Das Anwesen des Ahrensburger Prähistorikers und Archäologen steht zum Verkauf - eine Gelegenheit zu einer Wanderung durch Zeit und Raum.

Ahrensburg. Zwischen Birken glitzert auf einer Grasfläche der Schnee in der Mittagssonne. Dahinter liegt das Landhaus mit dunkelbraunen Fachwerkbalken. Am Giebel prangen zwei hölzerne Pferdeköpfe, wie sie an vielen alten Bauernhäusern Norddeutschlands zu sehen sind. "Sie schauen einander nicht an - ein Zeichen dafür, dass es das Heim von begüterten Bauern ist", sagt Jürgen Plage. Erstmals betritt der Ahrensburger, 71, das Grundstück in der Siedlung am Hagen am Rande des Tunneltals in Ahrensburg. Vor der Gartenpforte beginnt ein Wanderweg durch das Naturschutzgebiet. Im Landhaus lebte und forschte einst der Prähistoriker und Archäologe Alfred Rust. Der Wanderweg vor der Tür trägt seinen Namen. Rusts ehemaliges Anwesen steht derzeit zum Verkauf.

"Rust hat es 1934 selbst gebaut", sagt Plage. "Er war ja als Meister der Elektrotechnik ein Handwerker." Der Rentner beschäftigt sich seit einigen Jahren mit dem Leben des bekannten Ahrensburgers und versucht zu ergründen, welche Rolle der 1900 geborene Rust im Nationalsozialismus spielte. Immer wieder wurde in Ahrensburg darüber diskutiert und gestritten. 2000 ging der Streit sogar so weit, dass überlegt wurde, Rust die Ehrenbürgerschaft abzuerkennen. Schlussendlich blieb es bei der Überlegung.

Plage sagt: "Es gibt keine Belege dafür, dass Alfred Rust die nationalsozialistischen Ideen befördert hat." Plage begann vor vier Jahren, sich intensiv mit dem Leben des Prähistorikers zu beschäftigen, als im Seniorenbeirat über den Ausbau des Alfred-Rust-Wanderweges gesprochen wurde. "Auch damals ging es um seine Rolle während der Nazi-Zeit", sagt Plage. Nun steht er vor der Eingangstür des historisch bedeutsamen Hauses.

In der ehemaligen Rust-Residenz erwarten ihn Ulla und Hauke Ratjens. "Wir haben recht viel umgebaut", sagt Hauke Ratjens. Als sie das Grundstück 1995 von Rusts Tochter gekauft haben, sei es sanierungsbedürftig gewesen, erinnert sich der Hausbesitzer. "Wir haben einen Wintergarten und einen neuen Eingangsbereich angebaut und auch innen viel verändert." Die Arbeiten seien fast teurer als ein Neubau gewesen. Die Toilette habe sich damals noch in einem kleinen Häuschen im Garten befunden. Ulla Ratjens: "Das war eine typische Hütte mit einem Herzchen an der Tür."

Dann zeigt Ulla Ratjens das Zimmer, in dem Rust seine Steinsammlung aufbewahrte. Es ist ein schmaler Durchgangsraum, der zu Rusts ehemaligem Arbeitszimmer führt. Heute ist es Ratjens "Traumzimmer". Dort sitzt sie gern am Schreibtisch und zeichnet. "Und auf dem Schornsteinschacht hier auf dem Dach wohnt Herr Schmitt", sagt sie. Herr Schmitt? "Das ist ein großer Kauz. Gerade sucht er nach einer Frau, abends heult er immer", erklärt Ratjens.

In diesem Raum habe Alfred Rust früher Bücher wie etwa "Jallah, Jallah" geschrieben, erläutert Jürgen Plage und erzählt von Rusts Reise nach Syrien im Jahr 1930, von der das Buch berichtet. "Am 1. September machte er sich mit dem Freund Kuno Schladetzki mit dem Fahrrad auf den Weg." Ihre Reisekasse habe eine Mark enthalten. "Knapp ein Jahr waren sie unterwegs", sagt Plage. In Syrien, damals unter französischer Herrschaft, wurde Rust dann krank - die Ruhr. "Er wurde in ein dänisches Krankenhaus gebracht." Der mittellose Rust habe die Arztrechnung nicht zahlen können. Plage: "Er hatte Glück. Im Krankenhaus standen die Teile für ein neues Röntgengerät herum. Keiner wusste jedoch, wie man es zusammenbaut." Für den gelernten Elektrotechniker Rust ein Kinderspiel. Während er wieder zu Kräften kam, so Plage, habe Rust die Umgebung erkundet. "In der Nähe lag ein Tal, das ihm als idealer Siedlungsplatz für Steinzeitmenschen erschien." Rust entdeckte mehrere Höhlen. Viele dieser Reisegeschichten schildert er später in seinem Buch "Jallah, Jallah".

Der 73-jährige Hauke Ratjens, Wirtschaftsingenieur und früher Chef einer Baufirma, zeigt Plage den alten Bauantrag für das Haus. Das vergilbte Papier trägt einen grünen Stempel von Ahrensburg sowie das Datum 7. Juli 1934. Plage und Ratjens beugen sich über das Dokument. "Obwohl er ansonsten äußerst sparsam gebaut hat, ist das gesamte Haus unterkellert", sagt Ratjens. Und den Keller habe er gut gebaut, so der Hausbesitzer, "denn der ist trocken." Plage erläutert: "Rust war viel auf Reisen, hatte nach der Inflation in den 20er-Jahren sicherlich nicht allzu viel Geld." Der Prähistoriker habe Artefakte an Museen verkauft und eine Hypothek auf das Haus aufgenommen, um den Bau finanzieren zu können. "Außerdem hat er natürlich viel selbst gemacht", erläutert Rust-Forscher Plage. Dann führt Hauke Ratjens ihn in den ersten Stock unter das Dach des Hauses. "Die Treppe war viel dunkler und steiler", erläutert Ratjens. Oben angekommen, berichtet er, dass die Räume einst kaum nutzbar waren, so wie Rust sie konzipiert hatte. Ratjens' Fazit: "Der größte Architekt war er jedenfalls nicht." Rust sei ja auch wie er selbst Elektromeister gewesen, erwidert Plage und lacht.

Schließlich geht es noch in den Keller. Ratjens öffnet eine kleine weiße Tür in einer der Wände. "Die Tochter von Herrn Rust hat sie mir einst stolz gezeigt und den Raum dahinter als ihren Geheimkeller bezeichnet", erinnert sich Ratjens. Was darin aufbewahrt wurde, wisse er allerdings nicht. Rust-Kenner Plage vermutet, dass der Forscher dort einst sein archäologisches Handwerkszeug aufbewahrte, wenn draußen der Schnee lag.