Wegewart Norbert Sager ist im Dienst der Stadt und ihrer Bürger täglich auf Reinbeks Straßen unterwegs

Reinbek. "Du weißt, dass du das so nicht machen kannst", sagt Norbert Sager und stößt mit seinem Fuß gegen eine Gehwegplatte, die ein kleines Stück zu weit nach oben steht und damit zur Stolperfalle für Fußgänger an der Haidkoppel werden könnte. Der junge Mann, den Reinbeks Wegewart da gerade auf eine ihm ganz eigene, lockere, aber doch verbindliche Art zurechtweist, zieht mit einem Stift gelbe Striche um die Platten, die er noch einmal neu verlegen soll. Er arbeitet im Auftrag eines Kabelfernsehbetreibers und hat in der Straße neue Leitungen verlegt. Den Fußweg, den er dafür aufreißen musste, muss er nun auch wieder in einen ordentlichen Zustand versetzen - und bei der Frage, was ordentlich ist, ist Sager streng.

Der 49-Jährige ist gelernter Steinsetzer. "Es ist gut, dass ich das selbst von der Pike auf gelernt habe", erzählt Sager, als er wieder im orangefarbenen Ford Ranger sitzt, der sein Dienstwagen ist. So gut wie täglich fährt er damit durch Reinbeks Straßen, kontrolliert Fahrbahnen und Wege, vermisst Schlaglöcher und achtet unter anderem auch darauf, ob alle Baustellen richtig abgesperrt und abgesichert sind.

Ganz in der Nähe trifft Sager auf so eine Baustelle. Das Wasserwerk musste hier den Fußweg aufreißen, weil ein altes Wasserrohr geplatzt war. In dem kleinen Schnack, mit dem Sager jeden Baustellenbesuch anfängt, erfährt er, dass am Vorabend auch der Gasversorger ausrücken musste. "Da ist wohl Gas in nicht ganz kleiner Menge ausgetreten", erzählt einer der Bauarbeiter. "Die haben uns erst mal alle aus der Grube rausgeschickt."

Aber auch, wenn die Arbeiten am defekten Rohr inzwischen weitergehen konnten, ein paar Tage wird das Loch wohl offen bleiben müssen. Sager greift zum Mobiltelefon - ein charmantes altes Gerät, mit dem man kaum mehr als telefonieren kann - und ruft einen Kollegen aus dem Ordnungsamt an. Gemeinsam beratschlagen sie, wie das Loch am besten gesichert werden kann und wie die Fußgänger um die Gefahrenstelle herumgeführt werden können. "Das hier ist auch Schulweg", erklärt Sager. Da sei immer besondere Vorsicht geboten. Die Männer entscheiden sich für einen Ersatzfußweg. Die Materialen dafür haben die Bauarbeiter dabei.

Mehr gibt es für Norbert Sager im Moment hier nicht zu tun, also geht die Tour weiter ins Industriegebiet, wo gleich zwei Baustellen liegen, von denen die eine dem Wegewart besondere Sorgen macht.

Doch zuvor macht Sager einen Abstecher zum Betriebshof. Mehrere Jahre hat er dort gearbeitet - zuletzt seit 2007 als Wegewart, bevor er mit der Stelle 2010 ins Bauamt im Rathaus wechselte. Kurz den alten Kollegen Moin gesagt, geht es auf den hinteren Teil des Hofes, wo das Material für die Tiefbauer liegt. Sager will einen Eimer Sand mitnehmen. Später wird er an der Borsigstraße noch ein Schlagloch ausbessern. Den Kaltasphalt dafür hat der 49-Jährige immer im Kofferraum. In zwei verschiedenen Körnungen. Je nachdem, wie tief das Loch ist, kommt die eine oder die andere Mischung zum Einsatz. Den Sand braucht Sager, um die Stelle abzustreuen, damit der Asphalt besser aushärten kann.

Eigentlich ist es nicht die Aufgabe eines Wegewartes, selbst zur Schippe zu greifen. "Das machen die meisten anders als ich", sagt Sager. Aber sich allein auf das Aufschreiben von Mängeln zu beschränken, dafür ist Sager nicht der Typ. Er packt an, wenn es etwas anzupacken gilt. "Wenn ich weiß, dass die Kollegen vom Betriebshof viel zu tun haben oder dass es bei einer Firma Wochen dauern würde, bis sie einen Schaden beseitigt, dann mache ich es selbst", sagt er. Im Rathaus schätzt man dieses Engagement. Gerüchten zufolge sollen sogar andere Stadtverwaltungen versucht haben, Sager abzuwerben. Darauf angesprochen, lächelt der sonst so schlagfertige Geesthachter nur verlegen.

Also lieber gedanklich zurück zur Baustelle, die Sager seit Wochen beschäftigt. Beim Rangieren im Industriegebiet hatte ein Lastwagen die Platten auf einem Parkstreifen zur Seite geschoben. Darunter waren Lehmboden und Wasser zum Vorschein gekommen, das nicht abfließen kann. Eine Drainage soll für einen besseren Ablauf sorgen, doch die - das wird ein Anruf am späteren Vormittag ergeben - wird noch weitere Wochen auf sich warten lassen.

Zunächst aber klingelt das Handy wegen einer anderen Angelegenheit: Ein Anwohner an der Lindenallee lässt seine Auffahrt erneuern. Die schweren Fahrzeuge, die Sand und Steine auf das Grundstück bringen, haben den Bürgersteig zum Teil stark beschädigt. Der Bauherr will mit dem Wegewart besprechen, was zu tun ist. Am Tag zuvor hatte Sager den Bauarbeitern einen Rüffel erteilt, weil sie mit dem schweren Gerät über den dafür nicht gedachten Gehweg gefahren waren.

Vor Ort trifft der Wegewart auf einen verständigen Bauherren. Selbstverständlich würden die kaputten Platten am Ende der Arbeiten ersetzt. Es gehe ihm nur darum, ob er einen Teil des Weges mit den gleichen Steinen pflastern könnte wie die private Auffahrt. Wie meistens greift Sager zum Telefon und versucht, die Angelegenheit auf dem kurzen Dienstweg zu klären. Weil er den zuständigen Kollegen nicht erreicht, muss der Bauherr am Nachmittag noch mal ins Amt kommen. Aber selbst das nimmt dieser gelassen hin.

Nicht immer trifft Sager auf so viel Verständnis und nicht immer reicht seine mit breitem norddeutschen Dialekt gepaarte Lockerheit aus, um Probleme zu lösen. "Da hat dieser Job auch etwas Negatives", sagt er. Schließlich sei er derjenige, der anderen zu sagen habe, dass sie etwas falsch gemacht hätten, sagt Sager und schweigt plötzlich.

Doch die negativen Gedanken sind schnell verschwunden, als Sager an der nächsten Baustelle parkt. Hier hatte es vor ein paar Tagen Ärger gegeben - der Wegewart musste den Generalunternehmer einbestellen, um mit ihm zu klären, wer später für die Wiederherstellung der Wege aufkommen müsse. "Wenn ich nicht genau sagen kann, welche Firma verantwortlich ist, dann will es immer keiner gewesen sein. Und am Ende muss der Steuerzahler dafür aufkommen." Dabei zahle der schon genug, findet Sager. Außerdem reiche das Geld der Stadt gerade für das Nötigste. Zusätzliche Ausgaben, wie zum Beispiel für die Straßenschäden nach dem letzten harten Winter, würden an anderer Stelle fehlen. Da könne man es sich nicht erlauben, bekannte Verursacher nicht in die Pflicht zu nehmen.

Bei der letzten Station an diesem Vormittag, gibt es keinen konkreten Schuldigen. Ein Abflussgitter an der Straße Böge ist locker geworden, weil der Asphalt bröckelt. Sager sichert das Gitter mit einer Warnbake. In den kommenden Tagen werden das die Kollegen ausbessern müssen. "Für alles kann ich ja nun auch nicht zuständig sein", sagt der Wegewart und lacht.