30 Jahre leitete Johannes Spallek das Kreiskulturreferat. Jetzt sollen neue Kräfte ran, so Spallek, der sich nun um Stipendiaten der Kulturstiftung kümmert.

Glinde/Trittau. Augenmaß ist ihm wichtig. Aber auch voller Einsatz. "Ich mache etwas ganz oder gar nicht", sagt Johannes Spallek. Und das lebt er auch. Mit allen Konsequenzen. Lebensbedrohlichen Konsequenzen. Sonst hätte ihn wohl nichts und niemand dazu gebracht, in Teilzeit zu gehen und sich vorzeitig aus der Kulturarbeit zurückzuziehen - so wie er für sie brennt. Aber es ging nicht anders. "Ich war krank. Ich musste kürzertreten. Ein Nahtod-Erlebnis", sagt Spallek ganz ruhig. Sonst wäre der Glinder vermutlich noch immer als Kreiskulturreferent in Stormarn mit vollem Einsatz unterwegs. Nun hat er seinen Aktionsradius eingeschränkt und fügt mit dem Anflug eines Lächelns hinzu: "Mehr als 30 Jahre sind auch genug. Jetzt sollen neue Kräfte ran."

Das klingt versöhnlich, weil er weiß, dass sein Amt erst mit Friederike Daugelat und jetzt mit Tanja Lüthje bestens besetzt wurde. Und weil er sieht, dass all das, was er aufgebaut hat, die Stormarner Kulturlandschaft weiter trägt. "Es sind schöne Strukturen entstanden", sagt der 64-Jährige. "Unser Kreisarchiv ist eines der besten in Schleswig-Holstein."

Das Archiv kommt sofort ins Spiel, wenn Spallek Glanzpunkte seiner Arbeit nennen soll. Verständlich. Denn als er anfing, gab es nur einen Kellerraum. 2,50 mal drei Meter groß, abgeschlossen mit einer dicken Tresortür wie in Kriminalfilmen. "Aber da war nix drin", sagt Spallek und lacht. "Bis auf ein paar Kopien." Jetzt gibt es 700 laufende Meter Regale, voll gepackt mit Dokumenten und rund 300.000 Bildern. Auch die Tageszeitungen werden archiviert.

Wer etwas über Stormarns Historie oder Zeitgeschichte erfahren möchte, ist in der Mommsenstraße 14 in Bad Oldesloe also an der richtigen Adresse. "Ich hatte schon gleich am Anfang im Vorstellungsgespräch gesagt, wir brauchen ein Kreisarchiv. Und möglichst groß müsse es sein." Dieser Wunsch, für den Spallek "lang und anhaltend dicke Bretter gebohrt hat", ist 1997 in Erfüllung gegangen. Die Leitung hat mittlerweile Stefan Watzlawzik. Auch hier ist der Übergang geregelt.

Und woran denkt Mister Kultur nicht gern zurück? In drei Jahrzehnten kann nicht alles glatt laufen. "Das Stormarn-Lexikon", sagt Spallek und macht eine Pause. Das Lexikon? Das ist doch wie das Kreisarchiv ein Meilenstein in der Geschichte seiner Stormarner Kulturarbeit. Spallek spricht weiter. Erinnerungen kommen hoch. Er weiß noch genau, an welchem Tag es geschah. "Es war der 7. November 2003. Ein Freitag. Drei Tage bevor das Buch erschien. Ich bin beim Laubfegen zusammengebrochen. Der Kreislauf hat nicht mehr mitgemacht. Ein Nahtod-Erlebnis."

Jetzt wird bedrückend klar, warum er das Stormarn-Lexikon auf die Frage nach den Schattenseiten nennt. Es ist für ihn das Symbol einer dramatischen Wende. "Ich hatte mich für das Buch völlig überarbeitet. Ich kippte um, fiel unglücklich und klemmte mir einen Nerv im Halswirbel ein. Ich war querschnittgelähmt. Ein Jahr fiel ich aus."

Es ist das erste Mal, dass Spallek so frei darüber spricht. Damals verschwand er plötzlich von der Bildfläche. Nur wenige wussten Bescheid. Und dann war er wieder da. Als wäre nichts geschehen. Dabei hatte es auf Messers Schneide gestanden. "Ich merke es noch heute", sagt er und fasst seine Fingerspitzen an. "Sie kribbeln. Das Taubheitsgefühl ist immer noch da." Andere hätten einen Schlussstrich gezogen. Spallek rappelte sich wieder auf und machte weiter. "Ich mache etwas ganz oder gar nicht", lautet sein Motto. Und es gibt noch einen Leitgedanken: "Ich kann nicht alles stehen und liegen lassen." Immer hübsch der Reihe nach alles abarbeiten, geordnet hinterlassen. So folgt nach der Altersteilzeit jetzt der zweite Schritt. Am Ostermontag, also am 1. April, hat Spallek als Kultureller Geschäftsführer der 1983 gegründeten Sparkassen-Kulturstiftung aufgehört. "Ich habe sie aufgebaut und Ausstellungen in Trittau und im Ahrensburger Marstall verantwortet." Und da er will, dass auch hier die Übergabe funktioniert, gibt er das Ehrenamt nicht gleich komplett ab.

Bis zum Herbst dieses Jahres, wenn die passive Phase der Altersteilzeit endet, kümmert sich Spallek noch um die Stipendiaten der Stiftung, die in der Trittauer Wassermühle leben. 21 sind es schon. Naho Kawabe bereitet gerade ihre Abschlussausstellung vor. Nach der Japanerin kommt die Rumänin Casandra Popescu - ausgewählt unter 24 Bewerbern. Die Stormarner Kulturförderung ist gefragt.

Spallek weiß warum. Er steht vor der Wassermühle und gerät ins Schwärmen. Das historisch-ländliche Ambiente und das Areal begeistern ihn. Früher befand sich neben der Wassermühle noch eine alte Scheune. "Das war mal ein Lager für den Bauhof. Später zog der Bildhauer Marc-Oliver Loerke ein und machte daraus ein provisorisches Atelier." Das Provisorium ist längst einem modernen Gebäude gewichen, das lichtdurchflutete Arbeitsplätze für Künstler bietet. Im Sommer 2006 konnte das Trittauer Atelierhaus eröffnet werden. Ein dritter großer Glanzpunkt in Spalleks Zeit.

"Es ist toll zu sehen, wie sich die Stipendiaten und die drei Künstler des Atelierhauses gegenseitig inspirieren", sagt er. Und während Naho Kawabe ihre Objekte aufbaut, erscheint wie auf Stichwort Yukari Kosakai, die im Atelierhaus arbeitet. Spallek: "Sie helfen sich und tauschen sich aus. Und abends wird japanisch gekocht. Das ist wunderbar."

Im Herbst ist aber endgültig Schluss. Wie geht es dann weiter? Wer kümmert sich dann um die Stipendiaten? "Wir werden auch hierfür neue Strukturen schaffen. Da bin ich sicher."

Für Johannes Spallek kommen entspanntere Zeiten. "Ich werde verreisen, ins Theater gehen und vor allem die Natur genießen ", sagt der langjährige Kulturchef, der in Bosau das Dorfleben entdeckt hat. Er schwärmt nicht nur von Kunst, sondern nun auch von der untergehenden Sonne. Vom Seeadler. Von den Geräuschen der Natur. "Wenn ich auf den See rausfahre und nach fünf Stunden wiederkomme, habe ich das Gefühl, ich wäre fünf Wochen im Urlaub gewesen." Solche Urlaube wird er in Zukunft noch mehr genießen.