Mehr als 2500 Überführungen in Schleswig-Holstein werden regelmäßig untersucht. Ein Ortstermin

Barsbüttel. Schnellen Schrittes schreitet Dieter Brümmel die schmuddelig-graue Wand ab, ohne seinen Blick einen Moment von ihr abzuwenden. Immer wieder schlägt er mit einem Hammer gegen den Beton, mal hier, mal da, scheinbar ohne System. Seine linke Hand hält eine Eisenstange umklammert, aber die braucht Brümmel gerade nicht. Ach ja: Und in der rechten Tasche seiner orangefarben leuchtenden Allwetterjacke hält er ein Stück blaue Kreide verborgen.

Ortstermin an der Autobahn 1 bei Barsbüttel. Brückenprüfer Brümmel ist bei der Arbeit. Hammer, Eisenstange, Kreide – viel mehr braucht er nicht. Und natürlich seinen Blick und sein Gehör, beides in Jahrzehnten geschult für das Wesentliche. Der 63-Jährige setzt den Hammer wieder an: klack-klack-klack. Klingt flach. „Klingt gut“, murmelt Brümmel, er wirkt zufrieden. Ein resonanzstärkeres Tock-tock-tock hätte ihn hingegen beunruhigen müssen. Es wäre ein ziemlich sicheres Indiz für einen Hohlraum im Beton des Widerlagers der Brücke, der dort ganz und gar nichts zu suchen hat.

2563 Brücken fallen in die Zuständigkeit des Landesbetriebs für Straßenbau und Verkehr. Dieter Brümmel kennt sie eigentlich alle. „Ich mache den Job seit Mitte der 90er-Jahre“, sagt der Bauingenieur, der einer von sechs Bauwerksprüfern landesweit ist. Rund 120 Bauwerke, schätzt er, sehe er sich jährlich an. Mal geht das ganz schnell, bei den sogenannten Zwischenprüfungen. „Gucken, ob die Brücke noch da ist, und einmal anfassen“: So beschreibt Brümmel nicht ohne Augenzwinkern, was dann zu tun ist. In Barsbüttel sieht die Sache etwas anders aus. An diesem Vormittag steht die sogenannte Hauptprüfung an, auch „Brücken-TÜV“ genannt.

Ein heikles Thema in Schleswig-Holstein, nicht erst seit dem Drama um die seit Wochen teilgesperrte Rader Hochbrücke. Zeitungsberichten aus dem Sommer 2012 zufolge existiert eine Aufstellung aus der Feder des schleswig-holsteinischen Verkehrsministers Reinhard Meyer (SPD), aus der hervorgehe, dass landesweit 32 Brücken in so schlechtem Zustand seien, dass Stand- oder Verkehrssicherheit beeinträchtigt und Instandsetzungsmaßnahmen umgehend erforderlich seien. Dieses Papier ist allerdings im Ministerium in Kiel offenbar nicht auffindbar. Auch gebe es aktuell keine Zusammenfassung über den Zustand der Brücken im Land.

Der „Brücken-TÜV“ in Barsbüttel ist vergleichsweise unkritisch. Das 50,79 Meter lange und 20,25 Meter breite Bauwerk, auf dem die Kreisstraße 80 über die Autobahn 1 geführt wird, ist erst im Jahr 2005, kurz vor der Eröffnung des Möbelhauses Höffner, fertiggestellt worden. Prüfer Brümmel rechnet insofern nicht mit großen Schäden. Trotzdem reist er zu solch einer Hauptprüfung mit größerer Entourage an. Bautechniker Stephan Rockstroh, 45, ist mit dabei, außerdem die in Itzehoe stationierten Straßenmeister Jochen Meier, 63, und Volker Tillwick, 47. Beide sind für die Bedienung eines großen, orangefarbenen Lastwagens zuständig, an dessen Flanke geschrieben steht, was er ist: „Underbridge Unit“. „Das ist ein Wagen mit einem ausfahrbaren Arbeitskorb, der besonders viel kann“, erklärt Meier nicht ohne Stolz. 21 Meter hoch und 19 Meter zur Seite könne der Arbeitskorb ausgefahren werden, ohne dass das Fahrzeug dafür auf Stützen aufgebockt werden müsse. Das ist insofern sehr praktisch, als dass der Wagen auf und ab fahren kann, während oben im Korb gearbeitet wird.

Gearbeitet heißt auch hier: gehämmert. Techniker Rockstroh ist in die Höhe gefahren, malträtiert den Beton Quadratmeter für Quadratmeter mit dem Werkzeug, während unten auf der A 1 die Autos vorbeidüsen. Jochen Meier bedient den Hubkorb. Von dort oben kann er sogar den ganzen Lastwagen auf dem gesperrten rechten Fahrstreifen der Autobahn vorwärts und rückwärts steuern. Ingenieur Brümmel kontrolliert unterdessen eine Etage höher den Fahrbahnbelag und die Schutzbeplankung auf der Brücke.

Später wird er in seinem Prüfbericht vermerken, dass es in Barsbüttel keine Auffälligkeiten gegeben habe. Das sei nicht immer so. „Am schlimmsten sind Brücken mit Baujahr bis in die 70er-Jahre.“ Manchmal, sagt er, fände er es sinnvoll, wenn auch kleinere Schäden schnell behoben würden, bevor sie sich zu größeren entwickelten. Im Schnitt 16,50Euro gibt das Land nach eigenen Angaben jährlich für die Instandhaltung jedes Quadratmeters Brücke aus. Dieter Brümmel steckt den Hammer weg. Und sagt: „Ich bin froh, dass ich mit Geld nichts zu tun habe.“