Bei den Kultur- und Geschichtstagen führt die Spurensuche zu königlichen Häuptern und einem geschäftstüchtigen Ahrensburger Schlossherrn

Ahrensburg. Zugegeben. Die Pölser-Bude auf dem Ahrensburger Rathausplatz ist längst verschwunden. Aber was sagt das schon. Erstens wird das von vielen bedauert. Zweitens findet sich auf jedem Stormarner Stadtfest ein dänischer Hotdog-Stand. Und überhaupt. Es gibt reichlich mehr Indizien: Dänisches Salz-Lakritz liegt griffbereit neben jeder Kasse. Wir lieben stinkigen dänischen Käse und das Dänisch-Blau an Fensterrahmen. Klamottenläden mit DAN-Art haben wir im Kreis ebenfalls zu bieten. Wir futtern Kopenhagener. Und offensichtlich schlafen die Stormarner auch gern nach Art der Nachbarn, wie die flächendeckend verbreiteten Bettenlager vermuten lassen. Angesichts so viel Nähe drängt sich die Frage auf: Wie viel Dänemark steckt eigentlich in Stormarn?

Das soll jetzt wissenschaftlich geklärt und drei Monate von allen Seiten bunt und lebendig beleuchtet werden: bei den Stormarner Kultur- und Geschichtstagen. „Spurensuche Dänemark – Stormarn" lautet der Titel der Veranstaltungsreihe, die Dänenfans, historisch Interessierten und Kulturbegeisterten ein pralles Programm bietet. Zusammengestellt hat es Kreiskulturreferentin Tanja Lütje mit Unterstützung von Norbert Fischer, einem Professor für regionale Geschichte.

Logisch, dass ein Professor sich nicht vorrangig mit Hot Dogs beschäftigt. So geht es bei der Veranstaltungsreihe auch nicht wirklich um die Wurst, sondern um die historischen Wurzeln. Wer da nachgräbt, fördert Erstaunliches zu Tage: So gab es Zeiten, da sich der dänische König auf Inspektionsreise durch seine Herrschaftsgebiete in Bad Oldesloe blicken ließ und für Aufregung und Kosten sorgte. Und es gibt weitere Spuren der dänischen Vorherrschaft in Schleswig-Holstein, die immerhin bis 1864 andauerte. So ließen die Dänen-Könige ihre südlichen Besitzungen von Reinbek aus verwalten. Und wer hätte gedacht, dass im verträumten Tremsbüttel einst der dänische Amtsmann Christian Graf zu Stolbeg residierte und den Ort mit seiner geliebten Luise, geb. Gräfin von Reventlow, zu einem geistigen und kulturellen Zentrum in Schleswig-Holstein machte.

Der Blick richtet sich aber auch auf die Gegenwart. Schließlich soll die historische Aufarbeitung helfen, das Jetzt zu verstehen. So stellen sich bei der Auftaktveranstaltung am 1.März in der Trittauer Wassermühle junge Dänen vor: Jasper Daalgaard, Asmund Havsteen Mikkelsen und Lars Worm. Drei Künstler, drei Gattungen: Malerei, Skulptur und Zeichnungen. Sie werden sicher mehr zu erzählen haben, als nur von richtigen Pinselstrichen und dem präzisen Ansätzen von Stemmeisen. Wie ist das Selbstverständnis dänischer Jugend? Wie ist ihr Lebensgefühl?

Am diesem Abend wird auch die kesse Mademoiselle Karen in Trittau erwartet, eine dänische Liedermacherin, die mit Cabaret-Pop für Stimmung sorgen und an das freizügige, swingende Kopenhagen erinnern könnte. Was wohl Heinrich Carl von Schimmelmann dazu sagen würde und erst recht seine Gattin mit dem prätentiösen Namen Caroline Tugendreich? Nicht, dass der Ahrensburger Schlossherr früherer Tage, dessen Familie in den dänischen Grafenstand erhoben wurde, Grund gehabt hätte, sich über die Musik einer freien Jugend zu mokieren – mal angenommen, so etwas hätte es überhaupt gegeben. Schimmelmann hatte ganz andere Dinge zu verantworten.

Als er 1759 das Schloss von der Familie Rantzau erwarb, hatte er im Jahr zuvor bei einer Versteigerung einen bedeutenden Gewinn gemacht und ein Handelshaus in Hamburg eröffnet. Schimmelmann galt damals als reichster Mann Europas. Die Art, wie er sein Geld verdiente, war allerdings speziell. Er exportierte Waffen an die Westküste Afrikas und ließ Sklaven für sich in der Karibik arbeiten. Dort hatte Schimmelmann Baumwoll- und Zuckerrohrplantagen und 1000 Sklaven, mehr als jeder andere dänische Plantagenbesitzer – eine ebenso zweifelhafte wie wirksame Empfehlung für seinen ältesten Sohn, der als Finanzminister an den dänischen Hof berufen wurde.

Das ist keine rundum schöne Geschichte, aber es ist Historie. Und dass man sich mit ihr auseinandersetzen muss, wissen die Deutschen am besten. Parallelen zu späteren Ereignissen drängen sich auf: Schimmelmann fühlte sich offenbar ebenfalls als Herrenmensch und ließ seinen Sklaven wenn auch keine Nummern so doch ein S auf die Haut brennen – und das auch noch mit einem Herz umrundet.

Die wahren Herz-Geschichten rühren anders an. Sie führen ins Märchenhafte, in dem eine bessere Welt zum Greifen nah ist. Eine Welt, für die es sich zu kämpfen lohnt. So wenden sich die Macher der Kultur- und Geschichtstage auch an die junge Generation. Bei Konzerten für die Kleinen dreht sich zu Schumanns „Kinderszenen“ alles um „Däumelinchen“. Jenes winzige Mädchen, das der Däne Hans Christian Andersen ersonnen hat und das so lange sucht, bis es in einer Blüte einem Prinzen der passenden Größe begegnet. Geht doch. Ganz ohne partnersuche.de – mit herrlicher Fantasie made in Danmark. Für kleine Stormarner, die es gern wissenschaftlicher mögen, bringen die Kultur- und Geschichtstage ein neues, dauerhaftes Angebot ins Reinbeker Schloss: das „Museum im Schrank“. Türen öffnen, Material herausholen und zu einer Zeitreise starten.

Die Spurensuche ist spannend. Wer einmal die Fährte aufgenommen hat, erfährt tierische Neuigkeiten. Zum Beispiel der Schwan, das Stormarner Wappentier. Wehrhaft verteidigt er den Kreis, der vermutlich mal Sturmland hieß. Das Wappen zählt zu den ältesten Deutschlands. Und wer hat’s erfunden? Die Dänen. Es wurde erstmals 1476 im Siegel König Johanns von Dänemark nachgewiesen. So edel ist Stormarn! Und so dänisch! Was man nicht alles erfährt, wenn man sich mit Hot Dogs beschäftigt. Hans Christian Andersen wusste von Pölsern noch nichts. Damals wurden in Kopenhagen Brotsuppe, Körnergrütze, in Fett gebratene Äpfel mit Schinkenspeck und Lunge aufgetischt. Das zur Vernissage in der Trittauer Wassermühle zu servieren, wäre ein echter Härtetest für die dänisch-stormarnsche Freundschaft.