Schonfrist für MVA Stapelfeld? Interview mit Carsten Stäblein, Vorstandschef des Betreibers E.on Energy from Waste, über die Perspektiven der Branche.

Stapelfeld. Die Eigentümerin der Müllverbrennungsanlage Stapelfeld - die E.on Energy from Waste AG, kurz EEW - ist mit dem schwedischen Finanzinvestor EQT ein Joint Venture eingegangen. Die Schweden halten nun 51 Prozent der Anteile an dem Unternehmen, das bundesweit 18 Müllverbrennungsanlagen betreibt. Das Abendblatt hat das Geschäft zum Anlass genommen, mit dem EEW-Vorstandsvorsitzenden Carsten Stäblein über Perspektiven für die Branche und insbesondere für den von der Schließung bedrohten Standort Stapelfeld zu sprechen. Eine Perspektive könnte offenbar darin bestehen, Müll aus dem Ausland zu importieren, um ihn hierzulande zu verbrennen. Es ist ein brandaktuelles Thema: Gerade hat die Stadtreinigung Hamburg bekannt gegeben, Hausmüll aus England in ihrer eigenen Anlage an der Schnackenburgallee zu verbrennen, um vorübergehende Überkapazitäten sinnvoll zu nutzen (das Abendblatt berichtete).

Hamburger Abendblatt:

Herr Stäblein, was bedeutet das Engagement des schwedischen Finanzinvestors EQT für EEW?

Carsten Stäblein:

EQT verfolgt die Politik, gute Unternehmen zu kaufen und zu sehr guten Unternehmen weiterzuentwickeln. Wir sind ein gutes Unternehmen. Unser Ziel ist, Marktführer in Europa zu werden. EQT ist bereit, die unternehmerischen Risiken zu tragen und sieht Chancen, dieses Geschäft für sich positiv zu gestalten.

Offenbar lässt sich mit Müllverbrennung noch gutes Geld verdienen.

Stäblein:

Ich persönlich halte Müllverbrennung für ein Geschäft mit Zukunft. Allerdings müssen wir differenzieren: Eine Zukunft hat dieses Geschäft in ganz großen Teilen Europas, in denen heute noch ein Großteil des anfallenden Abfalls deponiert wird - und das mit erheblichen Schäden für die Umwelt. Davon zu unterscheiden sind Märkte wie Deutschland, die Niederlande oder auch weite Teile Skandinaviens, in denen Müllverbrennung schon seit Langem etabliert ist. Dort müssen wir heute feststellen, dass die Kapazitäten der vorhandenen Öfen die Menge des auf dem Markt vorhandenen Abfalls übersteigen.

So wie in Stapelfeld. Die Abfallwirtschaft Südholstein, kurz AWSH, und die Hamburger Stadtreinigung haben die Lieferverträge gekündigt, sodass sich die Frage stellt, wo ab 2017 Müll herkommt. Und ob überhaupt noch welcher kommen soll.

Stäblein:

Das ist richtig. Die Müllverbrennungsanlage in Stapelfeld ist dann fast 40 Jahre alt. Da muss man sich zwangsläufig die Frage stellen, ob sie sich weiterhin wirtschaftlich betreiben lässt. Wir sehen durchaus die Möglichkeit - für einen Zeitraum x. Insofern werden wir die Ausschreibungen, die da kommen - auch die AWSH will jetzt ausschreiben - mit Interesse verfolgen.

2017 Ofen aus - das würden Sie also heute so nicht sagen wollen?

Stäblein:

Zum jetzigen Zeitpunkt würde ich das nicht definitiv sagen. Aber natürlich ist das auch eine Option, falls wir es nicht schaffen, unter wirtschaftlichen Bedingungen Müll für diese Anlage zu akquirieren.

In welchem Radius um eine Müllverbrennungsanlage herum lohnt Akquise?

Stäblein:

Das kann ich pauschal nicht beantworten. Es hängt davon ab, wie viel ein Kunde an seiner Anfallstelle zu bezahlen bereit ist, welche Wettbewerber es gibt und wie groß der Nachteil durch gegebenenfalls höhere Transportkosten ist.

Sie sprachen es schon an: In vielen Ländern wird Müll noch deponiert. Könnten Sie den nicht hierzulande verbrennen?

Stäblein:

Auch heute werden in unseren Anlagen, aber auch in denen unserer Wettbewerber nicht unerhebliche Mengen ausländischen Abfalls verbrannt. Hamburg ist ein gutes Beispiel: Der im Ausland akquirierte Abfall könnte per Schiff in den Hamburger Hafen gelangen. Von dort geht es dann direkt in die entsprechende Anlage. Vorab müsste der Abfallimport notifiziert sein. Es gibt also ein sehr formales und vernünftiges Verfahren, das transparent macht, wo der Abfall herkommt und in welchen Anlagen dieser verbrannt wird. Vorübergehend ist das die Möglichkeit, die vorhandenen Kapazitäten hierzulande auszulasten. Ich habe damit auch kein Problem. Denn für die Umwelt ist es besser, wir verbrennen den Müll in unseren hochmodernen Anlagen, als dass er beispielsweise in Polen oder in Großbritannien auf einer Deponie landet.

Müll, der aus dem Ausland importiert wird - ist das auch eine Option für Stapelfeld?

Stäblein:

Das könnte eine sein. Wir wissen allerdings noch nicht, wie sich die Lage im Jahr 2017 darstellt. Bis dahin ist der Standort ja noch vernünftig ausgelastet. Aber ja: Es könnte eine Option sein.

Bis wann müssen spätestens die Weichen für die Zukunft des Standortes Stapelfeld gestellt werden?

Stäblein:

Meiner Einschätzung nach wird das spätestens im Laufe des Jahres 2015 der Fall sein. In jedem Fall werden wir die Anlage weiterhin so betreiben, dass wir sie nicht auf Substanzverzehr fahren.

Können Sie ungefähr einen Zeitraum nennen, wie lange Stapelfeld noch über das Jahr 2016 hinaus betrieben werden könnte?

Stäblein:

Grundsätzlich ist es so, dass Müllverbrennungsanlagen aufgrund des spezifischen Brennstoffes Abfall und dessen chemischer und physikalischer Eigenschaften sehr hohe Instandhaltungskosten verursachen. Große Teile werden immer wieder erneuert. Aber es gibt Baugruppen wie Turbinen, Rauchgasreinigungsanlagen und dergleichen, die irgendwann den Zeitpunkt erreicht haben, zu dem es mit Reparieren und planmäßiger Instandhaltung nicht mehr getan ist. Das ist dann der Zeitpunkt, zu dem sich die Frage stellt: Ergibt es noch Sinn, zehn oder 15 Millionen Euro in eine ältere Anlage zu investieren, um größere Einzelkomponenten zu erneuern?

Ergibt es in Stapelfeld Sinn?

Stäblein:

Auf Basis der heutigen Erkenntnis, dass deutlich mehr Kapazität als Abfall da ist und dieser Umstand auch die Preise drückt, würde ich das als schwierig erachten. Es wäre allerdings möglich.

Für viele Menschen hier in der Region ist die Zukunft des Standortes Stapelfeld vor allem auch deshalb von Bedeutung, weil ihre Häuser am Fernwärmenetz hängen, das von der Müllverbrennungsanlage gespeist wird.

Stäblein:

Natürlich bereiten wir uns auf einen Plan B für den Fall vor, dass die Müllverbrennungsanlage nicht mehr wirtschaftlich betrieben werden kann. Wir sprechen mir den Fernwärmelieferanten in der Gegend - vor allem mit E.on Hanse - über alternative Erzeugungskonzepte. Auch dafür ist es notwendig, innerhalb der nächsten drei Jahre eine Entscheidung zu treffen.

Wie könnten alternative Erzeugungskonzepte aussehen?

Stäblein:

Denkbar wäre eine Nahwärmeversorgung auf Gas-Basis. Inwieweit erneuerbare Energien wie Biogas genutzt werden können, müsste man dann sehen.

Vor etwa zehn Jahren ist die Idee, in Stapelfeld ein Biomassekraftwerk zu errichten, an massiven Protesten aus der Bevölkerung gescheitert. Rückblickend betrachtet eine vertane Chance für die Region?

Stäblein:

Ich erinnere mich daran. Biomasseanlagen sind dann an anderer Stelle gebaut worden, eine zum Beispiel neben der Müllverbrennungsanlage an der Borsigstraße in Hamburg. Aber auch der Biomassemarkt ist heute eher durch Überkapazitäten geprägt.

Sie sagten eingangs, EEW wolle Marktführer in Europa werden. Wo kann das Unternehmen noch wachsen? Im Ausland?

Stäblein:

Das ist sicher der Trend. Wir sind seit Jahren sowohl in Polen als auch in Großbritannien unterwegs, um Aufträge zu gewinnen, Projekte zu planen und sie umzusetzen.