Aber wie können Besucher schnell in die Stadt kommen? In der Frage der Bahnquerung herrscht weiterhin Uneinigkeit. CDU, WIR und Grüne plädieren zudem für ein umfassendes Verkehrskonzept.

Reinfeld. Wenn Reinfelds Bürgermeister Gerhard Horn an die Fenster seines Büros tritt, schaut er zum einen auf den frisch sanierten, aber (noch) meist spärlich bevölkerten Vorplatz. Und zum anderen auf eine Baustelle an dessen westlicher Flanke. Zwei Häuser werden dort abgerissen, auf deren Rückseite das Gelände steil zum Lauf der Mühlenau abfällt. Anstelle der schmucklosen Gemäuer sollen dort modern gestaltete Bauten entstehen, die dennoch einen gewissen dörflichen Charakter haben. In ihnen werden Dienstleister wie Rechtsanwälte, Ärzte oder Steuerberater ihre Praxen und Büros einrichten - und, so hofft Horn, dazu beitragen, dass der Platz vor dem Rathaus künftig belebter ist. Das ist auch ein zentrales Anliegen aller in der Stadtverordnetenversammlung vertretenen Parteien.

"Viel Kaufkraft wird von Hamburg und insbesondere von Lübeck abgezogen", klagt Horn. Um durch ein attraktives Umfeld Geschäfte anzulocken, sind in den vergangenen Jahren bereits viele Bauvorhaben verwirklicht worden. Beispielsweise ist am Herrenteich eine neue Uferpromenade entstanden. Dort soll auch noch ein Restaurant mit Ganztagesbetrieb aufmachen.

Für mehr Betriebsamkeit in der Innenstadt könnte künftig auch eine unbeschrankte Querung der Gleise nahe des Bahnhofs sorgen. Nach Ansicht von CDU, SPD und Wählerinitiative Reinfeld (WIR) ist sie aber vor allem aufgrund des geplanten Fehmarnbelttunnels notwendig. Ist die Verbindung fertig, fahren viel mehr Züge auf der Strecke. Autofahrer, die von der Bundesstraße 75 nach Reinfeld einbiegen, müssten dann alle paar Minuten vor einer Schranke halten. Christ- und Sozialdemokraten sind für den Bau einer Brücke, die WIR für einen Tunnel, weil er, so Spitzenkandidat Walter Engel, kostengünstiger sei. SPD-Fraktionssprecher Rolf-Jürgen Hanf verweist hingegen auf einen Sachverständigenbericht, nach dem eine Überquerung günstiger ist. Außerdem will seine Partei eine zweite Brücke über die Gleise weiter südlich am Kalkgraben, da eine einzige unbeschrankte Querung ihrer Ansicht dann nicht ausreichen wird.

Die Grünen möchten hingegen, dass weder Brücken noch Tunnel gebaut werden. "Wir wollen die Einwohner vor allem für die gravierenden Konsequenzen der Fehmarnbeltquerung sensibilisieren", sagt ihre Spitzenkandidatin Ines Knoop-Hille. Dann würde nämlich nachts alle sieben Minuten ein Güterzug fahren.

CDU und SPD treten vor allem für einen besseren Lärmschutz ein, als er derzeit von der Deutschen Bahn geplant ist. Die muss in der Nähe des Neuhöfer Teichs an der Trasse keine Wände errichten, weil der Geräuschpegel unter dem Grenzwert liegt. CDU-Spitzenkandidat Wolfgang Raddatz will Spenden mobilisieren, um Lärmschutzwände gegebenenfalls gemeinsam mit der Stadt und der Deutschen Bahn zu finanzieren. "Außerdem wird in der Nähe ein Rückhaltebecken gebaut, dessen Wasserfläche dann den Schall reflektieren wird", sagt der Zimmermeister. "Dann nimmt die Lärmbelastung zu." Deshalb solle die Stadt in Kontakt mit der Bahn bleiben. Auch die SPD will laut Programm bei Bedarf Nachbesserungen von der Bahn fordern. Im Übrigen halten die Sozialdemokraten aber den Lärm, der von der Autobahn 1 ausgeht, für gravierender und fordern, dort die Strecke auszudehnen, auf der eine Geschwindigkeitsbeschränkung von 120 Kilometern pro Stunde gilt.

CDU, WIR und Grüne plädieren zudem für ein umfassendes Verkehrskonzept mit einer Tempo-30-Zone im Stadtkern. Die Grünen und die WIR wollen auch die Radwege ausbauen, die CDU setzt sich für den Ausbau der Landesstraße 71 zur Umgehungsstraße ein, um Schwerlastverkehr vom Zentrum fernzuhalten. Letzteres hält die SPD nach den Worten Hanfs nicht für ein Hauptproblem, weil die B 75 gar nicht durch die Reinfelder Innenstadt führt. Es gebe also kaum Durchgangsverkehr.

Nicht nur die Grünen, auch alle anderen Parteien, die zur Wahl antreten, unterstützen den Plan, dass Reinfeld bis 2020 seinen Strombedarf komplett selbst aus alternativen Trägern wie Wind und Sonne gewinnt. "Die SPD hat seit Jahren einen Arbeitskreis, der sich damit befasst", sagt Hanf. Walter Engel von der WIR hält das Ziel für "anstrebenswert", meint aber, es sei fraglich, ob es erreichbar sei. Ähnlich äußert sich Raddatz: "Das Ziel ist hochgesteckt. Das ist aber richtig, um das Maximum zu erreichen."

Uneinig sind sich die Parteien darüber, ob Reinfeld ein Problem mit Neonazis hat. Erst im vergangenen Jahr besagte eine Studie des schleswig-holsteinischen Beratungsnetzwerks gegen Rechtsextremismus, dass es in der Karpfenstadt eine organisierte Szene vor allem junger Rechtsextremer gebe. CDU-Spitzenkandidat Wolfgang Raddatz meint hingegen, die Stadt habe mit Rechtsradikalismus kein größeres Problem als vergleichbar große andere Städte. SPD-Fraktionschef Rolf-Jürgen Hanf sagt, jetzt gebe es in Reinfeld keine Neonazi-Szene mehr. Walter Engel verweist in diesem Zusammenhang auf die Tätigkeit des "Kriminalpräventiven Rats". Dabei handelt es sich um einen Zusammenschluss von Vereinen, Verbänden und Parteien aus Reinfeld, der in diesem Jahr mit verschiedenen Veranstaltungen die Menschen dazu bringen möchte, sich mit der Nazi-Zeit auseinanderzusetzen. Engel betont, die WIR wolle auch deshalb die Schaffung eines Jugendzentrums "gewaltig vorantreiben." Das wollen auch die CDU und die SPD. Und die Grünen. Deren Spitzenkandidatin Knoop-Hille sagt unverblümt: "Reinfeld hat große Probleme mit Rechtsradikalismus." Es müssten schon in der Schule Angebote geschaffen werden, um schwache, dafür anfällige Jugendliche aufzuklären. Auf solche "aufsuchende Sozialarbeit" will freilich auch die CDU laut Wahlprogramm ein stärkeres Gewicht legen.