Lütjenseerin steht in Ahrensburg vor Gericht. Sie soll 80.000 Euro aus der Vereinskasse genommen haben

Ahrensburg. Sie hat sich jahrelang deutschlandweit um Unfallgeschädigte und Opfer von Ärztepfusch gekümmert. Für ihr ehrenamtliches Engagement erhielt sie viel Anerkennung. Und auch die Krankenkassen schätzten die Frau aus Lütjensee und förderten ihre Arbeit Jahr für Jahr mit großzügigen Spenden. Nun hat Sabine T. (Name geändert) selbst ein Problem. Die 58-Jährige muss sich in der kommenden Woche vor dem Schöffengericht in Ahrensburg verantworten: Die Staatsanwaltschaft (Az.: 779 Js 47238/10) wirft ihr gewerbsmäßige Untreue vor.

Als Präsidentin dieses Vereins, der die Unfallopfer unterstützte, soll sie laut Anklage unberechtigt Geld vom Konto des Vereins abgehoben und Überweisungen getätigt haben - für ihre eigenen Zwecke. Etwa 170 Fälle im Zeitraum von Januar 2007 bis Dezember 2008 sind Gegenstand des Gerichtsverfahrens. Den entstandenen Schaden beziffert die Staatsanwaltschaft Lübeck auf rund 80.000 Euro. Prozessbeginn ist am kommenden Donnerstag um 9.45 Uhr im Ahrensburger Gerichtsgebäude an der Königstraße. Es sind zwei Verhandlungstage angesetzt. Drei Zeugen werden aussagen.

Nach Informationen der Abendblatt-Regionalausgabe Stormarn bezieht sich die Anklage auf Sabine T.s Arbeit für den Bundesverband der Unfallopfer in Deutschland. Sie ist dessen Präsidentin. Sitz und Hauptquartier des Vereins sind ihr Privathaus in Lütjensee. Ob es den Verband momentan noch gibt, lässt sich zurzeit nicht feststellen. Die Internetseite des Vereins ist nicht zugänglich. Besucher erhalten dort die Information, dass die Homepage zurzeit überarbeitet werde. Wer die bundesweit einheitliche Telefonnummer des Vereins mit der Vorwahl 0180 anruft, hört eine Frauenstimme vom Band: Für die gewählte Nummer existiere zurzeit keine Sprachbox. Sabine T. wollte sich am Freitag auf Anfrage dieser Zeitung nicht zu den Vorwürfen äußern. Sie verwies an ihren Anwalt Patric von Minden. Der Oldesloer sagte: "Meine Mandantin erwartet für sich einen Freispruch." Es werde bei dem Prozess um steuerrechtliche Fragen gehen, so von Minden weiter. "Zum Beispiel darum, inwieweit Vereine gewisse Ausgaben von der Steuer absetzen können, und wann Ausgaben für den Verein getätigt werden und wann nicht. Es ist sehr kompliziert." Mit Rücksicht auf das laufende Verfahren wollte der Anwalt vor Prozessbeginn nicht mehr über den Fall sagen.

Hans-Werner Harmuth, der Geschäftsführer der Deutschen Angestellten-Krankenkasse (DAK) in Stormarn, ist entsetzt. "Wenn die Vorwürfe stimmen, ist das ein starkes Stück", sagt er. Die DAK habe den Verein in den Jahren 2007 und 2008 mit mehreren Tausend Euro unterstützt. "Wir haben das Geld in dem guten Glauben überwiesen, dass der Verband in Not geratenen Unfallopfern hilft", sagt Harmuth. Dann aber meldeten sich Polizeibeamte bei Harmuth. Er erfuhr erstmals von Ermittlungen gegen die Lütjenseerin. Zwei Jahre ist das nun ungefähr her, schätzt er. Hans-Werner Harmuth: "Die Polizei hatte mich damals angerufen und gefragt, ob wir dem Verein Geld gestiftet haben." Er bejahte - und hörte fortan nichts mehr in dieser Angelegenheit. Dass nun tatsächlich Anklage gegen die Frau aus Lütjensee erhoben worden ist, darüber war Harmuth bislang noch nicht informiert worden.

Er habe die Präsidentin zweimal bei Scheckübergaben getroffen. "Die Frau hat einen positiven Eindruck auf mich gemacht", sagt der DAK-Geschäftsführer. "Wenn sich die Vorwürfe bestätigen sollten, wäre ich persönlich sehr enttäuscht von ihr."

Sabine T. bezeichnete sich häufig als Mutmacherin nach Ereignissen, die Menschen aus der Bahn werfen. "Wir unterstützen Unfallopfer bei ihrer Suche nach Ärzten, Rechtsanwälten, Reha-Einrichtungen und Gutachtern und stehen ihnen beratend zur Seite", sagte sie vor einigen Jahren gegenüber dieser Zeitung. "Wir klären sie über ihre Rechte auf und über Möglichkeiten, sich durchzusetzen."