Umland-Lust – rund um Hamburg auf Entdeckungstour. Heute: Ein Weg über 100 Hindernisse im Hochseilgarten in Geesthacht

Menschen stammen vom Affen ab, ruft die Frau, vermutlich zur Beruhigung. Ob sie dabei lächelt, kann ich nicht sehen, denn sie steht sicher auf dem Boden, während ich in neun Meter Höhe hänge wie – man muss es leider sagen – der am wenigsten elegante Affe im Wald. Und ich bin selbst schuld, was die Sache nicht besser macht.

„Den Extrem-Parcours würde ich nicht empfehlen, der ist Quälerei“, hatte Björn van Daelen gesagt, der es wissen muss, denn er hat ihn sich ausgedacht. Das war im Jahr 2003. „Damals haben wir in Geesthacht den ersten Hochseilgarten Norddeutschlands gebaut.“ Die Idee habe er ein Jahr zuvor in Südfrankreich gehabt, im Urlaub. „Da war ich bei einem Freund zu Besuch, der hatte im Wald zehn Bäume miteinander verbunden – für die Kinder. Das wollte ich auch“, sagt van Daelen. Die Arbeit in einem Computergeschäft habe ihm eh nicht mehr gefallen. „Also habe ich was Neues gemacht. So war mein ganzes Leben. Ich habe immer das gemacht, was mir Spaß macht.“ Als Tauchlehrer gearbeitet zum Beispiel, in Spanien und Jordanien. Da hat er auch seine Frau kennengelernt. „Sie war eine Kundin. So sind die Tauchlehrer“, sagt er und lacht.

In Geesthacht habe er angefangen, Bäume, Plattformen und Verbindungen zu zeichnen und die Idee dann im Bauausschuss vorgestellt. „Da sagte der Vorsitzende: ‚Ich war gerade in Frankreich in einem Hochseilgarten, das war so toll!‘ Und da war die Sache dann gelaufen.“ Van Daelen durfte bauen. „Ich habe mir alles selbst ausgedacht und dann einfach gemacht, ein bisschen Holz geholt und mit Helfern gebaut. Und dann gesehen, was falsch war.“ Zur Eröffnung habe er dann alle eingeladen, Behörde, Freunde, Schulklassen. „Und es lief von Anfang an. Das war ja der erste Hochseilgarten hier, inzwischen gibt es viele, ganze Säcke voll.“

Von unten sieht das alles nicht so schlimm aus

Zum Hochseilgarten in Geesthacht gehört ein Waldstück von etwa 8000 Quadratmetern. Fünf Parcours mit insgesamt 100 Teilstrecken können beklettert werden. Und wenn man das kann, will ich es natürlich auch machen. Vorher gibt es einen Sicherheitsgurt und Handschuhe zum Anziehen und eine Einführung von Sascha Franck. Er passt gut in die Szenerie, trägt Waldfarben: braune Jacke, braune Hose, braun kariertes Hemd. Er hat den Hochseilgarten 2012 übernommen, zusammen mit seinem Partner Andreas Krebs arbeitet er nun hier. Björn van Daelen ist geblieben. „Als Entertainer“, sagt Franck, „er macht das wunderbar“. Und als Aufpasser. „Ah, ah, ah! Linke Hand hält das Seil“, ruft er einem Kind zu, das bei der Einführung offenbar schon übers Klettern nachgedacht hat.

Also, wie war das jetzt mit dem Haken, der Hand und dem Seil? „Der Sicherheitsgurt hat zwei Leinen mit je einem Karabiner. Einen hakt ihr von hinten in das Stahlseil, den anderen von vorn. Wenn ihr von einem Seil an das andere umhaken wollt, haltet ihr euch mit der linken Hand fest und hakt die Karabiner nacheinander um.“ Üben dürfen wir nicht in den Bäumen, sondern vom Boden aus. Wir, das sind Iris, 9, Wilko, 12, und ich, 31. „So ein Hochseilgarten ist eine hohe Anforderung für Erwachsene, man geht nicht mehr so unbedarft da ran“, sagt Iris’ Mutter, Ulrike Blohm. „Aber es ist eine spannende motorische Auseinandersetzung mit der Natur. Und eine Herausforderung für die Kinder.“ Das Klettern sei ein „Ferienhighlight“, wie sie sagt. Allerdings nicht für sie selbst. „Ich habe mich am Fuß verletzt.“

Also los, die Leiter hoch, ein Fuß nach dem anderen

Frau Blohm bleibt also auf dem Boden, ich werde in die Kiefern klettern. Von unten sieht das alles nicht so schlimm aus, Holzplattformen in den Bäumen, dazwischen Drahtseile, Schaukeln, Schlaufen, Hängebrücken, Schwebebalken und Seilbahnen. „Kein Problem“, sage ich und denke, dass ich besser häufiger zum Sport gegangen wäre in jüngster Vergangenheit. Ich frage Björn van Daelen noch, welches denn sein Lieblingsstück sei im Hochseilgarten. „Das da“, sagt er, lacht, und deutet auf seinen Campingstuhl. Der ist rot, auf der Lehne steht „Björn“ und auf dem Tisch daneben eine Thermoskanne mit Kaffee. Gute Wahl, aber für mich heute keine Option. Also los, die Leiter hoch, ein Fuß nach dem anderen über die Balken. „Huah“, kreische ich. Peinlich. Ich bin erst auf 1,50 Meter Höhe. Ab da läuft es ganz gut, bis auf einen kurzen Leistungseinbruch vor Plattform 28, wackelige Stücke sind nicht so mein Ding. Die Seilbahnen abwärts schon eher, da hängt man nur und kann nicht mehr fallen. Nach vier Parcours, die, so steht es auf der Webseite des Hochseilgartens, „Mut, Selbstvertrauen, Flexibilität, Risikobereitschaft und Motorik fördern“, fühle ich mich in der Tat mutig. Und etwas müde. Und so, als würde ich morgen Muskelkater bekommen. Egal. Den Extrem-Parcours will ich jetzt auch noch schaffen. Van Daelen rät ab. Sascha Franck sagt: „Das schaffst du schon.“ Na dann.

Damit Kinder nicht aus Versehen auf ihm klettern, ist der Extrem-Parcours extra gesichert. Sascha Franck muss erst die Strickleiter runterlassen, die genauso wackelig ist, wie sie aussieht. Ich fühle mich nicht mehr so zuversichtlich. Wer schon an der Strickleiter verzweifelt... Oben angekommen, betrachte ich das erste Hindernis: Metallbügel, die ein wenig an Triangeln erinnern, die an Stöcken hängen. Sehr weit auseinander übrigens. Ich baumele in der Luft. Mit dem einen Fuß versuche ich, die Triangel zu angeln, vergeblich. Es gebe ein Rettungsset, hatte Sascha Franck gesagt, man könne mich abseilen, wenn es nicht weitergeht. Sicher nicht, denke ich, und erwische den Tritt. Die zweite Plattform sieht etwas marode aus, der Extrem-Parcours werde noch renoviert, alles andere sei schon fertig, hatte man mir gesagt. Lieber schnell weiter. Vor mir sind nun grüne Schlaufen, an denen ich mich entlang hangeln soll. Hangeln! Ich hangele drei Schlaufen und hänge dann aus Versehen falsch rum, mit dem Rücken zur nächsten Plattform. Unten lacht jemand. „Ich spucke runter“, rufe ich. „Jetzt hast du das Schwerste schon geschafft“, sagt Franck. Stimmt. Ich sause an einer Seilbahn in ein Netz, balanciere durch Schlaufen und bin am Ende sehr zufrieden mit mir. Immerhin haben Affen Füße, mit denen sie greifen können, ich nur ausgetretene Turnschuhe.

„Vergiss’ die Zeitung, du kannst hier anfangen“, ruft Sascha Franck. Gute Idee. Liebes Abendblatt, ich kündige. Ist wohl doch etwas dran mit der Risikobereitschaft. Und mit dem Affen, denn zu dem habe ich mich ein bisschen gemacht – und das ist großartig gewesen.