Nach Wahldebakel: Kandidaten schlagen Mandate aus. Nachrücker wollen auch nicht. Gemeindevertretung schrumpft

Witzhave. Eigentlich haben schleswig-holsteinische Gemeinden mit 1251 bis 2000 Einwohnern 13 Gemeindevertreter. Nicht so Witzhave. Dort sind es nur elf. Denn die beiden Sitze, die der Ortsverband der CDU bei der Kommunalwahl errungen hat, bleiben frei. Der Spitzenkandidat und Ortsvorsitzende Wolfgang Hassler verzichtet. Ebenso Uwe Eckermann, der auf der Liste ursprünglich Drittplatzierte. Er war für Jürgen Sommer aufgerückt, der seine Kandidatur schon zuvor zurückgezogen hatte. Und auch die anderen Listenkandidaten weigerten sich, die Mandate anzunehmen.

Bei der Kommunalwahl im Jahr 2008 hatte der Ortsverband der CDU mit 50,2 Prozent der Stimmen noch sieben Sitze bekommen, in diesem Jahr kam er lediglich auf 17,8 Prozent, also auf zwei Sitze. Das scheint nicht genug zu sein.

"Die CDU hat sich gespalten, das ist das, was bei der Kommunalwahl herausgekommen ist", sagt Wolfgang Hassler, der Ortsvorsitzende. "Altverdiente haben sich entschlossen auszutreten, um weiterhin die Politik im Ort bestimmen zu können." Einige haben sich der im März 2013 gegründeten Wählergemeinschaft Witzhave angeschlossen. So etwa der Bürgermeister Jens Feldhusen. "Ich bin vom CDU-Kreisvorsitzenden Claus Brandt daraufhin aufgefordert worden, die Partei zu verlassen. Damit hat sich die CDU für mich erledigt", sagt er. Hintergrund ist, dass Feldhusen sich in der Wählergemeinschaft engagieren und als Bürgermeisterkandidat antreten wollte, nachdem die CDU ihn nicht wieder hatte aufstellen wollen. Als CDU-Mitglied aber durfte er nicht gegen seine Partei kandidieren.

Es ist wie in Großensee. Wie berichtet, musste auch der dortige Bürgermeister Karsten Lindemann-Eggers die CDU verlassen, weil er bei der Kommunalwahl für die Wählergemeinschaft Bürger für Großensee kandidierte. Anders als Feldhusen ging Lindemann-Eggers aber nicht auf die Aufforderung des Kreisvorsitzenden hin, sondern musste ausgeschlossen werden.

Die Wählergemeinschaft Witzhave kam bei der Kommunalwahl auf sieben Direktmandate. "Die Sitze der CDU ruhen nun bis zur nächsten Kommunalwahl", sagt Feldhusen. "Ich habe meine Meinung dazu, aber die ist privat." Die CDU habe sich so entschieden, das lasse sich nicht mehr ändern. "Davon, andere schlecht zu machen, halte ich nichts."

Andreas Johnsen war einst bürgerliches Mitglied der CDU-Fraktion, bis er die Wählergemeinschaft Witzhave gründete. "Ich war mit den Personalentscheidungen der CDU nicht einverstanden", sagt er. "Dass Jens Feldhusen nicht mehr als Bürgermeister aufgestellt werden sollte, fand ich nicht okay. Außerdem haben Wählergemeinschaften einen entscheidenden Vorteil: Viele Menschen wollen sich für den Ort engagieren, aber keiner Partei beitreten. Das können sie bei uns." Andreas Johnsen ist sich nicht sicher, ob es ein genereller Trend ist, dass sich zunehmend Menschen in Wählergemeinschaften engagieren. "Man kann ja in Lütjensee sehen, dass ein CDU-Ortsverband funktionieren kann." Dort bekam die CDU bei der Kommunalwahl 76,2 Prozent der Stimmen. "Und wie es läuft, wenn es nicht funktioniert, sieht man in Witzhave oder Großensee."

Auch die vier übrigen Plätze in der Gemeindevertretung Witzhave werden von einer Wählergemeinschaft besetzt, der Bürgerschaft Witzhave Freie Wählergemeinschaft (BüWi). Die Verteilung der elf Sitze ist also wie folgt: die Wählergemeinschaft Witzhave hat sieben, die BüWi vier. Jann Tieken vom BüWi-Vorstand sagt: "Wir sehen es mit einem lachenden und einem weinenden Auge, dass die CDU ihre Mandate nicht annehmen will. Einerseits haben wir in den Ausschüssen eine Stimme mehr." Dort hat die stärkste Fraktion nun drei Stimmen, die zweitstärkste zwei. Eigentlich hätten sowohl die BüWi als auch die CDU je eine Stimme. "Andererseits ist es schade für die Demokratie", sagt Tieken. "Die CDU ist doch gewählt worden, dann müssen die Kandidaten eigentlich auch hingehen. Das nicht zu tun finde ich fragwürdig."

Anders als Johnsen sieht Tieken durchaus einen Trend, dass sich Bürger kleinerer Orte stärker als früher in Wählergemeinschaften engagieren: "Bundesparteien ziehen sich mehr und mehr aus der kommunalen Ebene zurück." Er war früher selbst im SPD-Ortsverband aktiv. Der wurde 2010 wegen Mitgliederschwunds aufgelöst, einige Sozialdemokraten gründeten die Bürgerschaft Witzhave.

Wie ist die Stimmung in der CDU tatsächlich? Kein Kommentar, sagt Uwe Eckermann. Und auch Stephan Schlick, stellvertretendem Ortsvorsitzenden und früherem Bürgermeister, ist nichts zu entlocken. Andreas Johnsen sagt, er könne zumindest Uwe Eckermann verstehen. "Er hat in den vergangenen 20 Jahren viel für die Gemeinde getan. Wenn er nun seine Arbeit nicht gewürdigt sieht und traurig ist, dass er so wenig Stimmen bekommen hat, kann ich das verstehen. Aber auf der CDU-Liste standen sieben Namen."