Barsbüttelerin meldet mutmaßlichen Einbrecher. Doch die Wache schickt wegen Unterbesetzung niemanden vorbei

Barsbüttel. Claudia Walter (Name von der Redaktion geändert) ist verbittert und zugleich in großer Sorge. „Hinter jeder Straßenecke wird geblitzt, da ist die Polizei hinterher. Aber wenn es um Einbrüche geht, haben die Beamten nicht immer Zeit. Da sind die Schwerpunkte einfach falsch gesetzt. Ich fühle mich jedenfalls ungeschützt“, sagt die 44-Jährige. Mit ihrem Mann Wolfgang, 49, lebt sie im Barsbütteler Ortsteil Stemwarde unweit des Dorfgemeinschaftshauses in einer kleinen Straße mit einem Dutzend Einfamilienhäusern. „Um uns herum ist in den vergangenen zwei Jahren in jedes Haus eingebrochen worden, die Aufklärungsquote war gleich null“, berichtet sie. Auch bei Claudia Walter verschafften sich die Kriminellen Zugang. Sie kamen durch die Terrassentür. Und das bereits zweimal. Deswegen ist die Selbstständige, die von zu Hause aus arbeitet, sensibilisiert, wenn sie auffällige Personen in der Nachbarschaft bemerkt. So geschehen vor einigen Wochen.

„Mir ist am Vormittag ein Mann mit dunkler Kleidung und Rucksack aufgefallen, der aus dem Wohngebiet kam und über das Feld hinter unserem Haus weggelaufen ist“, sagt sie. Die Frau vermutete einen Einbrecher und rief sofort die Barsbütteler Polizeistation an – in der Erwartung, dass ein Streifenwagen vorbeikomme. Vergebens. „Der Beamte sagte mir, man würde gern jemanden schicken, habe jedoch im Moment kein Auto zur Verfügung. Er hat alles aufgenommen und nach 20 Minuten zurückgerufen. Danach ist nichts mehr passiert.“ Die Barsbüttelerin ist überzeugt: Durch personelle Engpässe ist die Polizei gezwungen, Hilferufe der Bürger halbwegs zu ignorieren.

Manfred Börner, Landesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei, wundert dieser Fall nicht: „In Schleswig-Holstein sind wir chronisch unterbesetzt. Die Polizei ist nicht in der Lage, sofort alles zu tun, was der Bürger wünscht. Die Kollegen geben sich große Mühe, kommen mit der Arbeit aber nicht hinterher.“ Laut Börner habe man derzeit landesweit 160 Stellen zu wenig. Bis 2020 stehen noch 122 Stellenstreichungen an. So plant es die Landesregierung wegen der Schuldenbremse.

Im vergangenen Sommer hatte der Polizei-Gewerkschaftsvorstand der Regionalgruppe Lauenburg-Stormarn bereits ausführlich über Einsparpotenzial mit dem Landtagsabgeordneten Burkhard Peters von den Grünen diskutiert. Der Politiker habe bestätigt, dass die Bürger die Stellenkürzungen spüren würden.

Stellenabbau statt -aufbau – für viele Polizisten ist dieser Zustand unerträglich. Im großen Interview mit der Abendblatt-Regionalausgabe Stormarn forderte Ahrensburgs Kripo-Chef Ralf Lorenzen jüngst mehr Personal für den Ermittlungsbereich, um Täter dingfest machen zu können. Die Zahlen geben ihm offenbar recht: Vermerkte die Polizei Ahrensburg im Jahr 2007 noch 172 Einbrüche in ihrer Statistik, waren es 2012 schon 242. Zuletzt schlugen die Kriminellen in der Schlossstadt 50-mal binnen sechs Wochen zu. Zum Vergleich: In Barsbüttel stieg die Zahl der Taten von 47 (2007) auf 87 im vergangenen Jahr. Beim zuständigen Innenministerium in Kiel hält man sich bedeckt, wenn es um das Thema Unterbesetzung auf Polizeirevieren geht, und verweist auf die Polizeidirektion Ratzeburg, die für den Kreis Stormarn sowie den Kreis Herzogtum Lauenburg zuständig ist.

Deren Leiter Wolfgang Becker sagt zum Fall Claudia Walter: „Die Polizeistation Barsbüttel ist weder permanent unterbesetzt, noch ist die Einsatzwahrnehmung dort von der Besetzung der Dienststelle abhängig. Das schließt nicht aus, dass im Rahmen von Einsatzprioritäten eine Überprüfung einmal nicht sofort möglich ist, weil alle Einsatzkräfte im Nahbereich gebunden sind.“ Zudem gebe die Zahl der Wohnungseinbrüche in der Gemeinde „keine Veranlassung für eine Störung des Sicherheitsgefühls“, da sie gegen den Landestrend im Oktober und November erheblich zurückgegangen sei. Becker: „2012 wurden in diesen beiden Monaten 26 Taten gezählt, in diesem Jahr zwölf.“

Auf dem Barsbütteler Polizeirevier können sich die Beamten an das Telefonat mit Claudia Walter nicht mehr erinnern. Polizeihauptkommissar Joachim Albrecht: „Wir tun unser Möglichstes, unterbrechen auch Arbeiten, um rauszufahren. Wenn das nicht geht, geben wir das an die Kollegen in Reinbek und Glinde ab.“ Der 52-Jährige wünscht sich mehr Kollegen vor Ort. Die Einschätzung des Leiters der Polizeidirektion Ratzeburg teilt er nicht: „Wir sind unterbesetzt, tagsüber teilweise nur zu zweit in der Dienststelle. 40 Überstunden in zwei Monaten kommen schnell zusammen, mitunter sogar mehr.“ Die Arbeitsbelastung sei hoch. Zum Fall von Claudia Walter sagt er: „Mit tut so etwas in der Seele weh. Ich bin Polizist geworden, um Leuten zu helfen und Täter zu fangen.“

Claudia Walter hört derartige Klagen aus der Barsbütteler Wache nicht zum ersten Mal: „Mir hat der Beamte damals durch die Blume signalisiert, wie frustrierend es sei, nicht helfen zu können. Ich habe inzwischen das Gefühl, dass man als Polizist Prügelknabe der Nation ist.“ Um das Sicherheitsgefühl in der Nachbarschaft zu erhöhen, plant sie jetzt, eine Facebook- oder Internetseite mit dem Namen „Sicherheit für Barsbüttel“ zu installieren.

Die Polizeidirektion Ratzeburg hat Claudia Walter übrigens nach Abendblatt-Nachfrage angeboten, den Sachverhalt aufzuarbeiten, „um das Gefühl, von der Polizei allein gelassen worden zu sein, zu revidieren“.