27-Jähriger aus Reinbek wegen sexuellen Missbrauchs verurteilt: Er begann eine Affäre mit einem Mädchen, das sich als 19-Jährige ausgegeben hatte

Reinbek. Das Internet schreibt den Anfang so mancher Liebesgeschichte, aber nicht alle nehmen ein gutes Ende. Diese handelt von einem Mann, der gesucht hat. Der gefunden worden ist. Und der am Ende um ein Haar im Gefängnis gelandet wäre. Denn seine Bekanntschaft, 13 Jahre alt, langes, dunkelbraunes Haar, war keine Frau. Sondern ein Kind. Das letzte Kapitel ihrer beider Affäre ist nun in Saal 107 des Reinbeker Amtsgerichts geschrieben worden: ein Jahr und vier Monate Haft auf Bewährung wegen „schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes in einem minderschweren Fall“.

Dies ist aber auch die Geschichte von Eltern, denen offenbar entgangen ist, was ihre kleine Tochter im Netz so gemacht und mit wem sie sich verabredet hat. Und es ist die Geschichte einer Internet-Singlebörse, in der sich angeblich nur Volljährige tummeln dürfen, Kinder nichtsdestotrotz unentdeckt mitmischen können. Aber diese Aspekte interessieren im Gerichtssaal nicht. Dort geht es nur um die Person Thomas R. (Name geändert) aus Reinbek, 27 Jahre alt, selbstständiger Handwerker. Und der beginnt zu erzählen, ein bisschen nervös, aber flüssig und in wohl gewählten, differenzierten Worten. Es ist seine ganz subjektive Sicht der Dinge. Sie kommt, wie das Gericht später am Tag befinden wird, der Wahrheit wohl sehr nah.

Mädchen schickt ein Foto von einer anderen Frau

Es ist April 2012, da Thomas R. sein persönliches Glück in der virtuellen Welt zu suchen beginnt. Die Beziehung zu seiner Freundin ist gerade in die Brüche gegangen, er ist offen für Neues. Plötzlich schreibt ihm eine Frau, deren Profil er mal angesehen, der er aber keine Nachricht geschickt hat. Sie sei 19 Jahre alt und aus der Nähe. Kurze Zeit später übersendet sie ein Foto. R.: „Also, das Bild fand ich sehr imponierend.“ Sie verabreden sich.

Thomas R. ist als Erster am vereinbarten Treffpunkt. Der Treffpunkt, es ist die Straße vor einem Schulhof. „Und dann ist da plötzlich dieses Mädchen in der viel zu großen Jacke über den Zaun gesprungen. Ich dachte: Zu wem will die denn?“ Zu ihm. Sie sieht nicht aus wie auf dem Foto, denn das ist ein Bild von einer anderen Frau gewesen. Sie sieht auch nicht aus wie 19. „Sie hat gesagt, dass sie in Wirklichkeit erst 15 sei.“ Sie sitzen gemeinsam auf einer Bank am Rande eines Spielplatzes, ein Gespräch entsteht eher schleppend. Thomas R. ist die Sache irgendwie peinlich. „Ich habe ihr gesagt, sie solle sich bei dieser Singlebörse abmelden. Das ist gefährlich. Wer weiß, wen man da so trifft.“

R. möchte den Kontakt beenden, aber sie haben Facebook-Adressen und Handynummern getauscht. Das Mädchen drängt auf weitere Treffen. Gefällt ihr der kleine, drahtige Typ mit den kurzen, schwarzen Haaren, der seinen Bart so penibel gestutzt hat? Gemeinsam gehen sie mit seinem Hund im Park spazieren. Sie hakt sich bei ihm unter. Beim nächsten Mal gehen sie anschließend in seine kleine Wohnung. Die 13-Jährige deutet an, dass sie gern „Erfahrungen sammeln“ möchte. Küssen lernen und so weiter. Der 14Jahre Ältere findet sich in der Rolle eines selbstlosen Lehrers offenbar gut zurecht. „Mit ihren Worten: Sie fand’s mega.“

Wann wusste er, dass sie erst 13 war?

Er ahnt nicht, dass sich Monate später die Justiz für jeden einzelnen seiner Handgriffe interessieren wird. „Für mich stand ihre Neugier im Mittelpunkt, nicht meine Befriedigung“, sagt R. im Gericht. Nun ja, diesen letzten Punkt nehmen ihm Richterin und Staatsanwalt nicht ganz ab. Er solle doch wenigstens zugeben, dass er die Aufmerksamkeit genossen habe, die ihm ein blutjunges Mädchen entgegengebracht hat, fordern beide. Dass er sich ein bisschen „gebauchpinselt“ gefühlt habe. Es fällt ihm schwer, das zuzugeben. Dann macht er es.

Was die Richterin am brennendsten interessiert: Wann ist sich der 27-jährige Reinbeker der Tatsache bewusst gewesen, dass das Mädchen erst 13 Jahre alt war?

Er muss es irgendwann gewusst haben. Anfang des Sommers schreiben sich beide über Facebook. Sie hat offenbar gerade bei ihrer besten Freundin damit geprahlt, was sie so alles erlebt. Er schreibt: „Aber sag’s sonst keinem, das hat sonst sehr weitreichende Konsequenzen.“ Wenige Minuten später verspricht er gleichwohl: „Bring dich noch auf meinen Level.“ Dazu kommt es nicht mehr. Ein Betreuer auf einem Spielplatz hat die Prahlerei des Mädchens mitbekommen und ihre Mutter informiert. Die ist zur Polizei gegangen.

„Ich habe kurz vorher im Internet recherchiert, und als ich die Gesetze gelesen habe, ist mir schlecht geworden“, sagt Thomas R. im Gerichtssaal. Dann gesteht er auf Nachfrage auch, dass er vor der letzten sexuellen Handlung gewusst habe, dass sie erst 13 gewesen ist. Damit ist das Verbrechen aus juristischer Sicht perfekt, denn das Strafgesetzbuch definiert als sogenannte Schutzschwelle den 14. Geburtstag eines Kindes. Auf schweren sexuellen Missbrauch eines Kindes stehen bis zu 15 Jahre Haft, mindestens aber zwei.

Es sei denn, es liegt ein minderschwerer Fall vor. Und dafür sieht das Gericht in diesem Fall gleich mehrere Anhaltspunkte. Da ist zum einen das umfassende Geständnis, das der Schülerin eine Aussage erspart. Da ist des Weiteren der Umstand, dass die Initiative für Treffen und mehr augenscheinlich nicht nur von dem Mann ausgegangen ist. Und da ist die Tatsache, dass das Mädchen nur zwei Monate von der Schutzschwelle getrennt haben. Außerdem sieht das Gericht keine Wiederholungsgefahr: Thomas R. habe nicht nach einem Schulmädchen gesucht, sondern seine 19-Jährige treffen wollen.

Und das Mädchen, inzwischen 15? Es suche nach wie vor Kontakt zu ihm, sagt der Verurteilte.