3,9 Prozent der Bevölkerung machen mit. Die Simanowskis aus Bargteheide zum 125. Mal

Traut liegen sie nebeneinander. Fast wie zu Hause. Nur dass reichlich viele Leute um sie herum wuseln. Und dass er auf seine angestammte Seite verzichten muss. „Eigentlich liege ich links“, sagt Manfred Simanowski. Aber bei aller Liebe – im Bargteheider Hilfszentrum geht das nicht. „Sonst fließt das Blut nicht“, sagt seine bessere Hälfte Renate und macht ihren linken Arm frei.

Da nahen auch schon Schwester Petra Stobbe und Arzthelferin Birgit Brügmann. Gleich wird es piken. Die eine steuert auf den Herren, die andere auf die Dame zu, beide „verarzten“ das Paar im Doppelpack. Anders wäre es auch nicht möglich. „Wir gehen grundsätzlich gemeinsam“, sagt der Bargteheider und nimmt die Hand seiner Frau. Ihr ist das unangenehm. „Als wenn ich Angst hätte“, sagt sie. Aber wie könnte sie.

Sie weiß, wie „der Hase läuft“: Fragebogen ausfüllen, mit dem Arzt sprechen, Blutdruck messen und Eisenwert bestimmen lassen. Nach der Spende ein bisschen liegen bleiben, dann einen Imbiss einnehmen. Und mit einem guten Gefühl nach Hause gehen. Einen halben Liter wird sie heute spenden. So wie ihr Mann. So wie seit Jahrzehnten – immer gemeinsam. Den 40. Hochzeitstag haben sie schon hinter sich. Heute feiern sie beide ihren 125. Blutspendetermin.

Es piept. Schwester Petra Stobbe eilt herbei, nimmt die Nadel raus. Der Beutel ist voll. „So sieht sie aus, die 125.Spende von Herrn Simanowski“, sagt die Schwester begeistert. „Daraus kann man bis zu fünf Blutkonserven machen. Denn die Bestandteile werden getrennt. In rote Blutkörperchen, Plasma und Blutplättchen – die Thrombozyten. „Die Krankenhäuser melden uns, was sie gerade besonders brauchen.“

Wer nicht vorher eineinhalb Liter getrunken hat, muss nach Hause gehen

Eine Nachfrage bei Ingo Holthusen ergibt: Heute sind besonders Thrombozyten gefragt. Vor dem Rettungsassistenten stehen Behälter mit jeder Menge Röhrchen. Denn das Blut wird nicht nur einfach abgezapft, es werden auch Proben genommen, um es zu prüfen. Wie sind die Blutwerte? Wie die Leberwerte? Ist der Spende HIV-positiv? „So bekommen die Spender auch gleich einen Gesundheitscheck“, sagt Ärztin Nina Meinz. Wer mindestens dreimal im Jahr spendet, erhalte das Ergebnis der letzten zum Jahresende schriftlich. Angst vorm Spenden müsse keiner haben. Das Ausfüllen des Fragebogens und das ärztliche Gespräch davor sorge für größtmögliche Unbedenklichkeit. „Wer vorher nicht eineinhalb Liter getrunken hat, muss leider wieder nach Hause gehen“, sagt die Ärztin. Denn der Blutverlust ist Flüssigkeitsverlust.

Die Simanowskis haben es schon geschafft. Sechs Minuten hat die Jubiläumsspende bei ihm gedauert. „Ich war schneller“, sagt sie. 5,36 Sekunden. Ein mit Humor ausgetragener Wettkampf, von dem andere profitieren.

„Wir gehen alle unbewusst davon aus, dass genügend Blut zur Verfügung steht, wenn wir selbst oder Angehörige es brauchen“, sagt Prof. Torsten Tonn. „Und trotzdem spendet nur ein kleiner Prozentsatz unserer Bevölkerung regelmäßig Blut. Das ist nicht fair.“ Prof. Tonn ist medizinischer Geschäftsführer des DRK-Blutspendedienstes Nord-Ost, der für Schleswig-Holstein, Hamburg, Berlin, Brandenburg und Sachsen zuständig ist und damit verantwortlich für die Versorgung von 14,5 Millionen Einwohnern mit Blutpräparaten.

Dagegen ist die Zahl der Spender erschreckend gering. Im Bundesschnitt spenden nur 2,1 Prozent der Bevölkerung. „In Hamburg nur 0,7 Prozent“, sagt Till Bormann, Öffentlichkeitsreferent des DRK-Blutspendedienstes Nord-Ost. Dass in Hamburg und Schleswig-Holstein im Schnitt 84 Menschen zu den Terminen kommen, liege daher nicht an der Hansestadt. Schleswig-Holstein reiße das raus. „In der Fläche ist die Spendenbereitschaft größer“, sagt Bormann. „In Stormarn liegt die Beteiligung bei 3,9 Prozent. Ein wirklicher guter Wert.“

Superwerte liefert Bargteheide. „Zu uns kommen pro Termin im Schnitt 250 Spender“, sagt Ursula König vom Bargteheider DRK-Ortsverein, die den Blutspendetermin im Hilfszentrum seit zehn Jahren organisiert. Die Vorbereitungen beginnen zwei Wochen vorher. Sie braucht rund 25 Ehrenamtler und Berge von Lebensmitteln, damit die Spender sich stärken können: 30 Kilogramm Brot, 90 Becher Joghurt, 15 Liter Kaffeesahne, sieben Kilo Butter, Unmengen an Käse und Süßigkeiten. „Vor allem die Männer naschen gern“, sagt Ursula König. Ihrer wohl auch. Aber er hat sich heute wie immer erst einmal um die Tischdekoration gekümmert. Deswegen sieht es so nett aus im Aufenthaltsraum. Auch die Simanowskis wollen sich jetzt stärken. Aber erst gibt es eine Urkunde, einen Präsentkorb und ein vergoldetes Kreuz mit roter Glasperle. „Die 125. Blutspende. Im Doppelpack“, sagt der Pressesprecher. „Das habe ich noch nicht erlebt.“

Den Simanowskis ist so viel Aufhebens gar nicht recht. Sie setzen sich hin, greifen zu und grüßen immer wieder. Es hat etwas von Familientreffen. Uwe Schildmeier ist heute das 40. Mal dabei. Helmut Drenkhahn, Bürgermeister von Hammoor, das 75. Mal. Ein erstaunlich großes „Stammpublikum“. Die Simanowskis sind einsame Spitze. Warum machen sie das? „Weil ich helfen will“, sagt sie. „Weil ich genug Unfälle gesehen habe“, sagt er. „Ich war Wehrführer der Feuerwehr. Die Bilder von den Verletzten kann ich nicht vergessen.“

Draußen stehen Wagen für den Blut-Transport bereit. Das Vollblut braucht vier bis sechs Grad. Wird es später getrennt, wird es komplizierter. „Das Plasma hält sich 24 Monate, bei Minus 30 Grad“, sagt Pressereferentin Claudia Hammerich vom DRK-Blutspendedienst Nord-Ost. „Blutplättchen lieben 22 Grad und halten sich nur vier Tage.“ Eine logistische Herausforderung. Die Krankenhäuser im Norden brauchen 750 Spenden – täglich. In Bargteheide haben heute 271 Menschen mehr als ein Drittel des Tagesbedarfs gedeckt. Die Simanowskis haben dazu beigetragen. Und sie kommen wieder.