Kommunalwahl: Neue Methode zur Auszählung der Stimmen sorgt für Ärger

Barnitz. Hans-Joachim Schütt ist sauer. Und das, obwohl die Kommunale Wählervereinigung (KWV), deren Spitzenkandidat er als Bürgermeister von Barnitz ist, bei der Kommunalwahl in der 840 Einwohner zählenden Gemeinde rund zwölf Prozent mehr Stimmen errungen hat. Mit 50,02 Prozent verzeichnet die Gruppe sogar die absolute Mehrheit. Doch im Gemeinderat wird sie künftig in der Minderheit sein. Denn nach dem neuen Auszählverfahren bekommt sie nur fünf der insgesamt elf Sitze. Genauso viele wie zuvor. Die Wählergemeinschaft Bürger für Barnitz (BfB) erhält vier, die CDU zwei. "Nicht nur ich, auch viele Einwohner empfinden das als ungerecht", schimpft der 54-Jährige. Schütt: "Die Politiker in Kiel können sich ihre Appelle, zur Wahl zu gehen, sparen, solange das Stimmenverhältnis nicht den Wählerwillen widerspiegelt."

Ursache seines "tiefen Ärgernisses" ist die neue Berechnung der Sitzverteilung. Nach dem Kommunalwahlrecht ist sie erstmals durch ein Verfahren ermittelt worden, das nach dem französischen Mathematiker Jean-André Saint-Laguë und dem deutschen Physiker Hans Schepers benannt worden ist. Es begünstigt kleinere Parteien. Diese wurden von der bisherigen Methode nach dem belgischen Rechtswissenschaftler Victor D'Hondt benachteiligt.

Auch in Rehhorst sorgt die neue Berechnung für Unmut. "Ich bin schon enttäuscht", sagt Birgit Gerritzen, Bürgermeisterin des 700-Seelen-Orts nördlich von Reinfeld. Die Sozialdemokratin hatte zusammen mit ihren Genossen 37,6 Prozent der Stimmen errungen. Für die Wählergemeinschaft AKW und die CDU votierten jeweils etwas weniger als 30 Prozent. Trotzdem erhalten alle Parteien jeweils drei Sitze.

Neben diesen beiden Fällen aus Stormarn hat aus gleichem Grund auch die Sitzverteilung in Lübeck für Verärgerung gesorgt. Dort haben SPD und Grüne zusammen 50,3 Prozent der Stimmen gewonnen, erhalten jedoch gemeinsam nur 24 der 49 Sitze. "Damit wird das Wahlverhalten verfälscht", sagt Bürgermeister Bernd Saxe (SPD).

Ihn stört zudem, dass die größeren Parteien für einen Sitz rund 150 Stimmen benötigen, die Satire-Gruppe Die Partei hingegen nur rund 130. Saxe: "Das Bundesverfassungsgericht hat aber festgestellt, dass jede Stimme das gleiche Gewicht haben muss."

"So etwas ist bedenklich", meint auch der Direktor des Amts Nordstormarn, Sönke Hansen. An ihn hatte sich der Barnitzer Bürgermeister Hans-Joachim Schütt in seiner Empörung gewendet. Die Wahlergebnisse aus Barnitz, Rehhorst und Lübeck präsentierte Hansen jüngst dem geschäftsführenden Vorstandsmitglied des schleswig-holsteinischen Gemeindetags, Jörg Bülow. "Wir haben noch keine abschließende Meinung dazu", sagt Bülow. Es müsse erst geklärt werden, ob das seltene Ausrutscher seien oder nicht. "Sollten es keine Einzelfälle sein, werden wir beim Innenministerium vorsprechen, um eine Anpassung im Wahlrecht zu erreichen." Das will die Stadt Lübeck nach Auskunft von Bürgermeister Saxe schon jetzt machen.

"Bei jedem Verfahren kommt es bei der Sitzverteilung zu Verwerfungen", sagt dazu der Pressesprecher des Innenministeriums in Kiel, Ove Rahlf. "Bei der neuen Methode sind sie aber am geringsten."

Hans-Joachim Schütt würde eine Rückkehr zur alten Berechnungsmethode begrüßen. Danach hätte die KWV auch die absolute Mehrheit der Mandate im Barnitzer Gemeinderat erzielt. "Ich bin in den 15 Jahren, in denen ich Politik mache, nicht auf einen einzigen Bürgermeister gestoßen, der das bisherige Auszählverfahren ändern wollte." Birgit Gerritzen zeigt sich weniger kämpferisch: "Wir werden jetzt nicht Sturm laufen, das verursacht nur Kosten", sagt die 51-Jährige. Allerdings meint sie auch, dass nach der neuen Berechnung der Wählerwille nicht in der Sitzverteilung ankomme. "Dadurch nimmt die Politikverdrossenheit zu."

Weder Gerritzen noch Schütt befürchten allerdings, dass sie ihre Bürgermeisterämter nun verlieren werden. "Sonst würde man ja den Wählerwillen völlig ignorieren", sagt Gerritzen. Und Schütt berichtet, die CDU habe ihm vor der Wahl bereits signalisiert, dass sie mit seiner Arbeit sehr zufrieden sei.