stormarn durch das neue FAG deutlich mehr zur Kasse gebeten werden soll.

Stark betroffen ist auch die Nachbargemeinde Wentorf, die zum Kreis Herzogtum-Lauenburg gehört, aber über das Mittelzentrum mit Glinde und Reinbek verbunden ist. Bürgermeister Matthias Heidelberg rechnet mit einer zusätzlichen Belastung von 214.000 Euro im Jahr und sagt: „Bis Anfang 2018 werden wir dadurch unsere liquiden Mittel aufgebraucht haben und anfangen müssen, Kassenkredite und investive Kredite aufzunehmen.“ Barsbüttels Bürgermeister Thomas Schreitmüller erwartet „kräftige Schläge, die sich gewaltig summieren“: 483.000Euro durch das FAG, 450.000 Euro durch die Kreisumlage. Rainhard Zug kalkuliert zurzeit mit 340.000 Euro Mehrausgaben für Glinde durch das FAG und mit 580.000 Euro durch die Kreisumlage.

Oststeinbek als vermeintlicher Krösus im Kreis wäre mit Mehraufwendungen von 1,3 Millionen Euro besonders betroffen. „Wir haben Gewerbesteuereinnahmen von 25 Millionen Euro. Doch von jeder Million verbleiben der Gemeinde nur 136.000 Euro“, sagte Hans-Joachim Vorbeck und verwies auf die sensible Unternehmensstruktur am Ort: „Mehr als 50 Prozent der Gewerbesteuerzahler sind projektorientiert, also so mobil, dass sie rasch dorthin wechseln können, wo der Gewerbesteuerhebesatz niedriger ist – und das dürfte eher nicht in Schleswig-Holstein sein.“

Damit war ein besonders kritischer Punkt des FAG angesprochen. Denn den Kommunen bleibt kaum eine andere Möglichkeit, als die Mehrkosten an die ortsansässigen Firmen und die Bürger weiterzugeben, also Steuern und Umlagen zu erhöhen. Die Wirtschaftskraft des Landes dürfte dadurch eher geschwächt werden, nicht zuletzt durch Abwanderung. Für Oststeinbek zum Beispiel könnte das bedeuten, dass es am Ende wegen geringerer Abgabepflichten besser dastehen würde, während Land und Kreis Millionen an Steuereinnahmen abhandenkämen. Der Widersinn liegt auf der Hand.

Gelegenheit für Landrat Klaus Plöger, gegen die aktuelle Fassung des FAG zu wettern: „Jeder weiß, dass das ein schlechtes Gesetz ist, das zudem nicht transparent ist. Wenn selbst die Kreiskämmerin, die eine ausgewiesene Expertin ist, nicht immer durchblickt, dann ist das ein Alarmzeichen. Es geht bei all dieser Verschleierung nicht um wirkliche Verbesserungen, sondern um eine bestimmte Wirkung.“ Damit meinte der Landrat die stärkere finanzielle Unterstützung der vier kreisfreien Städte im Lande, die besonders drückende soziale Aufgaben schultern müssten und deshalb Unterstützung bräuchten. Doch das dürfe nicht dazu führen, dass andere, die leistungsfähig seien, geschwächt würden. Und dass eine hoch verschuldete Stadt wie Lübeck kostenlose Kita-Plätze für alle anbiete.

Plöger deutete an, dass er nach seiner Amtszeit als Landrat, die 2016 endet, durchaus 2017 für den Landtag kandidieren würde, wenn er das Gefühl hätte, gebraucht und gewollt zu werden. Martin Habersaat solle jedenfalls wissen, dass „Druck im Kessel“ sei: „Wir wollen ihn nicht plattmachen, aber ihm verdeutlichen, dass er Stormarns Interessen vertreten soll – dann machen wir ihn auch stark.“ Wentorfs Bürgermeister Matthias Heidelberg: „Die Bürger werden nicht vergessen, wer dafür verantwortlich ist, dass 39 Millionen Euro bis Ende 2017 aus Stormarn abfließen.“

Das Gespräch mit Habersaat wurde auf den 29. Oktober gelegt. Klaus Plögers süffisanter Kommentar: „Ich freue mich jetzt schon drauf.“