Um Todkranke und ihre Angehörigen kümmert sich von Bargteheide aus die neue Außenstelle des Palliativnetzes

Bargteheide. Der geliebte Mensch ist gestorben. Zu Hause. Der Angehörige sitzt neben ihm. Er hält seine Hand. Er ist froh, dass er dabei sein konnte und ihn auf dem letzten Weg begleitet hat. Aber wer begleitet jetzt den Angehörigen? Die Spannung löst sich. Tränen fließen. Vielleicht kommen auch Ängste hoch – mit einem Toten in der Wohnung, und das vielleicht allein. „Wir tragen auch diese Last mit“, sagt Dagmar Lichtblau, die Regionalkoordinatorin des Palliativnetzes Travebogen. Die Trauerbegleitung gehöre dazu – als Abschluss eines oft qualvollen Prozesses, bei dem Patienten und Angehörige gleichermaßen Unterstützung brauchen. Lichtblau: „Wir wollen helfen, das Sterben nach Hause zu holen.“

Für Stormarner, die sich für diesen Weg entscheiden, gibt es jetzt eine Anlaufstelle vor Ort: Nadine Ziborius wird ihr Büro in der Bargteheider Bahnhofstraße 32 eröffnen und damit eine Außenstelle des in Lübeck angesiedelten Palliativnetzes Travebogen einrichten. „Unser Ziel ist es, die Lebensqualität des Patienten in seinen letzten Tagen zu erhöhen“, sagt die Krankenschwester und Diplom-Pflegewirtin. „Und es geht um den Wunsch nach möglichst langer Selbstbestimmtheit.“

Dieser Wunsch ist stark. Und er wächst. „Als wir anfingen, waren es zehn, dann 30 und dann 50 Menschen. Jetzt sind es rund 100“, sagt Dagmar Lichtblau, die sich um die Koordination der Hilfeleistungen in den vier Regionen des 2009 gegründeten Palliativnetzes Travebogen kümmert. Die Region Süd erstreckt sich von Ahrensburg über Bargteheide bis nach Bad Oldesloe und Reinfeld. „Wir haben Bargteheide als Standort für unser Büro gewählt, weil es in der Mitte Stormarns liegt“, sagt Dagmar Lichblau. Und weil es hier mit vier palliativ ausgerichteten Pflegediensten einen Schwerpunkt gebe. „Damit das aber ganz klar ist, der Pflegedienst bleibt“, sagt die Koordinatorin. „Die Pflegestufen sind von der ambulanten Sterbebegleitung vollkommen unberührt. Unser Angebot kommt on top.“ Und wird von den gesetzlichen Krankenkassen bezahlt.

Spezialisierte ambulante Palliativ-Versorgung (SAPV) heißt das Angebot des Palliativnetzes Travebogen ganz genau. Es umfasst medizinische Betreuung ebenso wie psychologische und ergotherapeutische Hilfe oder die Versorgung mit Morphin-Pumpen. Und es gibt eine Rufbereitschaft rund um die Uhr.

Sieben vergleichbare Palliativ-Care-Teams gibt es in Schleswig-Holstein. Und mehr als das: SAPV wird bis auf einige weiße Flecken im Süden flächendeckend in Deutschland angeboten. „Weil es seit 2007 einen gesetzlichen Anspruch auf die ambulante Sterbebegleitung gibt“, sagt Koordinatorin Dagmar Lichtblau. „Es ist kaum zu glauben, aber nicht einmal alle Hausärzte wissen von unserem Angebot.“

Umso wichtiger sei die Unterstützung der Patienten und Angehörigen, wenn es um die Gespräche mit den Kliniken und Ärzten und um das Stellen der Anträge bei den Krankenkassen gehe. Oft komme es auf die richtigen Formulierungen an, um die Lage des Patienten so präzise und eindrücklich wie möglich zu beschreiben. So steige die Chance, dass das Verfahren sich nicht lange hinziehe. Dagmar Lichtblau: „Wir haben nicht sehr viel Zeit bei diesen Fällen.“ 28 Tage betrage die durchschnittliche Verweildauer der Todkranken zu Hause. Lichtblau: „Manche sterben aber auch schon nach zwei Tagen.“

„Wir kümmern uns auch um die Abrechnung“, sagt Nadine Ziborius, die ihr Büro Mitte April in Bargteheide eröffnen wird. Der Medizinische Dienst der Krankenversicherung prüfe den Antrag. Werde er genehmigt, zahle die Kasse an das Palliativnetz. „Wir verrechnen dann mit den Ärzten und den Dienstleistern“, sagt Nadine Ziborius. „Die Patienten und ihre Angehörigen müssen sich nicht darum kümmern.“

In der Regel brauche es nur ein bis zwei Wochen, und der Antrag sei durch. „Die Genehmigung erfolgt immer für acht Wochen“, sagt Koordinatorin Dagmar Lichtblau. Dann werde ein Folgeantrag gestellt. Eine zeitliche Begrenzung gebe es nicht, Probleme so gut wie keine. Anders sehe die Lage für privat Versicherte aus. „Wir rechnen eine Tagespauschale von 165 Euro für die Patienten ab“, sagt Dagmar Lichtblau. „Die privaten Krankenkassen fordern jedoch eine detaillierte Kostenaufstellung.“ Das Palliativnetz Travebogen dürfte zwar bei der Antragstellung helfen. Den Antrag selbst müssen aber die privat Versicherten selbst stellen. Lichtblau: „Zum Glück geht es dann mit etwas Nachdruck meistens doch.“

Für Nadine Ziborius ist es eine Herzenssache. „Ich habe in Kliniken gearbeitet und gesehen, wie das Sterben nebenher verlief.“ Später habe sie im Hospiz Helenenstift in Hamburg-Altona gearbeitet. „Und da habe ich gesehen, dass es auch anders geht.“ Die Zusammenarbeit mit den Hospizvereinen in Ahrensburg und Bad Oldesloe sei daher fester Bestandteil auch ihrer Arbeit. „Sie sind oft schon ganz früh da.“ Und das sei wichtig, damit die Menschen in Würde zu Hause sterben können.

Nadine Ziborius ist ab Mitte April unter Telefon 0451/16085961 zu erreichen. Ist sie im Einsatz, läuft ein Band. Wer statt der 61 die 0 wählt, erreicht die Zentrale des Palliativnetzes in Lübeck.