Der TSV Glinde will mit kreativen Aktionen den Kunstrasenplatz finanzieren. Jetzt kommt ein Stickerheft auf den Markt

Glinde. Der eine gibt die präzise Vorlage, der andere vollendet eiskalt. So einfach geht das im Fußball. Im Fall des TSV Glinde gestaltet sich die Situation etwas komplizierter. Der verschuldete Verein will den sanierungsbedürftigen Grand- durch einen Kunstrasenplatz ersetzen, um den 14 Jugend- und sechs Herren-Teams der Fußball-Abteilung einen reibungslosen Trainings- und Punktspielbetrieb zu ermöglichen.

Die Stadt hat bereits eine Steilvorlage gegeben. Sie bezuschusst das Projekt mit 200.000 Euro, dieselbe Summe gewährt sie dem Verein als Darlehen, dazu gibt es 40.000 Euro vom Landessportverband. Jetzt liegt es am TSV, das rund 600.000 Euro teure Projekt zu realisieren. Dafür müssen weitere 160.000 Euro zusammengekratzt werden. Da es von den Banken keine Kredite mehr gibt, ist Ideenreichtum gefragt.

Deshalb haben sich die Mitglieder einiges einfallen lassen. Der neueste Coup: Nach den Sommerferien bringt der Verein ein Sticker-Album mit Porträts aller Mitglieder der Fußball-Abteilung nach Panini-Art auf den Markt. „Wir haben schon 220 Vorbestellungen“, sagt Fußball-Abteilungsleiter Frank Gabbert. Das 50 Seiten umfassende Album, das von einem externen Dienstleister hergestellt wird, soll fünf Euro kosten, ein Tütchen mit zehn Bildern 1,30 Euro. 30 Cent davon schöpft der TSV für das Kunstrasenprojekt ab.

Die Produktion ist derzeit in den Endzügen. Gabbert, dessen Abteilung 400 Mitglieder zählt: „Am Wochenende werden die finalen Fotoshootings gemacht.“ Der organisatorische Aufwand ist enorm. So musste jeder Abgebildete eine Einverständniserklärung unterzeichnen, darunter auch NDR-Sportreporter Gerhard Delling, der früher in Glinde aktiv war. Weil zudem historische Fußball-Bilder, unter anderem eines von Uwe Seeler als 14-Jähriger während eines Gastspiels in Glinde, das Album schmücken, bedurfte es intensiver Recherche. Der hauptamtliche Vorsitzende Joachim Lehmann: „Wir haben alte Aufnahmen vom Bürgerverein bekommen und uns welche aus dem Stadtarchiv besorgt.“

Gabbert rechnet mit 300 Personen, die sich an der Sammelaktion beteiligen, und einem Gewinn von 3000 Euro. Als Betriebsprüfer beim Finanzamt kennt sich der 53-Jährige mit Zahlen gut aus. Seit 2008 fungiert er als Abteilungsleiter, berichtet von vielen schlaflosen Nächten in der Vergangenheit. „Man hat mich als Träumer bezeichnet, als wir uns für einen Platz ausgesprochen haben.“ Aber man arbeite kontinuierlich darauf hin und sei bei der Politik auf großes Verständnis gestoßen.

Inzwischen wirkt Gabbert entspannter, denn die Summe auf dem Kunstrasenplatzkonto steigt stetig. „Derzeit kann der Verein mehr als 70.000 Euro Eigenkapital einbringen“, sagt Lehmann. Rund 38.000 Euro davon entfallen auf Spenden für die Rasenpatenschaft. Hierfür wurde im April vergangenen Jahres ein Spielfeld gedanklich in 1020 Parzellen aufgeteilt. Ab 30 Euro erhält der Spender einen Platz und wird auf Wunsch auf der Homepage genannt. 735 Parzellen sind vergeben.

Auch die Mitglieder tragen ihren Teil zum Gelingen des Projekts bei. Im April erhöhte die Fußball-Abteilung den monatlichen Spartenbeitrag zweckgebunden von 5,10 auf 7,60 Euro für Erwachsene und 2,05 auf 3,05 Euro für Kinder. Gabbert: „Die Hälfte des Darlehens der Stadt wird allein die Fußball-Abteilung zurückzahlen, schließlich profitieren wir vom neuen Platz auch am meisten.“ Lehmann rechnet im Mai kommenden Jahres mit dem Baubeginn. „Dann werden wir aber immer noch eine Finanzierungslücke von 40.000 Euro haben.“ Er hoffe auf weitere unerwartete Einnahmen, „denn wir sind am Limit“.

Derzeit zahlt der TSV per anno 110.000 Euro an Zinsen und Tilgung für das folgenschwerste Eigentor der Vereinsgeschichte. Anfang der 90er-Jahre baute der 2980 Mitglieder zählende Verein ein Hotel sowie ein Tanzsportzentrum für sechs Millionen Mark. Das rentierte sich jedoch nicht. Im September 1998 mussten die Gebäude für 5,6 Millionen Mark verkauft werden. „Daran haben wir noch 20 Jahre zu knabbern“, sagt Lehmann.

In den kommenden Monaten sollen vor allem der Tag des Kunstrasens am 6. September mit dem Spiel der Glinder Fußballer gegen die HSV-Altliga und der Sponsorenlauf am 6. Oktober Geld in die Kasse spülen. Bereits Anfang Juli hat Lehmann noch einen Termin mit Bürgermeister Rainhard Zug und dem Stadtkämmerer. Dann geht es um Details des städtischen Kredits. Lehmann: „Uns wäre schon geholfen, wenn wir nicht sofort mit der Zins- und Tilgungszahlung beginnen müssten.“

Der Verwaltungschef will zwar keine Ergebnisse vorwegnehmen, sagt aber: „Die Aktionen des TSV sind klasse, das muss man honorieren. Wir wollen das Thema Kunstrasen mit der Politik in trockene Tücher bringen.“ Er glaube an eine Lösung, auch wenn die für alle Beteiligten nicht einfach werde.