Geschäftsleute aus Fernost drängen auf den Kunstmarkt. Für den Sieker Bogo Bogomil bedeutet es das Ende seiner Karriere als ehrlicher Fälscher

Siek. Unter dem Dach eines vollkommen unauffälligen Sieker Reihenhauses stapeln sich Kunstschätze. Bilder von Renoir und Monet. Sogar „Der Turm der Blauen Pferde“ von Franz Marc lagert hier. Obwohl das Gemälde verschollen ist. Ein spektakulärer Kunstraub? Ein Fall für die Polizei? Ein neuer Gurlitt-Fall? Nein. Alles korrekt. Alles made in Stormarn.

Hier, in der rund 2000 Seelen zählenden Gemeinde Siek vor den Toren Hamburgs, arbeitet Bogo Bogomil. Ein Künstlername, wie sich denken lässt. Und ein Künstler ist er. Mehr als das. Er ist ein Meister, der im Norden seinesgleichen sucht und neuerdings einen Brilli im Ohr trägt, um den kreativen Kick noch zu befördern.

Nötig wäre das nicht. Er denkt sich immer wieder etwas Neues aus, probiert die unterschiedlichsten Techniken und wagt sich mit treulich nachempfundenen Pinselstrichen auch an die Großen heran. Ein Renoir ist für ihn eine feine Sache, ein Monet ein Mal-Fest, ein Marc eine Herausforderung. Mit ebensolcher Begeisterung hat er auch schon einen Canaletto und einen Caravaggio gefertigt. Aber jetzt ist Schluss damit. Ihm ist das Handwerk gelegt worden – von den Chinesen.

Der Maler hat Tuchfühlung aufgenommen. Unabsichtlich. „Die Chinesen haben mir eine Mail geschickt“, sagt Bogo Bogomil und schaut angesichts des für ihn vollkommen unmoralischen Angebots noch immer fassungslos durch seine Brille. Die Nachricht, die ihn aus dem fernen Osten erreichte, lautete ungefähr so: Sie sind ein wirklich guter Maler. Wir kennen Ihre meisterlichen Kopien. Aber warum machen Sie sich die Mühe? Lassen Sie uns das machen. Wir machen das schneller. Und billiger. Sie setzen dann nur noch Ihren Namen auf das Bild.

Ob das Angebot Richtung fifty-fifty gehen sollte, weiß Bogo Bogomil nicht. Es interessierte ihn null. „Die sitzen in China in Reihen nebeneinander. Jeder macht zwei, drei Pinselstriche und schiebt das Bild dann weiter. Wie am Fließband“, sagt der Sieker, der auf der Rückseite eines jeden Renoirs oder Manets aus seinem Hause säuberlich seinen Namen setzt: Bogomil – aber eben erst dann, wenn er mit seinem Werk fertig ist. Und nicht, wenn eine Billig-Kopie aus China darauf wartet, von ihm nur noch abgestempelt zu werden.

„In Deutschland gibt es strenge Auflagen“, sagt Bogo Bogomil. „Wir müssen uns daran halten und die Kopien mit unserem Namen kennzeichnen. Und der Urheber muss mindestens 70 Jahre tot sein.“ Außerdem sei vorgeschrieben, das Format deutlich zu verändern, um Verwechslungen mit dem Original bewusst zu verhindern. „In China schert man sich um unsere Auflagen nicht“, sagt Bogomil. „Das prallt alles an der Chinesischen Mauer ab. Die machen uns den Kunstmarkt kaputt.“

Ein T-Shirt aus dem fernen Osten ist schon für ein paar Euro zu haben. Die Kopie eines Renoirs made in China koste mit 200 bis 300 Euro zwar deutlich mehr, sagt Bogomil. Aber für das Geld könne er sich hier in Deutschland knapp Leinwand, Pinsel und Farben besorgen. Und dann beginne die Arbeit erst: akribisch und zeitaufwendig.

„Man muss sehr genau hinsehen“, sagt Bogomil und zeigt auf die zum Teil schroffen Wolkenstriche neben einer eleganten Dame mit grün-weißem Schirm unter freiem Himmel. Der französische Impressionist Monet hat das holde Geschöpf geschaffen. Der Sieker hat es nachempfunden. „Freilichtstudie. Nach links gewandte Frau“ heißt das Werk. „Hier“, sagt er ganz in seinem Element. „Hier sind die Pinselstriche geschwungener, die Wolken weicher. Und hier. Das Blau, das muss durchschimmern.“ Wer einen solchen „alten Meister“ made in Siek haben möchte, der muss die wochenlange Arbeit bezahlen und mit 3000 Euro rund das Zehnfache ausgeben.

Aus reiner Schaffenslust und – um im Bild zu bleiben – einfach so ins Blaue hinein lässt sich eine solche Replik nicht mehr produzieren. „Das geht nur noch als Auftragswerk“, sagt Bogomil, der den Kunstmarkt insgesamt bedroht sieht, da er auch an einer anderen Verkaufsfront dunkle Wolken heraufziehen sieht. Früher sei es nur der röhrende Hirsch und andere Kaufhauskunst gewesen, die für wenig Geld über dem Wohnzimmersofa landete. Heute komme das digitale Geschäft dazu. Bogomil: „Man kann jeden Kunstdruck auf Leinwand bringen.“ Handarbeit sei da nicht mehr gefragt.

Der Sieker erinnert sich noch genau, wie seine Karriere anfing. Seine erste Kopie war die „Japanische Brücke“ von Monet. Auch ein Monet-Früchtestillleben, „Mit Birnen und Trauben“, entstand auf der Staffelei unter dem Dach seines Sieker Reihenhauses. Als es fertig war, ging Bogomil in die Hamburger Kunsthalle, um die Probe aufs Exempel zu machen. Denn dort hingen die echten Früchte.

„Ich hatte mich vorher angemeldet“, sagt Bogomil. Seine Frau war mit dabei und hatte die Kopie in Noppenfolie dabei. Der damalige Kurator Dr. Jenns Howohldt empfing die Sieker höchstpersönlich. Da das Original von Monet zwischenzeitlich seinen Stammplatz in den oberen Ausstellungsräumen gegen einen Platz in den Katakomben eingetauscht hatte, kamen Bogomil und sein Frau ins Allerheiligste. Dorthin, wo all die Kunstschätze lagern – nicht wie in Siek unterm Dach, sondern unten, in kühlem Gewölbe.

Eine Monet-Kopie begeisterte selbst den Kurator der Hamburger Kunsthalle

Der Kurator sagte nichts. Aber er schaute das Bild von oben nach unten an. Dann von unten nach oben. „Er durfte keine Einschätzung geben“, sagt Bogomil. „Das hätte einen Eingriff in den Kunstmarkt bedeutet.“ Das wohlwollende Lächeln genügte dem Sieker jedoch vollauf. „Und dann verlangte er nach einer Visitenkarte“, sagt die Frau des Meisterkopisten. „Und ermahnte meinen Mann, keinen Schabernack mit dem Bild zu treiben. Das sagte alles.“

In Stormarn, in Hamburg, aber auch in anderen Städten sind Bogomils Werke im Stil alter Meister zu sehen. Nicht in Museen, aber bei privaten Kunstsammlern. Viele neue werden nicht dazukommen. Die goldenen Zeiten als Kopist sind vorbei. Der Kunstmarkt ist ein hartes Pflaster. Härter als je zuvor. Da lässt sich schon mal trübsinnig werden. Vielleicht helfe ja ein kleiner Zopf, dachte der Sieker eines Nachmittags bei sich und sprach es aus. Das kam bei seiner Frau gar nicht gut an. Dann schon lieber ein Ohrring. Der blinkert nun, hebt die Laune und adelt offenbar. „Einige Freunde haben schon zu mir gesagt: Jetzt bist du ein wirklicher Künstler“, sagt Bogomil und lacht.

Er weiß, die Hochkarätigkeit eines Malers hängt nicht vom Glitzern eines Brillis ab. Sie spiegelt sich im gekonnten Faltenwurf eines Sommerkleides wider. In der samtenen Haut von Trauben, die man berühren möchte. Oder im perfekt getroffenen absurden Blau übereinandergetürmter Pferde, mit dem das Geniale sichtbar wird. Bogomil hatte gehofft, dieses Bild könne in der Gurlitt-Sammlung auftauchen. Tat es nicht. Wäre seine Kopie in der Sammlung aufgefallen? Mit Sicherheit. Denn vorn steht: Franz Marc. Hinten: Bogomil. Alles korrekt. Alles made in Stormarn. Ein ehrliches Label – in Gefahr.