Ein Investor möchte im Quartier Alte Wache ein Pflegeheim mit betreutem Wohnen bauen. Doch Politiker sind von dem Konzept enttäuscht.

Glinde. Fünf Jahre lang hat die Stadt Glinde nach einem Investor für den Bau eines Pflegeheims mit betreutem Wohnen auf dem ehemaligen Depotgelände gesucht. Möglicherweise hat das Warten nun ein Ende: 18 Millionen Euro will die Hamburger Unternehmensgruppe KerVita in Kooperation mit der Baufirma Senectus in Glinde in den Bau eines neuen Pflegeheims und in seniorentaugliche Eigentumswohnungen mit altersgerechten Sozialdienstleistungen investieren. Doch das Konzept missfällt einigen Stadtverordneten.

Auf dem Grundstück 40a im Bebauungsplan Alte Wache soll ein U-förmiges, dreistöckiges Pflegeheim mit "etwa 100 bis 120 Plätzen" entstehen, wie Torsten Rieckmann von der KerVita Projektentwicklungsgruppe sagt. Neben einem normalen Pflegebereich für Senioren ab der Pflegestufe I soll hier auch ein offener Demenzbereich entstehen. "Offen bedeutet für uns: Sobald ein Patient das Gebäude verlässt, ertönt ein Türsignal. Dann muss das Pflegepersonal nachsehen", sagt Rieckmann. Direkt neben dem Pflegeheim ist eine ambulante Pflegedienststelle geplant. Dieser ambulante Dienst stehe dann auch allen anderen Bürgern Glindes bei Bedarf zur Verfügung.

Der südliche Teil des Grundstücks ist für das Haus Glinn vorgesehen: ein L-förmiger, ebenfalls dreistöckiger Gebäudekomplex mit 35 Eigentumswohnungen. Bauherr ist die eigenständige Baufirma Senectus, die sich auf altersgerechtes Wohnen spezialisiert hat. Das Stichwort hier lautet nicht betreutes Wohnen, sondern Service-Wohnen. "Für uns bedeutet der Begriff Service-Wohnen, dass wir Wohnraum für Senioren schaffen und Dienstleistungen anbieten, die den Alltag erleichtern", sagt Katharina Nowak von Senectus. So soll sich eine Hausdame in acht Stunden pro Woche um die Bedürfnisse der Hausbewohner zu kümmern.

Doch das Bauvorhaben wurde nach der Projektpräsentation in der gemeinsamen Sitzung des Bau- und des Sozialausschusses am Donnerstagabend heftig kritisiert: "So war das nicht vorgesehen", sagt Heiko Reimer (SPD). Im Städtebauvertrag seien im Neubaugebiet Alte Wache nur 750 Wohneinheiten vorgesehen. Für ihn seien die 35 Wohneinheiten des Service-Wohnen schlicht einfache Eigentumswohnungen. Und der SPD-Fraktionsvorsitzende Frank Lauterbach bemängelte, dass der Investor einfach "Eigentumswohnungen verkaufen" wolle. Sein Fazit: "Was Sie uns präsentiert haben, brauchen wir nicht."

Ein weiterer Kritikpunkt: Im ursprünglichen Bebauungsplan waren zwei Grundstücke für ein solches Projekt vorgesehen. Das Grundstück, auf dem nun das KerVita-Seniorenzentrum und das Glinn-Haus von Senectus geplant sind, sollte für ein Pflegeheim bereitgehalten werden. Das angrenzende Stabsgebäude-Gelände sollte für betreutes Wohnen genutzt werden.

Torsten Rieckmann hält dagegen: "Allein das von uns veranschlagte Grundstück ist 9000 Quadratmeter groß. Hier nur ein Pflegezentrum zu bauen würde sich für uns nicht rechnen."

Allerdings reicht das Grundstück, wie im Bebauungsplan eingezeichnet, nicht aus: Um das Vorhaben zu realisieren, müsste die Grundstücksgrenze verschoben werden. Momentan wachsen direkt auf der Grenze drei Bäume. Diese müssten gefällt und der Grenzverlauf müsste begradigt werden. "Ohne diese Grenzerweiterung wäre der von uns favorisiere U-förmige Bau des Pflegeheims mit dem zentralen Demenzgarten nicht möglich", sagt Rieckmann.

Auch zum Thema Pflegeheim gab es zahlreiche Nachfragen. "Mich würde die Kostenstruktur interessieren", sagte Peter Michael Geierhaas. Eine konkrete Antwort über den Preis für die monatliche Zuzahlung nach Abzug der Pflegestufe I bekam der Stadtverordnete am Donnerstag nicht. "Wir können keinen konkreten Preis nennen, da der Pflegesatz variiert", so Rieckmann. Allerdings werde man trotz überdurchschnittlicher Qualität der Ausstattung und einem hohen Personalschlüssel im Mittelfeld liegen.

Erst auf Nachfrage des Abendblatts nannte der KerVita-Geschäftsführer eine Zahl. Allerdings nur als eine nicht bindende Orientierungshilfe: "In unserem Pflegezentrum in Henstedt-Ulzburg zahlen Sie 1537 Euro nach Abzug der Pflegestufe I." Hier steht das jüngste Pflegezentrum von KerVita. Ebenfalls ausgestattet mit 120 Pflegeplätzen. Der Grund für die "günstige Preisgestaltung" liegt laut Rieckmann "in der Kombination von Bauherr und Träger".

Verwundert war auch Susanne Böhnert-Tank (Grüne): "Ich bin überrascht, in ihrer Präsentation ein Foto von einem Zwei-Bett-Zimmer gesehen zu haben", sagte die Vorsitzende des Sozialausschusses. Dies sei nicht mehr zeitgemäß. "In unseren Einrichtungen haben wir 90 Prozent Einzelzimmer", sagt Rieckmann. Die restlichen zehn Prozent würden erfahrungsgemäß von Paaren gezielt nachgefragt.

Damit sich die Kommunalpolitiker beider Ausschüsse ein besseres Bild von der Situation vor Ort machen können, soll innerhalb der nächsten Tage ein Besuch in Henstedt-Ulzburg organisiert werden. Danach wird das Bauprojekt von KerVita Thema in den einzelnen Ausschüssen beraten.