Stormarner beklagen fehlendes Bekenntnis aus dem Bundesverkehrsministerium zum 637-Millionen-Projekt

Ahrensburg. Im Kreis Stormarn kämpft eine breite Allianz für den Bau der S-Bahnlinie 4. Die Ankündigung des Bundesverkehrsministeriums, die Wirtschaftlichkeit und Dringlichkeit des 637,5-Millionen-Euro-Projektes zu hinterfragen (das Abendblatt berichtete), hat Proteste von Politikern, Bürgermeistern und Kunden ausgelöst. „Der gesamte Norden muss zusammenhalten und für das Projekt kämpfen“, sagt etwa Landrat Klaus Plöger.

Der Chef der Stormarner Kreisverwaltung weist darauf hin, dass das jetzt vom Bayern Alexander Dobrindt (CSU) geleitete Ministerium schon in der Vergangenheit eher Projekte im Süden der Republik gefördert habe. Für Plöger gibt es eine ganze Reihe zwingender Gründe für die S 4, die ab 2024 vom Hamburger Hauptbahnhof bis nach Ahrensburg, Bargteheide und Bad Oldesloe fahren soll: Erstens wachse die Metropolregion Hamburg weiter stark, zweitens sei der Hauptbahnhof an seiner Kapazitätsgrenze angekommen und brauche Entlastung, drittens benötige man freie Gleise für weitere Güter- und Fernzüge nach Fertigstellung der Fehmarnbeltquerung (geplant für 2022). Ziel des Güterverkehrs sei zum großen Teil der Hamburger Hafen, und da gebe es keine Alternativstrecken. Plöger erwartet geballten Protest aus der Region: „Ich gehe davon aus, dass sich der Bau der S 4 um keinen Tag verzögert.“

Dass sich der Norden für das Projekt in Berlin stark machen müsse, meint auch Bargteheides Bürgermeister Henning Görtz. „Da ist die Politik über alle Parteigrenzen hinweg gefordert, Druck zu machen“, sagt er. Die Fahrgastzahlen stiegen weiter stark. Görtz: „Für viele Menschen, die herziehen und in Hamburg arbeiten, ist die Bahnanbindung ein wichtiger Punkt.“ Mit Schrecken habe er den Satz in der Ministerium-Stellungnahme gelesen, „gegebenenfalls den Projektumfang zu reduzieren“. Sollte die S-Bahn womöglich aus Kostengründen in Ahrensburg enden, würden Bargteheide und Bad Oldesloe abgehängt.

Das ist auch für die CDU-Kreistagsfraktion inakzeptabel. „Die S4 darf nicht aufs Abstellgleis“, sagt der CDU-Kreistagsabgeordnete Lukas Kilian, der auch dem Verkehrsausschuss vorsitzt. Die Kritik aus Berlin, dass der Nutzen-Kosten-Faktor nicht stimme, sei nicht nachvollziehbar. Etwa 250.000 Menschen würden von der neuen S4 profitieren. Kilian: „Eine durchgehende Verbindung von Bad Oldesloe bis nach Altona ist für den Kreis Stormarn und auch für die Stadt Hamburg von unschätzbarem Wert.“ Die Argumentation, dass die Hinterlandanbindung für die Fehmarnbeltquerung in Lübeck ende, sei falsch. „Wenn der Güterverkehr auf der Strecke Hamburg–Lübeck zunimmt, wird es unweigerlich Konflikte mit dem Personenverkehr geben.“

Dass ein Zehn-Minuten-Takt im Berufsverkehr ab Ahrensburg auf der Strecke nur mit einer S-Bahn möglich ist, betont auch Sigrid Kuhlwein, Sprecherin der SPD-Kreistagsfraktion. Es sei aber „ein ganz normaler Vorgang“, dass eine solch große Investition vorab genau geprüft werde. „Das ist auch im Interesse des Projekts“, sagt die Ammersbekerin. Eine seriöse Finanzierung von allen Beteiligten diene unter dem Strich der Realisierung.

Recht entspannt hat die Landesweite Verkehrs-Servicegesellschaft (LVS) in Kiel das Schreiben aus Berlin zur Kenntnis genommen. „Es überrascht uns nicht wirklich, dass Verhandlungspositionen aufgebaut werden“, sagt LVS-Sprecher Dennis Fiedel. Er ist weiter optimistisch, dass der Nutzen-Kosten-Faktor, den ein Gutachterbüro zurzeit auf Grundlage der Vorplanung errechnet, klar für die S4 sprechen werde.

Ungeachtet der Diskussion wollen die Verkehrsausschüsse aus Hamburg und Schleswig-Holstein bei einer gemeinsamen Sitzung Ende Januar 32Millionen Euro für die Entwurfs- und Genehmigungsplanung freigeben. Die EU hat zugesagt, davon knapp 15Millionen zu übernehmen.

Diese Förderung ist für Jörg Sievers, Stormarner Sprecher der S-4-Initiative, ein wichtiges Signal. „Das zeigt, dass die S 4 als Teil einer europäischen Linie gesehen wird und eben nicht nur Ländersache ist“, sagt der Ahrensburger. Für ihn ist die Antwort des Ministeriums zum Antrag, die S-Bahn in den Bundesverkehrswegeplan (BVWP) für 2015 bis 2030 aufzunehmen, „kein Grund zur Besorgnis“. Sievers: „Es gibt außer dem BVWP noch andere Finanzierungsmöglichkeiten.“

Sievers kämpft seit Gründung der Bürgerinitiative im Jahr 2000 für die S-Bahn. „Die Planung geht ja jetzt erst richtig los“, sagt er. Und als Qualitätsmanager könne er es nur begrüßen, wenn es zum Vorgehen Feedback gebe.

Einer, der ganz gelassen bleibt, ist der Delingsdorfer Bürgermeister Randolf Knudsen (Wählergemeinschaft). Dass der im 2200-Einwohner-Ort als Option geplante neue Bahnhof als Erstes gestrichen werden könnte, sieht er emotionslos: „Wir warten als Gemeinde erst mal den nächsten Schritt ab und sehen, wer was bezahlen soll. Dann sagen wir, was wir machen.“