Der Mangel kann für Mütter bedeuten, dass sie ihre Arbeit aufgeben müssen. Die Politik beruft sich auf Sparzwänge

Oststeinbek. Kürzlich haben 48 Familien in Oststeinbek Post von ihrer Gemeindeverwaltung bekommen, die ihnen Sorgen bereitet. Bürgermeister Jürgen Hettwer schreibt den Eltern, die sich für eine Hortbetreuung im kommenden Schuljahr haben vormerken lassen, dass die Nachfrage so stark angestiegen sei, dass nicht alle Kinder untergebracht würden. „Nach heutigem Stand werden von 48 Neuanmeldungen 17 nicht berücksichtigt werden können“, heißt es in dem Brief. Der Vergabeausschuss werde am 15. Mai den Bedarf prüfen, die Vergabe der freien Plätze beschließen und umgehend alle Familien über das Ergebnis informieren.

Astrid Röder ist eine der Mütter, die betroffen sein könnten. „Es ist bitter. Hier wird eine Entscheidung über mein berufliches Schicksal getroffen, auf die ich keinen Einfluss habe“, sagt sie. Die 50-Jährige hat zwei Kinder. Ihre Tochter Smilla, 8, besucht die dritte Klasse der Grundschule und wird auch in der vierten Klasse ihren Hortplatz behalten können. Sohn Joris, 6, hingegen, der nach den Sommerferien von der Kita in die erste Klasse wechselt, wird vermutlich bei der Hortplatzvergabe leer ausgehen. Röder kennt den Kriterienkatalog für die Vergabe. „Kinder von Ehepaaren, bei denen ein Partner voll, der andere in Teilzeit beschäftigt ist, werden zuletzt berücksichtigt – leider ist das unsere Situation, weil ich wegen der Kinder auf eine 25-Stunden-Woche reduziert habe“, sagt die Bauingenieurin, die als Beamtin im Amt für Wasser und Schifffahrt in Hamburg arbeitet.

Erschwerend für ihre Familie sei noch ein weiteres Vergleichskriterium. Astrid Röder: „Jüngere Kinder werden bevorzugt. Unser Sohn war bei der Einschulung ein sogenanntes Kann-Kind. Anders als unsere Tochter sollte er nach der Schulprüfung nicht früher eingeschult werden. Das ist schon kurios: Erst wurde er von der Schule geblockt, jetzt wird sein Alter bei der Hortauswahl zum Nachteil.“ Sollte ihr Sohn keinen Platz bekommen, würde das mangels Betreuungsalternative bedeuten, dass Astrid Röder sich in ihrem Job freistellen lassen müsste – eine große finanzielle Einbuße. „Wir haben hier gebaut und brauchen das Geld. Oststeinbek haben wir auch deshalb gewählt, weil wir hier willkommen waren. Umso mehr überrascht es, dass die Gemeinde nicht auf den Bedarf an Betreuungsplätzen eingerichtet ist.“

Hans-Joachim Vorbeck, erster stellvertretender Bürgermeister und Fraktionsvorsitzender der CDU in der Gemeindevertretung, widerspricht. „Zurzeit bekommen 153 von 273 Grundschülern in Oststeinbek Hortbetreuung. Damit liegen wir weit über der vom Kreis festgelegten Quote von 25 Prozent.“ Im Übrigen sei es das erste Mal, dass nicht alle Kinder in Oststeinbek den gewünschten Hortplatz bekämen.

Julia Mai, die schon vor Jahren als arbeitende Mutter betroffen war, meint, dass das Problem schon länger bekannt sein sollte. Sie hat 2011 zusammen mit anderen Eltern eine Initiative gegründet, die durch Umfragen den Bedarf an Betreuungsplätzen für Kinder in Oststeinbek ermittelt hat. „Wir haben mitinitiiert, dass die neue Kindertagesstätte am Sportforum gebaut wird“, sagt sie. Doch auch die Hortplätze im Neubau, der im Juni Richtfest hat, werden nicht reichen. „Das Problem hat eine neue Dimension“, sagt Julia Mai. Zuversichtlich mache sie allerdings, so bemerkt sie sarkastisch, dass die Politik lernfähig sei: „Damals hatten die meisten Politiker keine Ahnung vom Thema, inzwischen sind sie reingewachsen.“

Was den von der Hortplatzvergabe betroffenen Eltern nichts nützen wird. Denn die Gemeindevertreter haben beschlossen, was die Verwaltung umsetzen muss: dass keine weiteren Plätze geschaffen werden. Hans-Joachim Vorbeck sagt über die Entscheidungszwänge: „Es gibt drei Gründe dafür. Erstens: Es ist nicht ausreichend qualifiziertes Personal auf dem Markt. Uns fehlen schon jetzt zwei Erzieher. Zweitens: Wir haben keine Räume für weitere Hortgruppen. Drittens: Wir können uns Mehrkosten von 86.000 Euro im Jahr nicht leisten.“ Insbesondere Letzteres ist für ihn entscheidend: „Die Mehrbelastung durch das neue Finanzausgleichsgesetz, die für Oststeinbek mehr als eine Million Euro pro Jahr bedeuten kann, zwingt uns zum Sparen. Hortplätze sind keine gesetzliche, sondern eine freiwillige Leistung, die wir nicht erbringen können, wenn wir anderswo sparen müssen.“

Vorbeck hat Verständnis für die Sorgen der Eltern. „Wir wollen soziale Härtefälle vermeiden.“ Spontan sagt er, dass im Einzelfall vielleicht noch flexibel reagiert werden könne: „Ich kann mir vorstellen, dass in großer Not eine minimale Überbelegung der Gruppen helfen kann. Das aber müsste in einem Beschluss der Gemeindeversammlung oder aller Fraktionen geklärt werden.“