Bürger könnten regelmäßig für Ausbau und Sanierung zur Kasse gebeten werden. Thema wird landesweit diskutiert

Reinbek. Die Bürger der 26.500-Einwohner-Stadt Reinbek sollen einen jährlichen Beitrag entrichten, mit dem marode Straßen erneuert werden. Eine Art Straßen-Steuer also. Diesen Wunsch hat zumindest die SPD. Sie findet das aktuelle System ungerecht. Derzeit werden die Grundeigentümer an den Ausbaukosten ihrer Straße beteiligt. Je nach Lage und Straßentyp liegt ihr Anteil zwischen 25 und 75 Prozent der Kosten. Deshalb hatten die Sozialdemokraten einen Antrag in den Hauptausschuss eingebracht, der alle Reinbeker, Grundeigentümer wie Mieter, einbezieht. „Wir haben ihn dann zurückgenommen, weil beim Bundesverfassungsgericht noch Verfahren anhängig sind“, sagt Baldur Schneider, baupolitischer Sprecher der SPD. Sobald Rechtssicherheit bestehe, werde das Papier wieder auf den Tisch kommen.

Über das Thema machen sich derzeit auch andere Gedanken, zum Beispiel Forum-21-Politiker Heinrich Dierking. Er sagt: „Ich kenne Rentner in der Stadt, die ihr Eigenheim verkauft haben, weil sie Straßenausbaukosten in vierstelliger Höhe nicht zahlen konnten. Wir brauchen einen Paradigmenwechsel. Dadurch würde auch die Verwaltung entlastet werden.“ Seine Fraktion brachte in der jüngsten Sitzung des Bau- und Planungsausschusses den Antrag ein, in den kommenden Monaten die Frage der Änderung von einmaligen hin zu wiederkehrenden Beiträge auszuloten – und musste sich heftige Kritik der SPD gefallen lassen. „Das ist alles bei uns geklaut“, sagt Schneider. Deshalb zog Dierking den Antrag „wegen schlechter Stimmung“ zurück, will ihn aber in Kürze wieder vorlegen. „Dass wir das Thema demnächst anpacken müssen, darüber herrscht in der Politik Einigkeit“, sagt auch Schneider.

Die Umstellung von einmaligen in wiederkehrende Beiträge sei zwar eine schwierige Zäsur, meint der CDU-Fraktionsvorsitzende Hans Helmut Enk, „von der Logik her aber nicht schlecht.“ Günther Herder-Alpen von den Grünen: „Die Straßenausbaukosten sollten auf alle Schultern verteilt werden.“ Regelmäßige Beiträge seien wesentlich gerechter, als ausschließlich die Anlieger nur einmal mit zum Teil mehreren Tausend Euro zu belangen. Der FDP-Fraktionsvorsitzende Uwe Rasch: „Bei so einer grundlegenden Sache sind wir für einen Bürgerentscheid. Mieter sollten aber keine direkte Umlage zahlen.“ Das schwebt auch Dierking vor. Allerdings befürchtet er, „dass die Kosten von den Vermietern weitergegeben werden“.

Kommunalabgabengesetz ließe eine Straßenumlage zu

Ob das rechtens ist, darüber herrsche noch keine Klarheit. Das sagt Reimer Steenbock von der Gesellschaft für Kommunalberatung und -entwicklung (Gekom) in Reinbek. Er ist unter anderem Experte, was die Möglichkeit wiederkehrender Beiträge für den Straßenausbau angeht. Inzwischen können Schleswig-Holsteins Kommunen selbst entscheiden, ob sie das neue System einführen. Steenbock: „Das lässt das Kommunalabgabengesetz, das von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich ist, seit einigen Jahren zu.“ Befürchtungen, das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe könnte die Regel kippen, teilt er nicht: „Es geht im Wesentlichen darum, ob eine Stadt einheitlich abrechnen darf oder die Ortsteile einzeln betrachten muss.“

Steenbock beziffert die jährliche Umlage für Straßenausbaukosten pro Kopf auf einen zweistelligen, maximal aber niedrigen dreistelligen Betrag. Im Kreis Stormarn hat sich bisher noch keine Kommune durchringen können, wiederkehrende Beiträge einzuführen. Marc Ziertmann, stellvertretender Geschäftsführer beim Städteverband Schleswig-Holstein: „Über das Thema wird aber in einigen Städten und Gemeinden des Landes intensiv diskutiert.“ Für viele Kommunen sei das eine sehr interessante Alternative auch im Sinne des Bürgers, sagt Jörg Bülow, geschäftsführendes Vorstandsmitglied beim Schleswig-Holsteinischen Gemeindetag.

Sollte Reinbek vorweg maschieren, könnte das auch eine Signalwirkung für andere Kommunen im Kreis haben. Wesentlich weiter ist man bereits in Rheinland-Pfalz. Laut Steenbock haben dort nahezu 600 Gemeinden wiederkehrende Beiträge eingeführt, unter anderem auch die 40.000-Einwohner-Stadt Pirmasens. Dort zahlen die Grundstückseigentümer durchschnittlich 60 bis 125 Euro jährlichen Beitrag. Inzwischen herrsche in der Bevölkerung eine hohe Akzeptanz, auch gebe es weniger Widersprüche, Klagen und Verwaltungsanfragen, ließ die Verwaltung verlauten.

Und was sagen die Reinbeker dazu? Schwimmmeistergehilfin Christiane Schalwich: „Davon halte ich nichts. Was hat ein Bürger vom anderen Ende der Stadt mit meiner Straße zu tun?“ Gymnasiallehrer Hans-Jürgen Otto ist da anderer Meinung: „Die Anlieger werden derzeit über das Maß herangezogen, das ist ungerecht.“