Pastorin Anja Botta hat sich auf eine Stelle in Trittau beworben. Unabhängige Kommission empfiehlt, das Personal für einen Neuanfang auszuwechseln

Ahrensburg. Die Ahrensburger Pastorin Anja Botta hat sich auf die freie Pfarrstelle in Trittau beworben. Am Sonntag, 2. November, ab 10 Uhr wird sie ihren Vorstellungsgottesdienst in der Martin-Luther-Kirche halten. Das hat die Trittauer Kirchengemeinde jetzt offiziell mitgeteilt. Der dortige Pastor Matthias Heitmann hatte Ende September nach 14 Jahren die Gemeinde verlassen, um in Hamburg in die Altenseelsorge zu gehen – und einen Neuanfang zu wagen. Darum geht es offenbar auch Anja Botta. Warum genau die Kirchengemeinderatsvorsitzende Ahrensburg verlassen möchte, ist nicht bekannt. Sie ist im Urlaub und war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.

„Es wird erst Ende November klar sein, wie es weitergeht“, sagt der Ahrensburger Pastor Hans-Martin Bruns. Der Ausgang der Bewerbung müsse abgewartet werden. Entschieden ist in der Tat noch nichts. Zumal sich auch Pastorin Andrea Schmidt aus Wesselburen/Dithmarschen beworben hat.

„Über die Gründe von Anja Botta, kann ich nichts sagen. Ich will das auch nicht bewerten“, sagt Hans-Martin Bruns. „Aber es ist nicht ungewöhnlich, dass man auch mal über Alternativen nachdenkt. Das ist ja kein Geheimnis.“

Genauso sieht es die Trittauer Pastorin Anke Schäfer, die das Bewerbungsverfahren begleitet. „Ich war überrascht, dass sich Frau Botta für eine Stelle in der Region bewirbt – so dicht an ihrem jetzigen Pfarramt“, sagt Anke Schäfer. „Andererseits ist das eben so. Pastoren verändern sich auch mal. Für einen persönlichen Neuanfang oder einen Neuanfang der Gemeinde.“

Dass der Schritt eine Folge des Missbrauchsskandals und der nun vorliegenden Empfehlungen der Expertenkommission sei, glaubt sie nicht. Anke Schäfer: „Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun.“ Anja Botta habe beschlossen, sich persönlich zu verändern. „Wenn man mit ihr spricht, versteht man ihre Gründe.“

Auch im Kirchenkreis Hamburg-Ost sieht man keinen Zusammenhang. „Das passt schon zeitlich nicht zusammen“, sagt Pressesprecher Remmer Koch. Der Kommissionsbericht sei der Nordkirche erst am 3. Oktober vorgelegt worden. „Bis dahin kannten wir die Empfehlungen noch gar nicht“, sagt Koch. Und die Bewerbungsfrist für die Trittauer Stelle werde bestimmt auch nicht so kurzfristig gewesen sein. Trittaus Pastorin Anke Schäfer bestätigt: „Sie endete schon am 16. September.“

Dass unabhängig von der individuellen Entscheidung Anja Bottas personeller Handlungsbedarf besteht, darüber scheint jedoch Einigkeit zu herrschen. „Die vielen Wechsel und Vertretungen sind ein Zeichen der Krise in unserer Gemeinde“, sagt Pastor Bruns und fügt hinzu: „Auch ich bin nur ein Mann des Übergangs. Ich bin 60 Jahre alt und bleibe noch maximal fünf Jahre.“

Die Ahrensburger Kirchengemeinde ist um Umbruch: Anja Botta möchte weg. Detlev Paschen ist bereits weg. Pastor Bruns wird nicht lange bleiben. Pastor Holger Weißmann fällt krankheitsbedingt schon lange aus. Pastor Helgo Matthias Haak ist ebenfalls nicht im aktiven Dienst. Das Verhältnis zwischen ihm und dem Kirchengemeinderat ist zerrüttet. Ein „Ungedeihlichkeitsverfahren“ ist anhängig, an deren Ende die Versetzung stehen könnte.

Bleibt noch Pastorin Angelika Weißmann. Aber im Moment ist Urlaubszeit und Pastor Bruns der einzige Geistliche, der Gottesdienste und Amtshandlungen wie Taufen und Beerdigungen vollzieht. Er ist an allen Standorten gefragt, ob St.Johannes- oder Schlosskirche. Bruns: „Wir wollen ja auch betonen, dass wir eine Gemeinde sind.“

Propst Hans-Jürgen Buhl hatte am Dienstag bei der Vorstellung des Kommissionsberichtes andere Töne angeschlagen . „Es gibt Bedrohungen, Feindseligkeiten. Menschen wechseln die Straßenseiten“, sagte Buhl. Der Kommissionsbericht habe ihm die Augen geöffnet. Die Ahrensburger Gemeinde sei gespalten. Und das sei zu einem großen Teil auf den Missbrauchsskandal zurückzuführen. Ein Neuanfang sei nötig, genauso wie ein offener Umgang mit dem Bericht der Expertenkommission. Und die hatte einen deutlichen Hinweis gegeben, dass sich für einen Neuanfang auch personell etwas verändern müsse.

Von den Mitgliedern der Ahrensburger Mahnwache war von Anfang an die Forderung gekommen, die komplette Ahrensburger Pastorenschaft auszutauschen. Die Kommission folgt diesem Gedanken. Ursula Enders von „Zartbitter“, der Kölner Kontaktstelle gegen sexuellen Kindesmissbrauch, sprach vom „Sekundär-Trauma“ der Pastoren in Folge der Aufdeckung der Missbrauchsfälle. Enders: „Und dazu müssen sie gar nicht schuldig sein.“

Nicht nur Betroffene und Angehörige, sondern auch die Pastoren seien durch die Vorgänge traumatisiert, sagt auch Pröpstin Ulrike Murmann. Der Kirchenkreisrat Hamburg-Ost hat bereits eine Arbeitsgruppe eingesetzt. Murmann: „Es wird mit dem Personaldezernat des Landeskirchenamtes geprüft werden, welche Möglichkeiten bestehen, Pastorinnen und Pastoren in solchen Situationen zu versetzen.“