Abwahl der Ausschuss-Chefin Renate Mascher: Endet die Ära des fairen Miteinanders?

Bargteheide. Sie ging erhobenen Hauptes. Und sie ging nicht allein. Von ihrer kompletten Fraktion als eine Art emotionaler Begleitschutz umringt, verließ Renate Mascher den Saal. Vor der Tür wurde die Bargteheider Stadtvertreterin der Wählergemeinschaft WfB bereits erwartet. Politische Wegbegleiter, Freunde und Mitglieder der Initiative Gegenwind umarmten sie. Ihr Mann nahm sie mit in den Arm und raunte seiner schon wieder lächelnden Frau zu: „Gut gemacht.“ Eine Verliererin sieht anders aus. Dabei hatte Renate Mascher gerade die wohl größte Niederlage in ihrer 30-jährigen kommunalpolitischen Laufbahn und eine schwere persönliche Kränkung erlebt.

CDU, SPD und Grüne hatten Renate Mascher in einer ebenso breiten wie entschlossenen Allianz ihres Amts als Vorsitzende des Bauausschusses enthoben. Einen solchen Vorgang hatte es in Bargteheide noch nie gegeben. Mit 23 Ja-Stimmen wurde die Ära Mascher im Bauausschuss beendet – und die Zeit, in der es Bargteheide immer wieder geschafft hatte, einen Riss zu vermeiden.

„Ich bin sehr enttäuscht“, sagte die gerade abgewählte Ausschussvorsitzende, die zuvor die Mitglieder der Stadtvertretung dazu aufgerufen hatte, bei diesem Antrag nach dem Gewissen zu entscheiden. „Aber selbst bei einer solchen Frage herrschte strikter Fraktionszwang“, sagte Mascher: „Nicht ein einziger hatte den Mut auszuscheren.“

Zwei Vermittlungsgespräche blieben erfolglos

Renate Mascher war vor allem nach der Mai-Sitzung des Bauausschusses unter Beschuss geraten, bei der es zu einem heftigen Schlagabtausch zwischen Gutachter und Zuhörern gekommen war. Der Führungsstil Maschers erlaube keine sachgerechte Debatte mehr, so die Kritik. „Wir haben das Vertrauen verloren, dass die Handlungsfähigkeit des Ausschusses wiederhergestellt werden kann“, sagte CDU-Fraktionschef Claus Christian Claussen, der den Antrag auf Abwahl für die drei Fraktionen einbrachte und wie die anderen Kritiker erneut beteuerte, es gehe nicht um die Person Mascher und auch nicht um das Thema Windkraft.

Zwei Vermittlungsgespräche waren einberufen worden, das zweite noch am Montag dieser Woche. Aber der Versuch von Bürgervorsteherin Cornelia Harmuth, die Abwahl in letzter Sekunde abzuwenden, misslang. So gab es nach dem durchgebrachten Antrag – dem nur die vier WfB-Stadtvertreter selbst und der FDP-Fraktionschef Gorch Hannis La Baume nicht zustimmten – auch keinen Jubel. Wie sich Mascher nicht als Verliererin präsentierte, gaben sich die Antragsteller nicht als Sieger.

Ernste, zum Teil betretene Gesichter waren zu sehen, als die WfB nach der Abwahl unter Protest die Sitzung verließ. „Wir gehen. Nicht für immer. Aber für heute Abend haben wir genug“, sagte Fraktionschef Nobert Muras und packte wie die anderen seine Sachen. Auch seinen Laptop, mit dem er den Mitschnitt einer Bundestags-Diskussion abgespielt hatte, um zu demonstrieren, wie sich tumultartige Debatten wirklich anhören und dass das Geschehen im Bauausschuss nichts dagegen gewesen sei. Die Bürgervorsteherin forderte Muras auf, mit dem Abspielen des Dokumentes aufzuhören und wurde dafür ihrerseits mit Pfui-Rufen bedacht.

Immer wieder drückte die Sitzungsleiterin an diesem Abend auf die Klingel, um für Ruhe zu sorgen. Schon zu Beginn , als es um das Thema Windkraft ging, gab es Klatschen, Gemurre und Einwürfe, ohne dass demjenigen überhaupt das Wort erteilt worden wäre. Als Harmuth darauf verwies, dass die Einwohnerfragezeit in fünf Minuten vorbei sei, rief ein Herr aufgebracht: „Ach was. Wieso aufhören.“ Und als Anke Schlötel-Fuhlendorf (SPD) später in der Abwahl-Debatte davon sprach, dass manche Mitglieder im Bauausschuss schon Angst hätten, ihre Meinung zu sagen, kam fast wie zum Beweis ein langes, hämisches „Oh“ aus dem Publikum.

Jubel, gegen den niemand protestierte, gab es dafür nach der Stellungnahme Renate Maschers. Sie sprach ruhig, mit – wie sie selbst zugab – leichtem Pathos und erstaunlich fester Stimme. „Ich habe in einer Sitzung einmal einen Fehler gemacht und einen Hinweis zur Geschäftsordnung übersehen“, sagte Mascher. Das sei kein ausreichender Grund für eine solche Anklage. Sie habe keinen Regelverstoß begangen. „Aber wenn man eine andere Meinung hat, wird man niedergemacht.“

Kaum hatte sie geendet, bekundeten die Zuhörer mit Ovationen im Stehen ihre Sympathie. Unabhängig davon, dass die Applaudierenden in der Mehrzahl Windkraftgegner waren, die ihre Mitstreiterin Mascher feierten, war es für alle ein anrührender, fast historischer Moment in der Geschichte der Bargteheider Kommunalpolitik. Wie die Geschichte weitergeht, ist offen. „Wir werden jetzt erst einmal beraten“, sagte Muras. Grundsätzlich sperre er sich jedoch nicht, den Vorsitz im Bauausschuss zu übernehmen. Denn die WfB hat das Zugriffsrecht. Und dabei bleibt es trotz der Abwahl.