Ehepaar zieht wegen gefährlicher Schadstoffe um und klagt gegen die Vermieter

Glinde. Zwei Zufälle ereignen sich am 28. März. Zwei Zufälle, die dazu führen, dass Carina und Michael Seegler ihr Haus in Glinde, das sie erst wenige Monate zuvor bezogen haben, jetzt wieder verlassen. In einem Fernsehbericht über den extrem gesundheitsgefährdenden Baustoff Asbest entdeckt Carina Seegler an diesem Tag Bodenplatten, die genauso aussehen wie diejenigen, die im Obergeschoss ihres gemieteten Hauses verlegt sind. Am selben Tag haben die Seeglers Besuch von einem Handwerker, der über ebenjene Platten Teppich verlegen soll. Der Mann weigert sich - er vermutet Asbestgefahr, weil aus den zerbrochenen Platten Fasern austreten könnten.

Asbest ist in Deutschland seit 1993 verboten. Weil die faserförmigen Silikate sehr fest sind und sich gut für die Dämmung eignen, wurden sie in den vorhergehenden Jahrzehnten vor allem in der Bauindustrie viel verwendet. Doch der Stoff ist auch extrem gefährlich. Werden die Fasern eingeatmet und gelangen in die Lunge, können sie eine Asbestose oder einen Tumor verursachen. Das Perfide: Oft vergehen Jahre bis Jahrzehnte, bis die Krankheit ausbricht und erkannt wird, was die Feststellung einer Ursache teilweise schwierig macht. Untersuchungen zufolge sterben in Deutschland jährlich rund 1300 Menschen an den Spätfolgen von Asbest.

Nach dem Fernsehbericht und dem Besuch des Handwerkers recherchiert Michael Seegler im Internet. "Als mir klar wurde, welche Gefahr da bestehen könnte, habe ich sofort eine Probe der Bodenplatten in ein Labor geschickt", sagt der 37-Jährige. Die Antwort des auf sogenannte Rasterelektronenmikroskopie, mit der Asbest nachgewiesen werden kann, spezialisierten Labors kommt wenige Tage später: Sowohl die Platte als auch der anhaftende Kleber enthalten demnach Chrysotilasbest. "Wir haben uns sehr erschrocken, schließlich leben wir schon seit Monaten in dem Haus", sagt Seegler, der sagt, dass er umgehend die Vermieter informiert habe.

Der Sommelier und seine Frau waren im Dezember in das Einfamilienhaus gezogen. Schon damals habe er bemerkt, dass er plötzlich deutlich mehr von seinem Asthma-Medikament verbrauchte, sagt Seegler. Asthmatiker reagieren auf asbesthaltigen Staub besonders empfindlich. "Die Fliesen im Obergeschoss waren von Anfang an kaputt. Wir haben uns aber nichts dabei gedacht und erst einmal einen Teppich darübergelegt", sagt Carina Seegler, die als Krankenschwester schon einmal einen Asbestose-Patienten betreut hat. "Die Erstickungsanfälle des Mannes waren extrem schlimm mit anzusehen", sagt die 32-Jährige.

Seeglers machen sich auch Sorgen um die Gesundheit ihrer fünf Hunde. "Die Tiere haben immer auf den Bodenplatten geschlafen." Die Vermieter jedoch machten die Hunde nun für die zerbrochenen Platten verantwortlich. "Sie nehmen das Problem nicht ernst", meint Michael Seegler. Sabine und Hans-Joachim Schröder bestreiten das. "Selbstverständlich werden wir sanieren. Wir wollen das Haus schließlich weiterhin guten Gewissens vermieten", sagt Hans Schröder. Er und seine Frau hätten das Haus selbst erst im Oktober gekauft und keine Ahnung von dem asbesthaltigen Boden gehabt.

Die Seeglers jedoch torpedierten nun das Sanierungsangebot. "Sie haben uns Hausverbot erteilt", sagt Schröder, der betont, von den kaputten Platten gehe keine gesundheitliche Gefährdung aus. "Wir selbst haben auch Asbestplatten in unserem Haus. Solange sie nicht geschliffen werden, kann gar nichts passieren." Das habe ein Sachverständiger bestätigt. Eine Raumluftmessung solle als nächster Schritt erfolgen. Seeglers stellten sich aber "quer".

Das Mieterehepaar hat sich für eine andere Lösung entschieden: "Wir ziehen aus", sagt Michael Seegler. Eine Forderung stellen die Seeglers jedoch: Schadenersatz. Das Ehepaar hat den Berliner Anwalt Sven Leistikow eingeschaltet. Die Kanzlei Leistikows und seines Partners hat nach eigenen Angaben rund 120 ähnliche Fälle betreut.

"Häuser in allen Städten, die während des Zweiten Weltkriegs stark bombardiert worden waren, und in deren Umland wurden mit asbesthaltigen Baumaterialien wieder aufgebaut", sagt Leistikow. Er fordere nun von Sabine und Hans-Joachim Schröder, dass sie eine Erklärung unterzeichnen, mit der sie den Seeglers Schadenersatz zusichern für den Fall einer Jahre später auftretenden Erkrankung.

Schröders müssten des Weiteren die Kosten für den Umzug übernehmen. Zudem werde Schadenersatz für Eigentum seiner Mandanten fällig, wie etwa für den Teppich, der über den Platten gelegen habe. Dieser müsse nun weggeworfen werden. Michael Seegler geht noch weiter: "Eigentlich müssen wir unser gesamtes Eigentum, das sich im Obergeschoss befindet, vernichten", sagt der 37-Jährige. Die persönlichen Sachen wegwerfen zu müssen, meint seine Frau, sei "mit am schlimmsten".

Grund für die zerbrochenen Platten ist laut Anwalt Leistikow der in ihnen enthaltene Weichmacher. "Nach einigen Jahren tritt dieser aus, die Platten werden hart und zerbrechen leicht." Dass die Hunde schuld sein könnten, ist in seinen Augen ausgeschlossen. Der Anwalt meint, dass die Platten zudem entgegen der Aussage der Vermieter definitiv geschliffen worden seien. "Unserer Erfahrung nach gibt es kein Haus, in dem die Platten nicht irgendwann zugeschnitten wurden, um passend gemacht zu werden."

Auch wenn sie ihre noch nicht einmal ganz geleerten Kartons nun wieder packen - die Mieter glauben noch nicht an ein Ende der Auseinandersetzung. Carina Seegler: "Wir befürchten, dass nun ein Rechtsstreit beginnt."