Wilhelm Knelangen, Politikwissenschaftler an der Universität Kiel, spricht im Abendblatt über die Rolle der Gemeindevertreter

Hamburger Abendblatt:

Warum würden Sie einem Bürger empfehlen, sich in seiner Gemeindevertretung zu engagieren?

Wilhelm Knelangen:

Zunächst einmal gilt: Wir dürfen die Politik auch in der Gemeinde nicht der Verwaltung überlassen, sondern die Bürger sollen sich in ihre eigenen Angelegenheiten einmischen und ihr politisches Urteil einbringen. Der Gemeinderat ist dafür der richtige Ort, weil seine Mitglieder durch eine demokratische Wahl legitimiert sind und nicht nur für ein einzelnes Thema, sondern für das Gemeinwohl der Gemeinde eintreten. Wer also mitgestalten will, der kann das besonders gut im Gemeinderat tun.

Es gibt bei fast jeder Entscheidung der kommunalen Parlamente Mitbürger, die daran etwas zu kritisieren haben. Wie sollten Gemeindevertreter Ihrer Meinung nach damit umgehen?

Knelangen:

Kritik muss man ernst nehmen, und natürlich kann man einmal getroffene Entscheidungen verändern. Aber zur Politik gehört der Mut, für seine Überzeugungen einzutreten, auch wenn das nicht jedem gefällt. Wichtig ist sicher, dass die Gemeindepolitik ihre Debatten transparent macht, sodass die Kritiker ihre Sichtweise einbringen können. Aber irgendwann muss es auch gut sein, dann darf nach Abwägung der Gesichtspunkte entschieden werden – vom Gemeinderat.

Entspricht die Entschädigung der Politiker dem Aufwand?

Knelangen:

Wegen des Geldes sollte niemand in den Gemeinderat gehen. Wenn man den Aufwand an Sitzungen, Informationsterminen, Fraktionstreffen und Bürgergesprächen zusammen sieht, dann können da je nach Gemeindegröße schnell zehn bis 20 Stunden pro Woche zusammenkommen. Das Problem ist eher, dass die zeitliche Belastung in der kommunalen Politik für viele Menschen mit ihren Pflichten in Beruf und Familie nicht vereinbar ist.

Wie könnte es gelingen, das Amt des Gemeinde- oder Stadtvertreters attraktiver für Bewerber zu gestalten?

Knelangen:

Politik machen kann mühsam und manchmal auch langweilig sein. Mit den Reizen der Freizeitgesellschaft kann die Arbeit im Gemeinderat nicht mithalten. Aber natürlich kann man darüber nachdenken, Menschen die Mitarbeit zu vereinfachen, die nicht einer Partei angehören und kein ganzes Mandat übernehmen wollen. Auch eine bessere Möglichkeit zur Schulung könnte die Bereitschaft steigern.

Häufig gibt es Unmut darüber, dass bestimmte Angelegenheiten in nicht öffentlichen Teilen der Sitzungen behandelt werden. Wird zu häufig von der Regel des § 35 Gemeindeordnung abgewichen, die grundsätzlich Öffentlichkeit vorsieht?

Knelangen:

Das ist manchmal eine Gratwanderung, und der Grundsatz sollte heißen: so öffentlich wie möglich. Aber es gibt einfach Fragen, die völlig zu Recht unter Ausschluss der Öffentlichkeit besprochen werden müssen, beispielsweise Personalsachen oder manche Grundstücksfragen. Die Gemeinderäte haben es verdient, dass wir ihnen auch dann erst einmal vertrauen.