Meine Firma: In unserer Serie stellen wir Unternehmen aus Stormarn vor. Heute: Treppenbau Voß

Reinfeld. Reiner Voß legt ein rechteckiges, dunkelgraues Materialmuster auf seinen Schreibtisch. "Das ist ein Grund, warum wir zu den 100 innovativsten Unternehmen Deutschlands zählen", sagt der 48 Jahre alte Geschäftsführer von Treppenbau Voß. Das etwa zehn Zentimeter hohe und breite Stück mutet an wie Stahl, ist aber bedeutend leichter. Eine Maserung wie Holz hat es auch nicht. "Das ist HPL", sagt Voß. Das Kürzel steht für High Pressure Laminate, ein Verbundstoff aus Papier und Kunstharzen. Die Firma aus Reinfeld war eines der ersten Unternehmen, die HPL für den Treppenbau verwendeten. "Das Material ist besonders hart, kann Stahl ersetzen, lässt sich aber besser verarbeiten", begeistert sich Voß. Verwendet wird HPL für die Wangen, die zu beiden Seiten die Stufen einer Treppe halten.

Auch mit dem Einsatz des neuen Werkstoffs habe er schon darauf hingearbeitet, in die Riege der innovativsten Unternehmen aufzusteigen, gesteht Voß. Der jährlich von compamedia verliehene Preis wird auf Basis einer Analyse der Wirtschaftsuniversität Wien verliehen. "Besonders stolz sind wir auf die Würdigung, weil wir uns als Handwerksbetrieb begreifen", spricht Voß auch für seine gut 60 Mitarbeiter. "Denn solche Firmen machen nur sechs Prozent der Preisträger aus."

Firmenchef Reiner Voß hat ein Faible für neue Maschinen

Aber auch für Elektronik kann sich Voß begeistern. "Das führt dann dazu, dass ich frühzeitig modernste Maschinen kaufe", sprudelt es aus dem 48-Jährigen heraus, der im Lübecker Stadtteil Krummesse aufgewachsen ist und dort auch noch mit seiner Frau und seinen vier Kindern lebt. So habe er erst kürzlich einen neuen Fräser für 4000 Euro gekauft. Ein Gerät für 300 Euro reicht gemeinhin für einen Tischlerbetrieb. Voß: "Trotzdem rechnen sich solche Investitionen." Aufgrund modernster, computergesteuerter Maschinen falle weniger Verschnitt an. "So sparen wir bis zu ein Viertel an Material." Zudem seien die neuen Geräte auch sehr energieeffizient. Dadurch hat Voß eine geringere Stromrechnung.

Zu den Maschinen hat es Voß, der selbst gelernter Tischler ist, nicht weit. Von seinem Büro im ersten Stock des Hauptgebäudes im Industriegebiet an der Grootkoppel muss er nur ins Erdgeschoss gehen. Nach ein paar Schritten öffnet sich hinter einer Tür der Blick in die Halle für den Zuschnitt. Dort arbeitet Benjamin Frank, natürlich mit Ohrschützern aufgrund der kreischenden Sägegeräusche. Der 35-Jährige aus Ahrensbök schneidet die Rohformen der einzelnen Teile für die Treppenkonstruktionen zurecht. Er schätzt die Abwechslung an der Arbeit, denn er muss immer andere Formen zuschneiden. "Und außerdem ist Holz ein sehr schöner Werkstoff", sagt Frank.

Freilich ist auch beim Zuschnitt Handwerkskunst gefordert. So schneidet Frank unter anderem drei bis fünf Millimeter dünne Lamellen aus dem Holz. Sie werden anschließend um einen runden Turm gelegt, um aus ihnen ein gewundenes Geländer zu fertigen. Dabei wird Lamelle auf Lamelle geschichtet und verleimt. "Das ist mit viel Handarbeit verbunden", weiß Voß. " Das beherrschen nicht viele."

Diese Fertigkeiten versetzen die Firma in die Lage, exklusive geschwungene Treppen für sogenannte Architektenhäuser, Villen oder Altbauten herzustellen - eine Kernkompetenz, die den eigenen Aufstieg des Treppenbauers ermöglichte. Rund die Hälfte aller 2500 Treppen, die Voß im vergangenen Jahr fertigte, wurden für solche Gebäude maßgeschneidert. Rund 40 Prozent waren serielle Stücke für Bauherren, die Siedlungen mit Einfamilien- und Doppelhäusern bauen. Der Rest ging an Zimmereien und Tischlereien.

Im Trend liegen geölte Oberflächen, weil sie keine Lösungsmittel enthalten

In der nächsten Halle bearbeitet Harald Daschek die Rohteile. Der 34 Jahre alte Lübecker schneidet Details zurecht, fügt Bohrungen ein und stellt Verbindungsteile her. Wangen, Handläufe, Pfosten und Stufen erhalten dort ihre endgültigen Formen. "Insgesamt ist das Arbeitsklima gut", sagt Daschek. "Und wenn es im Stress mal Streit gibt, ist der schnell behoben."

Anschließend werden in einer übertunnelten Fertigungsstraße die Oberflächen der Holzteile behandelt. "Der Trend geht dabei immer mehr zu geölten Oberflächen", sagt Voß. Anders als Lacke enthielten die Öle keine Lösungsmittel. "Und kleine Schäden durch die Benutzung können später leicht ausgebessert werden."

In einem weiteren Raum der Halle sitzt lärmgeschützt Ronny Kenner vor einem Computerbildschirm. Der32-Jährige ist Konstrukteur, entwirft die Treppen nach den Maßgaben des Auftraggebers. "Bei hochwertigen Treppen erstelle ich mehrere Entwürfe, die dem Kunden präsentiert werden", sagt Kenner, der ursprünglich aus Wismar kommt. Auch er mag die Abwechslung, immer neue, individuelle Produkte zu entwerfen und dabei verschiedene Materialien wie Holz, Stahl, Glas und Verbundstoffe miteinander zu kombinieren. Darüber hinaus schätzt er den "guten Informationsfluss" in der Firma.

Jeden ersten Montag im Monat treffe sich die gesamte Belegschaft, berichtet Jennifer Timmermann, die für das Marketing der Firma zuständig ist. "Dann sagt Reiner Voß, was ansteht und wie die aktuelle Entwicklung, etwa der Auftragslage, ist." Die bessere Kommunikation soll auch die Abläufe beschleunigen. Neben dem Verwenden neuer Werkstoffe und effizienter Techniken war die ständige Optimierung der Arbeitsprozesse ein weiterer Grund, warum Treppenbau Voß unter die 100 innovativsten Unternehmen aufgerückt ist. In den vergangenen Monaten konnte der Firmenchef auf den Versammlungen beispielsweise den Bau einer neuen Halle ankündigen, in der nun Möbel aus Massivholz gefertigt werden sollen. Daneben steht schon ein neues Verwaltungsgebäude bereit, in dem die Stücke Kunden präsentiert werden sollen. "Das soll unser zweites Standbein werden", sagt der Firmenchef. Den Möbelbau aus Massivholz sehe er als Marktnische. "In Deutschland gibt es nur wenige Firmen, die solche Stücke herstellen." Mit Innovationen will Voß nun also auch den Aufstieg über den Treppenbau hinaus meistern. "Langfristig ist es unser Ziel, zu einer Marke mit eigenem Image zu werden."