Pastoren ziehen mit der Weihnachtsgeschichte durch die Straßen, um Menschen auf die Kirche aufmerksam zu machen.

Reinbek. Auch ohne den leuchtenden Wegweiser am Himmel sind Maria, Josef und Esel Lotte zielstrebig unterwegs im Reinbeker Ortsteil Schönningstedt. Vom Bismarck-Seniorenstift geht es zum Hofcafé Kaffeezauber, zur Feuerwehr und weiter zur St. Ansgar-Kapelle auf der Suche nach Obdach, nach einem warmen Platz für die Nacht. Wer jetzt an die Weihnachtsgeschichte denkt, liegt richtig. Doch was hat Maria und Josef so fern der Heimat ausgerechnet nach Reinbek verschlagen? Klar, der römische Kaiser Augustus hatte eine Volkszählung angeordnet. Doch Reinbek liegt doch jenseits der römischen Herrschaftsgrenzen?

"Wir haben Bethlehem nach Schönningstedt verlegt", sagt Pastorin Claudia Süssenbach, die die Aktion mit ihrem Kollegen Benedikt Kleinhempel und Lothar Obst, kaufmännischer Direktor des Krankenhauses St. Adolf-Stift, organisiert hat. Wie einst Maria und Josef se auch die heutige Kirche auf einem Weg ins Ungewisse. "Mit dieser Aktion wollen wir die Mauern unserer Kirchengebäude verlassen und hinausgehen zu den Menschen, um sie dort zu erreichen", erläutert Süssenbach.

Derweil werden Maria und Josef vor dem warmen, gemütlichen Café Kaffeezauber abgewiesen - kein Platz frei. Kurzerhand wird ein Lied angestimmt mit der Unterstützung einiger Mitglieder des kirchlichen Posaunenchors. "Macht hoch die Tür..." Rund 70 Menschen begleiten das biblische Paar, das von Myriam und Andreas Fey aus dem lauenburgischen Berkenthin gespielt wird. Während die etwa zehn Jahre alte Lotte schon des Öfteren solche Auftritte mitgemacht hat, ist es für die Feys eine Premiere. "Wir haben das gemacht, weil die Anfrage von einem Bekannten kam", sagt Andreas Fey.

Den Kontakt stellte Heinrich Hauer aus Reinbek-Ohe her. "Die Pastoren suchten jemanden, der einen Esel hat", sagt Hauer. "Da habe ich mich gemeldet und gesagt, ich kenne sogar jemanden, der mehr als zehn hat." Andreas Fey hat jedoch nicht nur 25 Esel, von denen einer sogar bei dem Film "Die Päpstin" mitgespielt hat. Fey hat auch Kamele. Eines davon kommt vor der Kirche zum Einsatz, als mit einer Andacht das kleine Schauspiel zu Ende geht.

"Mir ist wichtig, etwas anschaulich zu machen - nicht nur mit Worten", sagt Mitorganisator Pastor Benedikt Kleinhempel. Mit der Aktion solle ein Bild entstehen bei den Menschen. "Gerade die Kinder staunen. So soll es sein. Abends gehen sie mit diesem Bild im Kopf ins Bett, und morgens wachen sie damit wieder auf", sagt der Pastor.

Auch für das kommende Jahr hat er schon ein Bild im Kopf. "Dann sollen die Hirten und Schafe im Mittelpunkt stehen", sagt Kleinhempel, "ich habe schon gescherzt, wir sind die Stormarner Antwort auf Oberammergau." In dem bayerischen Ort gibt es jedes Jahr die bekannten Passionsspiele. Mit dem Experiment ist Süssenbach offenbar zufrieden. "Ich bin positiv überrascht, wie groß das Interesse trotz des mäßigen Wetters ist", sagt die Pastorin, die in Reinbek das Projekt "Erwachsen glauben" leitet und damit neue Wege ausprobieren soll.

Und wie kommt das bei den jungen Menschen an? "Ich finde das eine gute Aktion", sagt Henning Eichhorst. Der 13-Jährige wird im nächsten Jahr konfirmiert und folgt deshalb dem Zug durch Schönningstedt. Und sein 14 Jahre alter Freund Malte Steinert sagt: "Man sieht ja auch nicht jeden Tag einen Esel."