Marietta Exner begegnete Willy Brandt, Helmut Schmidt und Gerhard Schröder. Heute feiert sie 80. Geburtstag

Glinde. Ob Gerhard Schröder, Helmut Schmidt oder auch Willy Brandt – Marietta Exner hat sie alle getroffen, die ehemaligen Bundeskanzler aus den Reihen der SPD. Und einer hat es ihr besonders angetan. „Schmidt ist das Nonplusultra. Die Gradlinigkeit und seine Ansichten haben mich beeindruckt, auch wenn es manchmal hart klingt, was er von sich gibt“, sagt die Glinderin. Schmidt sei auch der Grund gewesen, weshalb sie sich in den 70er-Jahren nach reiflicher Überlegung dagegen entschied, aus der SPD aus- und der FDP beizutreten.

Inzwischen ist der Glinder Ortsverein seit mehr als drei Jahrzehnten ihre politische Heimat. Eine Zeit, in der Exner viel bewegt hat. Gleich zweimal als Ortsvorsitzende, dazu im Sozial- und noch immer im Bauausschuss. Am heutigen Mittwoch feiert die zweifache Mutter ihren 80. Geburtstag – die Partei hat ins Bürgerhaus geladen. „Die Vorbereitungen hat man mir aus den Händen gerissen. Ich weiß nicht, wer und wie viele Personen kommen“, sagt die Grande Dame der Glinder Sozialdemokraten. So viel steht fest: Die Jubilarin darf sich auf ein volles Haus freuen, denn sie wird über die Parteigrenzen hinweg geschätzt.

Gewiss wird sich Exner am Ehrentag vor Glückwünschen kaum retten können. Und das kommt nicht von ungefähr. Sie ist eine Frau, die sich nicht verbiegen lässt und anderen Menschen niemals nach dem Mund redet.

„Marietta vertritt ihre eigene Meinung und folgt dabei ihrem Gewissen, auch wenn die Fraktion anderer Auffassung ist. Ihre soziale Einstellung finde ich toll, zudem ist sie verlässlich und verfügt über ein hohes Maß an Autorität“, sagt Glindes Bürgervorsteher Rolf Budde. Er muss es wissen. Schließlich sei man sich zu seiner Zeit als CDU-Fraktionsvorsitzender nicht immer einig gewesen. Budde: „Aber wir konnten uns immer auf ein Gläschen Wein zusammensetzen und unaufgeregt über die Dinge sprechen.“

Der ehrenamtliche Einsatz der gelernten Bürokauffrau beschränkt sich allerdings nicht auf politische Arbeit. 1992 gründete sie den Gesprächskreis 60plus, den sie noch immer leitet. Jeden zweiten Donnerstag im Monat treffen sich zwischen 25 und 35 Senioren bei Kaffee und Kuchen zum Klönschnack. Darüber hinaus ist sie bei der Arbeiterwohlfahrt aktiv. „Wenn auch nur noch als Abwäscherin vom Dienst“, wie sie scherzhaft sagt.

Dass Exner diesen runden Geburtstag feiern kann, grenzt für sie selbst „an ein kleines Wunder“. Im vergangenen Jahr, auf einem Weihnachtsmarkt in Borstel, rutschte sie im Reisebus aus und stürzte die Treppen hinunter. Platzwunden am Kopf und Prellungen sowie ein zwölftägiger Krankenhausaufenthalt waren die Folge. „Da hatte ich mehr Glück als Verstand. Am schlimmsten war, dass ich drei Tage nicht sprechen konnte. Damals wollte ich alles hinschmeißen, habe aber schon während der Genesungsphase gemerkt, dass ich ohne Politik nicht leben kann.“

Übrigens genauso wenig ohne ihr geliebtes rotes Fahrrad. „Das ist Mariettas Markenzeichen. So kennen sie die Glinder. Sie fährt jeden Tag mit dem Rad über den Markt und auch zu Veranstaltungen am Abend“, sagt Parteifreund Wolfgang Pohlmann. Einen Führerschein hat Exner nie besessen.

Sie sei dankbar, wieder auf die Beine gekommen zu sein – und ein eigenständiges Leben zu führen. Was es heißt, auf Hilfe angewiesen zu sein, erfährt Marietta Exner bei Ehemann Karl. Der 75-Jährige lebt seit drei Jahren im Seniorenheim. Zwei- bis dreimal die Woche besucht sie ihn, genauso oft telefonieren die beiden täglich.

Die Rentnerin ist ständig auf Achse. Sie unternimmt viel, um fit zu bleiben, sowohl geistig als auch körperlich. 100 Jahre alt möchte sie werden, das hat sie sich ganz fest vorgenommen. Politisch wird die Sozialdemokratin dann nicht mehr aktiv sein: „2018 ist Schluss. Von da an werde ich das Geschehen von außen betrachten, aber nicht von unten.“

Noch hat Exner aber einiges vor. Sie will gestalten, sich einmischen, vor allem aber auch Sprachrohr der jungen Generation sein. „Glinde ist auf einem guten Weg, aber für Kinder muss mehr getan werden.“ So wünsche sie sich, dass die ehemalige Gaststätte Jever Deel am Oher Weg zu einem Jugendzentrum ausgebaut werde. Das wäre für sie, die sich immer für die Belange der Jugendlichen eingesetzt hat, das größte Präsent.

Zu ihrem Geburtstag möchte Marietta Exner gern auf Geschenke verzichten, das hat sie langjährigen Weggefährten mitgeteilt. Doch so ganz ohne geht es nicht. Derzeit können Glinder Bürger gegen Sponsoring das Recht erwerben, beschmierte Stromkästen nach eigenem Geschmack optisch aufzuhübschen. Auf einem von ihnen prangt jetzt das Graffiti eines roten Fahrrads.