Die Heidekamper Feuerwehr hat zu wenig Mitglieder. Der Bürgermeister und der Wehrführer ziehen einen Pflichtdienst in Erwägung.

Heidekamp. Einwohner des Dorfes Heidekamp hoch im Norden des Kreises Stormarn könnten bald Post von ihrem Bürgermeister bekommen: einen Brief, der sie kraft seines Inhaltes zum Dienst in der Feuerwehr verpflichtete; quasi einen Einberufungsbescheid. Es wäre das Ende der Freiwilligen Feuerwehr - irgendwie konsequent in einem Ort, in dem es augenscheinlich kaum noch Freiwillige gibt. Und in dem deshalb nach Einschätzung der Verantwortlichen der Brandschutz nicht mehr gewährleistet werden kann.

Heidekamp zählt rund 440 Einwohner. 15 von ihnen sind Aktive in der Freiwilligen Feuerwehr. "Aufgrund unterschiedlicher Umstände sind tatsächlich aber nur neun von ihnen einsetzbar", sagt Stephan Thews, der Wehrführer. Neun Männer und Frauen - das reicht gerade noch, um das einzige Löschfahrzeug im Ort zu bedienen. Fehlt auch nur einer, muss der Wagen im Spritzenhaus bleiben. Neun Männer und Frauen - das seien definitiv zu wenige, sagt der Wehrführer. Streng genommen müsse jeder Posten dreifach besetzt werden können. Macht 27.

"Ich habe den Bürgermeister darauf hingewiesen und ihm gesagt, dass er handeln müsse", sagt Stephan Thews. Und Sven Müller, der Bürgermeister, ist offenbar auch bereit, dies zu tun. Ende April, kündigt er an, werde die Gemeindevertretung die personelle Situation in der Feuerwehr noch mal ganz genau unter die Lupe nehmen. Dabei sollen auch mögliche Eintritte Freiwilliger bis zu diesem Termin berücksichtigt werden. Und anschließend könnte folgen, was Müller diplomatisch verpackt: "Ich sage nicht, dass es nicht zur Pflichtwehr kommt."

Beliebt mache er sich damit sicherlich nicht in Heidekamp, sagt der Christdemokrat, der im Mai wiedergewählt werden möchte. Aber in der Gemeindevertretung herrsche Einigkeit über dieses Vorgehe. "Wir wollen das Thema komplett aus dem Wahlkampf raushalten", sagt Müller; fünf Sitze hat seine CDU zurzeit, vier die örtliche Wählergemeinschaft.

Wehrführer Thews berichtet von den bislang erfolglosen Versuchen, doch noch Freiwillige für den Feuerwehrdienst zu begeistern: Mitmachtage, toller Internetauftritt, Twitter, Facebook. "Und trotzdem: Die Resonanz ist gleich null." Sein Stellvertreter Tobias Schacht sagt: "Wir machen schon so viel. Irgendwann ist das Ende erreicht." Mangelndes Interesse am Feuerwehrdienst, meinen beide, sei nicht allein in Heidekamp ein Problem, sondern in vielen schleswig-holsteinischen Dörfern.

Einzig der in Heidekamp ins Auge gefasste mögliche Ausweg ist ganz und gar einzigartig. Die Resonanz außerhalb der Gemeinde ist verhalten. Personalprobleme hätten viele der rund 1400 Wehren in Schleswig-Holstein, sagt Holger Bauer vom Landesfeuerwehrverband. Dennoch: "Eine Pflichtfeuerwehr ist absolut schlecht. Feuerwehr muss man mögen, wollen, leben." Das gehe nicht per Pflicht. Stattdessen plädiert Bauer dafür, bei den Bürgern Einsicht zu erzeugen: "In Burg auf Fehmarn hat der Bürgermeister einen Brandbrief geschrieben und eindringlich geschildert, was passiert, wenn es keine Feuerwehr mehr gibt. Das hat gewirkt." Für Mai plant der Landesfeuerwehrverband einen Kongress, eine "Denkfabrik", wie Holger Bauer es nennt. Die Teilnehmer sollen ohne Tabus Ansätze erfinden und diskutieren, wie der Feuerwehrdienst auch in der heutigen Zeit noch als "Hobby, das Erfüllung und Mehrwert bietet", verkauft werden könne; innerhalb der vergangenen 20 Jahre ist die Zahl der freiwilligen Feuerwehrleute im Land um etwa zehn Prozent auf heute rund 50.000 gesunken.

Auch Kreisbrandmeister Gerd Riemann hält nichts von einer Zwangsverpflichtung. "Wenn der Bürger einen Heranziehungsbescheid bekommt, ist er dadurch ja nicht gewandelt. Er kommt trotzdem nicht aus eigenem Antrieb", sagt er. Rechtlich möglich wäre auch, die Heidekamper Feuerwehr zu schließen und den Brandschutz von den Nachbarn übernehmen zu lassen - im Norden von Zarpen, im Süden von Reinfeld. "Von der gesetzlich vorgegebenen Hilfsfrist würde das passen", sagt Riemann.

Doch davon halten die Verantwortlichen in Heidekamp nichts. "Wir können uns doch nicht darauf verlassen, dass andere kommen, wenn es bei uns brennt", sagt der Wehrführer. "Brandschutz ist unser Verantwortungsbereich. Davon können wir uns nicht freikaufen", sagt der Bürgermeister.

Sollte es zur Zwangsverpflichtung der Bürger kommen, verspricht Sven Müller ein ganz klares und transparentes Verfahren. Infrage kämen alle 18- bis 50-Jährigen, die idealerweise nahe des Ortes arbeiteten, über Wohneigentum in Heidekamp verfügten, womöglich einschlägige Erfahrungen hätten und gesund seien. Menschen wie Hendrik Behrens. Er sagt: "Ich habe zwar eigentlich keine Zeit und melde mich deshalb nicht freiwillig. Aber gegen eine Verpflichtung würde ich nicht vorgehen, sondern sie akzeptieren."