Im Reinbeker St. Adolf-Stift erblickten 2012 rund 770 Babys das Licht der Welt. Das Abendblatt hat sich auf der Geburtsstation umgesehen.

Reinbek. Eine weiße Gans, ein Elefant und zwei Fische, die einander küssen, kümmern sich an diesem Morgen um die Patienten der Station 8 b des Reinbeker Krankenhauses St. Adolf-Stift. Das klingt nicht vielversprechend. Die gebastelten Symbole an der Pinnwand sind aber nur Hinweise auf die Krankenschwestern Evelyn (Gans), Catrin (Elefant) und Doris (Fische). Sie haben Frühdienst auf der Mutter-Kind-Station im zweiten Stock.

Neun Zimmer stehen für junge Mütter und ihre Kinder zur Verfügung. "Wir können aus jedem Zimmer ein Familienzimmer machen", sagt Stationsleiterin Evelyn Beckmann, die seit Ende der 80er-Jahre auf der 8 b arbeitet. Vor 35 Jahren hat sie ihre Ausbildung zur Krankenschwester am St. Adolf-Stift begonnen. Damals bewohnten Babys und Mütter noch getrennte Zimmer.

"Timo", "Emilie", "Hanna" steht in Rosa und Blau an den Fenstern des Raumes, in dem früher die Kinder lagen. Inzwischen wird er für Untersuchungen und Einführungen in die Neugeborenenpflege genutzt, dort liegen Babysöckchen bereit, hergestellt von den "Strickomas", einer Gruppe ehrenamtlicher Frauen. In dem Zimmer werden außerdem Kinderwagen untergebracht und sogenannte Babybays, Beistellbetten für Säuglinge. "Wir arbeiten mittlerweile nach dem sogenannten 'Rooming-in', bei dem Mutter und Kind 24 Stunden lang gemeinsam betreut werden", erläutert Beckmann, die das Konzept befürwortet: "Die Arbeit ist schöner, weil Mutter und Kind besser zu einer Einheit zusammenwachsen."

769 Babys wurden 2012 im St. Adolf-Stift geboren, gut zwei am Tag. Die Reinbeker Frauenklinik wird geleitet von Chefarzt Prof. Dr. Jörg Schwarz. Ihm unterstehen drei Oberärzte sowie acht Assistenzärztinnen.

Einer der drei Kreißsäle ist gerade belegt, eine Frau liegt dort unter Obhut der Assistenzärztin Petra Sacher schon seit Stunden in den Wehen. Für Kerstin Wellekötter ist es noch nicht so weit. Sie und ihr Mann Marc sind in der "Wartburg" am Ende des Flurs untergebracht, um dort - wie der Name unschwer erkennen lässt - zu warten. Am Abend zuvor, um kurz vor Mitternacht, ist die Fruchtblase der 32-Jährigen geplatzt. Doch noch lässt sich Romy Zeit. "Beim Frühstück haben wir noch diskutiert, aber eigentlich wissen wir schon seit Jahren, dass unsere Tochter Romy heißen soll", sagt Marc Wellekötter.

Im Kreißsaal gibt es ein Vornamensbuch, in das laut Hebamme Irene Knelsen viele werdende Eltern kurz vor der Geburt hineingucken. "Vereinzelt entscheiden sich Eltern erst eine Woche nach der Geburt, kurz bevor die Frist des Standesamtes abläuft, für einen Namen." Für das Thema Namensfindung hat Kerstin Wellekötter derzeit wenig Nerven. "Ich freue mich wahnsinnig, dass mein Kind bald da sein wird. Aber ich habe auch Angst, weil ich durch meinen Sohn weiß, was mit der Geburt auf mich zukommt." Eine Wahl hat sie jetzt nicht mehr. Hebamme Sandra Wacker hat ihr eine Tablette gegeben, um die Geburt einzuleiten.

Die Schichtdienste teilt sich Wacker mit elf Hebammen. "Unsere Hauptaufgabe ist es, die Gebärenden zu betreuen", sagt sie. Zwei Stunden bleiben die Patientinnen normalerweise nach der Entbindung im Kreißsaal. "Wir unterstützen die Mütter beim ersten Stillen", sagt Wacker, die Geburten gemeinsam mit einem Arzt begleitet. "Ich schätze es, Menschen so zu erleben, wie sie sind. Das ist ein ganz ehrliches Verhältnis, ohne Fassade."

In erster Linie vertraue sie auf die Kommunikation mit den gebärenden Frauen. Ohne Technik geht es trotzdem nicht: 130-mal pro Minute schlägt Romys Herz, das zeigt das CTG an, von Laien Wehenschreiber genannt. Für die Eltern ein gutes Zeichen: "Die Frequenz sollte sich bei 110 bis 150 Schläge in der Minute bewegen. Es ist wichtig, das zu überwachen", sagt Wacker.

Die Freude über ihre Babys bringen viele Eltern in Dankeskarten zum Ausdruck, die an einer Pinnwand im Flur hängen. An den umliegenden Wänden hängen Gipsabdrücke von Bäuchen. Es sind Geschenke von Schwangeren, die die Kunstwerke in einem Kursus in der Elternschule der Klinik angefertigt haben. Vor rund sechs Jahren wurde die Elternschule gegründet. Angeboten werden unter anderem Kurse zur Geburtsvorbereitung und Rückbildung, es gibt aber auch Angebote, bei denen Geschwister und Großeltern lernen, mit den Neugeborenen umzugehen.

Auf demselben Flur können sich werdende Mütter zweimal pro Woche für die Geburt anmelden. Vier bis acht Wochen vor dem Entbindungstermin beantworten eine Hebamme und ein Arzt offene Fragen. Annegret Schacks, 38, erwartet Anfang Mai ein Mädchen. "Ich habe mich bei meiner ersten Entbindung hier sehr wohlgefühlt und möchte deshalb wieder herkommen."

Oberarzt Arno Ludolph hat 1982 in Reinbek angefangen. Das "Fossil der Station", wie er sich selbst bezeichnet, sagt, er liebe seinen Beruf. "Immer heißt es, es gebe zu wenig Kinder. Wir arbeiten an dem Ort, an dem jeden Tag welche zur Welt kommen. Das ist toll", sagt Ludolph. Er hat wie Evelyn Beckmann schon viele Veränderungen miterlebt. "Heute wollen die meisten Frauen nach der Geburt schnell nach Hause", sagt Beckmann. So geht es auch Mike und Peggy Teichmann. Ihr Sohn Erik soll bald seinen großen Bruder kennenlernen. "Johannes wartet zu Hause auf uns", sagt Mike Teichmann.

Zwei bis vier Tage bleiben Patientinnen nach einer natürlichen Geburt nur auf der Station. "Wir Mitarbeiter stehen unter Zugzwang: Es bleibt wenig Zeit, in der wie den Eltern sehr viel vermitteln möchten", sagt Beckmann.

Sie besucht die Wentorferin Susann Klühn in ihrem Zimmer, die Lia Antonia per Kaiserschnitt zur Welt gebracht hat. 29 Prozent der Geburten im St. Adolf-Stift waren 2012 Kaiserschnitte. Die Rate hat sich in den vergangenen Jahren kaum verändert: Im Jahr 2000 lag sie bei 28 Prozent. Die Krankenschwester lobt Susann Klühn dafür, dass das Kuscheltier am Fußende des Säuglingsbettes liegt: "Babys müssen ihre Mitte finden. Deshalb sollten Kuscheltiere mittig im vorderen Blickfeld liegen."

Besonders wichtig sei es, dass die jungen Mütter vor ihrer Entlassung gut mit dem Stillen zurechtkämen. Dafür gibt es in der Klinik ausgebildete Still- und Laktationsberaterinnen wie Susanne Wulf. Sie gibt Sabrina Reyers im Stillzimmer Tipps. Lena Sophie, die Tochter der 25-Jährigen und ihres Mannes Christian, ist wenige Stunden alt. "Wir haben kaum geschlafen. Alles ist noch sehr aufregend", sagt Sabrina Reyers. "Gerade in den ersten drei Tagen nach der Geburt ist es besonders wichtig, dass das Kind regelmäßig trinkt, damit die Milchproduktion angeregt wird", erläutert Wulf.

Marc Wellekötter steht seiner Frau Kerstin währenddessen weiterhin bei. "Für die meisten Väter ist die Geburt ein tolles Erlebnis, das sie tapfer durchstehen", sagt Hebamme Irene Knelsen. Um 15.12 Uhr ist es so weit: Romy ist da. Am frühen Abend wird sie mit ihren Eltern auf die Mutter-Kind-Station gegenüber umziehen. Evelyn Beckmanns Schicht ist dann schon zu Ende. Sie hat ihre Patienten in die Obhut eines Marienkäfers und eines Bären übergeben: Schwester Annika und Schwester Susanne haben Spätdienst.