Interview mit Jannis Andrae, Landeschef der Partei “Alternative für Deutschland“

Bargteheide. Sie nennt sich "Alternative für Deutschland" (AfD) und tritt mit einem euro-kritischen Kurs zur Bundestagswahl am 22. September an. Was verbirgt sich hinter dieser Partei, die sich erst im Februar bundesweit gegründet hatte und in Umfragen schon jetzt bei drei Prozent liegt. Chef des Schleswig-Holsteinischen Landesverbandes ist der Bargteheider Jannis Andrae. Das Abendblatt sprach mit ihm darüber, um welche Alternative es geht.

Hamburger Abendblatt:

Sie haben bis jetzt noch nie ein politisches Amt bekleidet.

Jannis Andrae:

Das stimmt. Aber wir stehen am Scheideweg. Der nächste Bundestag wird die Entwicklung unseres Landes für Jahrzehnte prägen. Deswegen sind jetzt so viele Leute in die Bresche gesprungen, die sich noch nie politisch engagiert haben.

Aber man wird ja nicht aus Zufall gleich Landessprecher einer Partei.

Andrae:

Es ging in der Tat von mir aus. Ich bin im Gefolge renommierter Volkswirtschaftsprofessoren zur AfD gekommen, die der Ursprung der Bewegung sind. Ich vertraue diesen Leuten. Es lief dann auf Ulrike Trebesius und mich als Sprecher hinaus, weil wir hier die ersten Strukturen aufgebaut haben.

Sie waren vorher CDU-Mitglied.

Andrae:

Ja, aber das einzig Aktive meiner Mitgliedschaft war der Austritt. Offiziell war das Anfang 2012, im Geiste schon 2010, mit Beginn der rechtswidrigen Euro-Rettungspolitik.

In den Versammlungen sitzen allerdings auch Menschen, die Euro-Kritik mit nationalistischer Einstellung gleichsetzen.

Andrae:

Sobald das Wort Alternative fällt, denken manche an Protest, und man zieht Leute an, die man nicht dabei haben möchte. Aber wir grenzen uns klar von extremen Positionen ab.

Und was ist ihre Position?

Andrae:

Die AfD steht für drei Grundprinzipien. Für ökonomische Vernunft, also auch für die Beendigung des Experiments Euro in seiner jetzigen Form. Für mehr Demokratie, also für die Mitbestimmung des Volkes über Lebensfragen der Nation und gegen einen europäischen Superstaat. Und für Rechtsstaatlichkeit. Kein demokratischer Staat kann auf Rechtsbruch aufbauen. Beim Vertrag von Maastricht handelt es sich ja nicht um eine Petitesse, sondern um das Primärrecht, um die Verfassung der Europäischen Union.

Reicht das als Programm aus?

Andrae:

Wir verfügen auf weiteren politischen Feldern über Alleinstellungsmerkmale. So wollen wir ein Europa souveräner Staaten auf Grundlage des Subsidaritätsprinzips. Das heißt: Auf europäischer Ebene soll nur dann entschieden werden, wenn es unbedingt nötig ist. Deswegen wollen wir, dass die Verlagerung von Gesetzgebungskompetenz auf die europäische Ebene über Volksabstimmungen geregelt wird.

Wollen sie die Rechte des Europäischen Parlaments einschränken?

Andrae:

In unserem Programm steht dazu nur die wenig schmeichelhafte Aussage, dass das Europäische Parlament bei der Kontrolle Brüssels versagt hat. Daraus kann man zwei Schlüsse ziehen. Entweder: Das EU-Parlament ist entbehrlich. Oder: Es muss aufgewertet werden, um seiner Aufgabe gerecht werden zu können.

Wenn ich Sie wähle, weiß ich also nicht, wohin es in dieser Frage geht?

Andrae:

Das ist richtig. Unser Wahlprogramm gibt nicht auf jede Frage Antwort. Aber wir haben Prinzipien, für die wir einstehen. Und das ist mehr wert, als ein Wahlprogramm zu haben, aber Prinzipien munter über Bord zu werfen.

Sind sie eine Anti-Europa-Partei?

Andrae:

Nein. Aber Europa ist viel mehr als die EU und unendlich viel mehr als der Euro. Im Übrigen sehen wir die gescheiterte Euro-Rettungspolitik als Gefahr für das respektvolle Zusammenleben der Völker Europas.

Sie bekommen prominenten Zuspruch gerade aus der CDU. Wolfgang Bosbach könnte glatt ein AfD-Mitglied sein.

Andrae:

Es gibt keine ernst zu nehmende politische Kraft, die unsere Positionen seriös vertritt. Auch nicht die CDU. Die Maastrichtverträge werden nicht eingehalten. Und in Deutschland wurde nicht einmal über die Einführung des Euro abgestimmt. Ein CDU-Wahlplakat von 1999 wirft die Frage auf: Muss Deutschland für andere Euro-Länder haften? Darunter steht Nein. Natürlich, denn der Maastricht-Vertrag verbietet das. Für die Demokratie ist es gut, dass die Bürger jetzt die Möglichkeit haben, die anderen Parteien für ihren Wort- und Rechtsbruch abzustrafen.

Und dass es eine Partei gibt, die den Euro abschaffen will?

Andrae:

Uns wäre schon genüge getan, wenn Länder wie Griechenland, die nicht in die Währungsunion hätten aufgenommen werden dürfen, in einem kontrollierten Prozess austreten. Dann könnten wir in einigen Jahren entscheiden, ob wir kleinere Währungsverbünde einführen, zum Beispiel einen Nord- und Süd-Euro. Oder ob wir zu nationalen Währungen zurückkehren.

Also soll doch die D-Mark wieder eingeführt werden?

Andrae:

Die Rückkehr zu den nationalen Währungen ist für uns kein Tabu.

Dazu stehen wir. Wir wollen Ländern wie Griechenland oder Portugal ermöglichen, aus dem Verbund auszuscheiden, weil der Euro für sie eine Zwangsjacke ist. Der Euro ist für diese Länder viel zu stark, so wie er für Deutschland zu schwach ist. Es ist ein fehlgeschlagenes Projekt.

Es abzubrechen, bringt die Lösung?

Andrae:

Hätte man Griechenland 2010 Pleite gehen lassen, hätten viele Gläubiger ihr Geld verloren. Nach dem normalen Prinzip: Haftung für eingegangene Risiken. Aber den Griechen würde es jetzt besser gehen. Sie hätten die Drachme wieder eingeführt und durch die Abwertung ihrer Währung Wettbewerbsfähigkeit gewonnen.

Geht es bei der Bundestagswahl für die AfD um fünf Prozent oder um mehr?

Andrae:

Um mehr. Wir sprechen vielen Menschen aus dem Herzen.

Mit wem würde die AfD koalieren?

Andrae:

Wir wollen, dass die bisherige Euro-Rettungspolitik gestoppt wird.

Also mit der CDU schon mal nicht.

Andrae:

Das weiß man nicht. Es kann sein, dass eine Umkehr erfolgt, wenn sie massiv durch uns an Stimmen verliert.

Könnten sie die neue FDP werden? Die liegt zurzeit nur knapp vor ihnen.

Andrae:

Theoretisch ja. Aber wir definieren uns nur über Inhalte. Niemand von uns strebt Ministerämter an. Das ist völlig unrealistisch.

Und wenn der Einzug in den Bundestag nicht klappt?

Andrae:

Es muss sich was ändern. Wir werden weitermachen.