Bauernpräsident Werner Schwarz aus Rethwisch schaltet seine Webcam im Schweinestall scharf: “Wir haben nichts zu verstecken“.

Rethwisch. Werner Schwarz klappt sein Notebook auf, gibt ein paar Buchstaben ein, eine Internetadresse. Und schon ist er drin. Mittendrin in seinem eigenen Schweinestall, der ein paar Hundert Meter vom Anwesen der Familie entfernt an der schmalen Straße nach Rethwischdorf liegt. Schwarz kann sehen, ob es seinen Sauen gut geht, ob deren Ferkel wohlauf sind. Eine Kamera, an der Decke installiert, macht's möglich. Alle 20 Sekunden überträgt sie ein neues, aktuelles Bild ins Internet. Für Schwarz, den Präsidenten des schleswig-holsteinischen Bauernverbands, ist das mehr als eine nette Spielerei. Denn keiner weiß besser als er, was hinter den roten Backsteinmauern des Wirtschaftsgebäudes abgeht. Aber der Landwirt aus Frauenholz möchte, dass es alle wissen. Werner Schwarz lädt die ganze Welt ein in seinen Schweinestall.

Ferkel-TV im besten Wortsinn: Nach Erkenntnissen des Verbands ist das bis dato deutschlandweit einmalig. Noch, denn Schwarz sagt: "Ich wünsche mir, dass viele Kollegen diesem Beispiel folgen." In einer Zeit, da Tierhaltung, Tierschutz und Tierwohl stärker denn je in der Diskussion sind, hält er das für besonders wichtig. "Weil ich glaube, dass wir nichts zu verstecken haben." Es gelte, stärker als bisher Transparenz herzustellen. Nur so könne die Landwirtschaft Verständnis von den Verbrauchern erwarten.

Denn für die wird es immer schwerer, wenn nicht gar unmöglich, Einblicke in einen Stall zu bekommen. Einfach mal betreten ist grundsätzlich verboten, der Zutritt an strengste Auflagen geknüpft. Wer rein will, muss zuvor duschen und sich umziehen. Das hat schon etwas von Hochsicherheitstrakt und ist dabei doch nur behördlichen Auflagen geschuldet. "Drinnen machen wir nichts Verbotenes", sagt Schwarz, der rund 500 Zuchtsauen hält und damit zu den größeren unter den 1200 Schweinehaltern im Land gehört.

Sabine Roth aus Warder hat Ferkel-TV in Szene gesetzt. Die Agraringenieurin verdingt sich in der Branche als Filmemacherin. Und weil die Webcam nur auf die sogenannte Abferkelanlage fokussiert, hat sie noch eine Dokumentation von drei Minuten und 40 Sekunden Länge gedreht und ins Netz gestellt. "Damit der Besucher sehen kann, was auch im hintersten Winkel des Stalls geschieht", sagt sie. Des Weiteren gibt es noch sechs 20-sekündige Sequenzen, die einzelne Themen aus dem Film aufgreifen und noch einmal erklären.

Herausgekommen ist das kleine Einmaleins der Schweinezucht. Und das beginnt ganz am Anfang: "Regelmäßig bekommen die Decksauen Besuch vom Eber", erklärt eine Frauenstimme aus dem Off, während ein offenbar männliches Schwein gemächlich in den Stall trottet. Der Betrachter sieht wenige Augenblicke später, wie Werner Schwarz' Mitarbeiter Reinhard Redweik eine nunmehr trächtige Sau duscht. "Und sauber geduscht geht's zum Abferkelplatz."

Diese Szene ist für Werner Schwarz von entscheidender Bedeutung. "Man kann sehen, dass die Sauen freiwillig in die Abferkelkörbe gehen." Vier Wochen müssen sie darin ausharren, die engen Stahlkonstruktionen schützen die Neugeborenen davor, aus Versehen vom Muttertier erdrückt zu werden. So unbequem, wie es aussieht, kann es darin aber nicht sein. "Die Tiere würden freiwillig nichts machen, das ihnen zuvor einmal nicht gut bekommen wäre", sagt der Bauernpräsident.

Dennoch vermittelt er keine Bilderbuch-Bauernhofidylle. Auch für Außenstehende brutal wirkende Eingriffe wie etwa das Stechen von Marken in die Ohren der zur Zucht auserwählten Jungsauen wird gezeigt. Apropos brutal: Kann es bei einer 24-Stunden-Liveübertragung aus dem Stall nicht theoretisch auch mal vorkommen, dass ein Betrachter zu Hause am Computerbildschirm ein totes Ferkel sieht. "Schwarz: Ja. Auch das ist Natur."

Transparenz, wie er sie auf seinem Hof geschaffen hat, kostet allerdings. Klaus Dahmke, der für die Öffentlichkeitsarbeit zuständige Mitarbeiter des Bauernverbands, spricht von etwa 8000 Euro, die in das Multimedia-Paket geflossen seien. Es ist eine Investition, die der Verband getätigt hat. Auch Dahmke ermutigt andere Landwirte, dem Vorbild des schleswig-holsteinischen Bauernpräsidenten zu folgen. Gleichwohl fürchtet er, dass diese Summe Kollegen abschrecken könnte.

Jochen Wendt, Vorsitzender des Kreisbauernverbands Stormarn und zugleich auf Landesebene Vorsitzender des Öffentlichkeitsausschusses, hat das Webcam-Projekt im Stall seines Präsidenten mit angestoßen. Gleichwohl wirbt er bei Kollegen, die die hohen Investitionen scheuen, darum, auf anderem Weg Transparenz zu schaffen. "Sie könnten größere Fenster einbauen.

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