Land kürzt Lehrerstellen, obwohl es mehr Schüler gibt. CDU-Abgeordnete kritisieren „ideologische Bildungsziele“

Ahrensburg. Schleswig-Holsteins Landesregierung kürzt steigenden Schülerzahlen zum Trotz zum kommenden Schuljahr die Zahl der Lehrerplanstellen in Stormarn. Das geht aus der Antwort auf eine Kleine Anfrage der Landtagsabgeordneten Tobias Koch und Rainer Wiegard (beide CDU) hervor; sie stammt aus dem Hause der Ministerin für Bildung und Wissenschaft, Waltraud Wende (parteilos) und besteht im Wesentlichen aus dem Verweis auf fünf angefügte Tabellen.

Der Ahrensburger Koch und der Bargteheider Wiegard, unter der Vorgängerregierung Finanzminister, haben zusammengerechnet. Koch: „An Stormarns Schulen werden im kommenden Schuljahr 26.975 Schüler unterrichtet, ein Prozent mehr als 2013/2014. Dementsprechend müsste die Zahl der Lehrer eigentlich steigen.“ Tatsächlich wolle die Landesregierung im Saldo aber mehr als 20 Stellen streichen. Für die beiden Christdemokraten ist das „eine bildungspolitische Geisterfahrt“.

Was an deren Ende steht, ist für Rainer Wiegard klar: „Im Ergebnis wird im kommenden Schuljahr noch mehr Unterricht ausfallen.“ Daraus, dass schon heute in erheblichem Umfang Stunden ausfallen, macht Wendes Behörde gar keinen Hehl. Im April dieses Jahres hat ihre Sprecherin sogar ein neues Wort dafür erfunden: „struktureller Unterrichtsausfall“. Der werde 2014/2015 an allen allgemeinbildenden Schulen bei etwa sechs Prozent liegen.

Diese Zahl hat Edgar Schwenke, Direktor des Gymnasiums Trittau, bereits im Frühjahr vor Eltern künftiger Fünftklässler anklingen lassen. Heute sagt er: „Das wird wohl nicht reichen.“ Auch seine Schule ist von der Streichung betroffen. Aktuell hat die Schule noch 57,4 Lehrer-Planstellen, im kommenden Schuljahr sollen es laut Landesregierung 56,6 sein – bei gleichzeitig leicht steigenden Schülerzahlen. Für 2014/2015 werden an der Schule laut Land voraussichtlich 975 Jungen und Mädchen unterrichtet. Das wären neun mehr als zurzeit.

Weniger Lehrer, mehr Schüler: Das zwingt auch Direktor Schwenke zum Handeln. Und schnell wird deutlich, was „struktureller Unterrichtsausfall“ konkret bedeutet. Bereits im ablaufenden Schuljahr hätten nahezu alle Mittelstufenschüler eine, zum Teil sogar zwei Stunden weniger Unterricht pro Woche bekommen, als sie sollten, also 33 beziehungsweise 32 statt 34 Stunden. „Kürzungen hat es in den Fächern Sport, Kunst und Musik, zum Teil auch in den Fremdsprachen gegeben“, sagt Schwenke. „Jetzt müssen wir schauen, was wir noch durch größere Gruppen auffangen können.“

Beim Tag der offenen Tür der Schule am Freitag ist von alledem nichts zu spüren. Die „Artisten und Könner“ der Zirkus AG zeigen, was sie drauf haben. Sechstklässler präsentieren stolz ihre Elektroinstallationen, die sie im Physikunterricht gebaut und mit denen sie experimentiert haben, Lateinschüler aus dem siebten Jahrgang üben sich in Rollenspiel und kleinen Szenen. Die Schule präsentiert sich ganz so, wie sie seit vielen Jahren bekannt ist: bunt, lebendig, vielfältig. Wohl auch deshalb ist sie so angesehen und beliebt. Die perfekte Eigenwerbung.

Und mittendrin verkauft die Elternbeiratsvorsitzende Gabriele Brunner Kuchen. „Wir sind natürlich nicht glücklich damit, dass eine Stelle verloren geht“, sagt sie. „Zum Glück plant die Schulleitung so, dass wir Eltern noch damit leben können. Wir arbeiten da eng mit Herrn Schwenke zusammen.“ Damit leben können heißt: In den Hauptfächern fallen so gut wie keine Stunden aus. In der kommenden Woche will der Kreiselternbeirat beraten, ob die Eltern dennoch aktiv werden – und gegebenenfalls wie. „Es betrifft ja alle Schulen, nicht nur uns in Trittau“, sagt Gabriele Brunner.

Die CDU-Politiker Koch und Wiegard kritisieren die „ideologischen Bildungsziele der Landesregierung“. Dennoch fällt auf: Auch die Gemeinschaftsschulen, die von der Opposition oft als Lieblingsschulen sozialdemokratisch geführter Regierungen dargestellt werden, müssen bluten, etwa die Selma-Lagerlöf-Schule in Ahrensburg. Ihr Leiter Herbert Janßen ist froh, dass er noch eine Stelle retten konnte, weil ein vierter elfter Jahrgang eingerichtet wird. Dennoch sagt auch er: „Bei der Vorbereitung des nächsten Schuljahres ist es jetzt meine Aufgabe, zu sehen, wo wir Leistungen kürzen können.“ Leistungen kürzen? „Ja, wir müssen das Angebot so weit reduzieren, dass es mit der Personaldecke übereinstimmt.“ Möglich wäre theoretisch zum Beispiel, in der fünften Klasse statt fünf nur noch vier Stunden pro Woche Deutsch zu unterrichten. Oder es müssten Fördermaßnahmen gestrichen werden.

Einziger wirklicher Gewinner im Kreis Stormarn ist die Hahnheide-Schule gleich neben dem Gymnasium Trittau. Sie bekommt 5,2 Planstellen dazu. Dafür gibt es eine Begründung: Die Gemeinschaftsschule richtet gerade eine Oberstufe ein.