Oststeinbeks Bürgermeisterin reagiert mit Unverständnis auf das im Ort initiierte Abwahlverfahren. Das Abendblatt hat mit ihr gesprochen.

Oststeinbek. In der Gemeinde Oststeinbek wird der Graben zwischen der Bürgermeisterin und der Gemeindevertretung immer größer. Im Abendblatt-Interview schildert Martina Denecke, 42, ihre Sichtweise zu gestiegenen Krankmeldungen im Rathaus, korrekten Verwaltungsvorgängen und zur Arbeitsweise von Kommunalpolitikern.

Hamburger Abendblatt:

Oststeinbeker Bürger haben begonnen, ein Abwahlverfahren gegen Sie in Gang zu setzen. Innerhalb weniger Stunden ist bereits mehr als ein Drittel der erforderlichen Unterschriften zusammengekommen. Gibt es eine weit verbreitete Stimmung gegen die Bürgermeisterin im Ort?

Martina Denecke:

Aus den Telefonaten und Mails, die mich erreichen, lässt sich diese Annahme nicht bestätigen. Es wird vielmehr Unverständnis und klare Ablehnung gegen das aktuelle Vorgehen zum Ausdruck gebracht. Nichtsdestotrotz entnahm ich Ihrer Zeitung, dass derartige Bestrebungen von drei Herren des Ortes initiiert wurden.

Werden Sie zu Weihnachten noch Bürgermeisterin von Oststeinbek sein?

Denecke:

Das entscheiden letztlich die Oststeinbeker. Ich kann dazu nur äußern, dass ich ein Abwahlverfahren sehr bedauern würde, da ich mich stets mit ganzem Herzen für die Oststeinbeker Belange eingesetzt habe. Das mag bei dem einen oder anderen anders verstanden worden sein, da ich durchaus bestehende Strukturen hinterfragt habe, um neuen Dingen Raum einzuräumen. Partielle Veränderung hin zu einer Gemeinde, die auch zukünftigen Herausforderungen gewachsen ist, ist jedoch ein Prozess, der nicht schon nach wenigen Monaten beurteilbar ist, auch nicht nach den bisherigen eineinhalb Jahren. Mein Ziel ist daher weiterhin, gemeinsam zu wachsen, herauszufinden, was geht, was geht nicht oder was geht noch nicht. Dass dieser Weg bisweilen ein wenig holperig und nicht immer gerade ausfällt, liegt in der Sache als solches begründet. Diese vielleicht im Kleinen bereits gesäte Entwicklung jetzt zu unterbrechen, täte mir sehr leid. Ich werde aber ebenso akzeptieren, wenn sich die Oststeinbeker für eine Beendigung entscheiden sollten, und werde das Wahlverfahren von Seiten der Verwaltung gemäß den Vorgaben korrekt begleiten.

In der Sondersitzung am 20. November war die Verärgerung der Gemeindevertreter und der anwesenden Bürger über die politische Lage deutlich zu spüren. Können Sie das verstehen?

Denecke:

Es wurden keine konkreten Punkte am Dienstagabend benannt.

In der Bürgerfragestunde wurden unter anderem verschiedene Artikel in "Oststeinbek Aktuell" zitiert, die alle mit "Die Verwaltung" unterschrieben sind. Es gab mehrere Nachfragen. Ein Name wurde nicht genannt. Wer ist der Verfasser?

Denecke:

Von einem Bürger ist die Frage gestellt worden, was denn mir genau zur Last gelegt wird. Diese Frage wurde nicht beantwortet.

Trotzdem wurde von mehreren Bürgern die Frage nach dem Urheber gestellt. Wer ist denn nun der Autor?

Denecke:

Die Verwaltung hat die Befugnis, Meinungen der Bürger abzufragen und in diesem Sinne auszuwerten. Entsprechendes haben wir auch in unserem Blatt vorgenommen.

Aber Sie sind nicht der Verfasser?

Denecke:

Es geht nicht darum, wer der Verfasser dieses Artikels ist, sondern der Herausgeber. Das ist die Verwaltung, und die Verwaltungsleitung bin ich. Somit bin ich am Ende für alle veröffentlichten Artikel meiner Verwaltung verantwortlich.

Derzeit gibt es viele Krankheitsfälle in der Verwaltung. Sehen Sie einen Zusammenhang mit der politischen Situation?

Denecke:

Wenn Sie sich mal anschauen, wie die Politik mit meinen Mitarbeitern agiert, dann können Sie sich ein Bild davon machen. Krankheiten bestehen meist aus vielen Faktoren. So nicht gerade eine chronische Grunderkrankung wie in zweien der Fälle vorliegt, trägt in bestimmtem Maße sicher auch die Politik ihre Anteile dazu bei.

Sie machen die Politik mitverantwortlich?

Denecke:

Die Politik hat natürlich auch einen Anteil an dem, was hier passiert. Die Verwaltung ist das ausführende Organ, das heißt, wir verfassen Vorlagen. Wenn diese für die Gemeindevertreter nicht gut genug sind, dann werden sie noch einmal überarbeitet. Dies produziert ja auch ein ungeheures Maß an Arbeitsaufwand für die Mitarbeiter. Hinzu kommen weitere Aufgaben wie zum Beispiel ein Ehrenamtskoordinator, der von der Verwaltung gestellt werden soll. Und alles mit dem bestehenden Mitarbeiterstamm. Es wird meinen Mitarbeitern immer mehr abgefordert. Auf immer weniger kommt immer mehr Arbeit zu.

Krank durch Überlastung?

Denecke:

Unter anderem. Es sind ja nicht nur die Oststeinbeker Politiker, auch der Kreis hat uns viele neue Aufgaben übertragen. Sei es das Geldwäschegesetz, was wir umsetzen müssten, wobei aus allen Kommunen die Rückmeldung kommt, dass sie das nicht können. Weil sie nicht genügend qualifizierte Mitarbeiter haben. Dann gibt es vermehrt Anfragen auf Kinderbetreuung, weil der Anspruch auf einen solchen Betreuungsplatz besteht. Wenn ich früher maximal 30 Prozent Kinder in unseren Kindereinrichtungen hatte, habe ich jetzt 99 Prozent im Kindergarten, 60 Prozent im Hort und etwa 40 Prozent bei den Krippenkindern. Das sind ja Kindermassen, die von meinen Mitarbeitern aufgefangen werden müssen. Ich habe nicht mehr Mitarbeiter dafür bekommen.

Wäre in solch einer Situation ein gutes Verhältnis mit der Gemeindevertretung nicht hilfreich?

Denecke:

Ich möchte einen guten Umgang mit meiner Gemeindevertretung. Ich habe schon mehrfach thematisiert, dass wir Dinge vorher besprechen, weil wir in den meisten Sitzungen keine Zeit haben. Die Gemeindevertreter haben selber beschlossen, dass in den Ausschüssen um 22 Uhr Feierabend ist. Doch es ist öfter vorgekommen, dass wir um 23.30 Uhr noch nicht einmal mit der Hälfte der Tagesordnungspunkte durch waren. Hier werden die Ausschüsse dazu benutzt, Sachverhalte, die vorher zu klären wären, erst einmal zu besprechen. Das kann aber nicht Sinn der Sache sein. Schließlich kann ich nicht auf alle Fragen, die mir hier gestellt werden, die richtige Antwort parat zu haben. Dies muss im Vorfeld geklärt werden. Dinge, die in allen Kommunen im Vorfeld stattfinden, passieren hier nicht, obwohl sie 13 Stunden am Tag Zeit hätten, mich zu erreichen. Sie nutzen diesen Weg scheinbar nicht, um Fragen im Vorfeld zu klären.

Wäre es momentan nicht angebrachter, von sich aus aktiv zu werden?

Denecke:

Das habe ich auch schon gemacht. Ich bin auch überall da, wo Action ist. Zum Beispiel beim Marktfest, wo ich den ganzen Tag ins Gespräch gehe. Wenn man mich einlädt, bin ich da! Ich spreche mit allen! Es kann höchstens sein, dass die Zeit nicht sofort einplanbar ist, dann komme ich später oder gerne zu einem anderen Termin.

Warum steht in einem der Artikel im "Oststeinbek aktuell" so eine drastische Formulierung wie "shitstorm"?

Denecke:

Das ist keine drastische Formulierung. Das ist ein neudeutsches Wort, dessen Bedeutung Sie bei Wikipedia abrufen können. Wenn Sie sich dann die politischen Berichte in unserem "Grünen Blatt" durchlesen, dann werden Sie sicherlich die Bedeutung dieses Wortes mit dem, was dort abgedruckt ist, nachvollziehen können.

Können Sie für die eben angesprochenen Artikel konkrete Beispiele nennen, zum Beispiel eine Passage zitieren?

Denecke:

Das ist nicht eine Passage, sondern es ergibt sich aus dem Gesamtkontext. Ich finde es falsch, so miteinander umzugehen. Das schafft keine Basis für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit. Aus permanenter einseitiger Aktion erfolgt dann irgendwann Gegenreaktion, von der ich mich leider nicht ganz freisprechen kann. Dies ist jedoch in keinster Weise mein Bestreben. Ich möchte vielmehr einen Schlussstrich unter das Gerangel setzen, um endlich wieder zur Sachebene zurückkehren zu können.

Nun steht die Idee eines Vermittlungsgesprächs mit einem Schlichter im Raum.

Denecke:

Diese Idee wurde so noch nicht an mich herangetragen. Ich erfuhr bisher nur über die Zeitung, dass dies jemand vorgeschlagen haben soll. Aber auf mich ist keiner zugekommen und hätte gesagt, dass dies ein gangbarer Weg wäre.

Warum versuchen Sie dann nicht aktiv von Ihrer Seite aus, eine Mediation herbeiführen?

Denecke:

Ich habe bereits in Rücksprache mit einem Anwalt versucht, einen Mediator zu finden, der für beide Seiten gleichermaßen in Frage käme. Da bin ich gerade auf der Suche.

In Zusammenhang mit der Sondersitzung haben Sie einen Anwalt eingeschaltet. Warum?

Denecke:

Nun, nach dem ersten Eindruck, der sich auch später bestätigt hat, ist man dabei fehlerhaft vorgegangen. Mitarbeiter von mir wie Frau Braune hier (Protokollantin der Gemeinde Oststeinbek bei dem Interview; Anmerkung der Redaktion) wurden in diese Angelegenheit mit hineingezogen. Was in der Sondersitzung richtig gesagt wurde, ist, dass der stellvertretende Bürgervorsteher durchaus einen Ausschuss installieren kann, aber wenn es darum geht, dass eine Tagesordnung aufgestellt werden muss oder die Aushänge veröffentlicht werden, in der Presse eingeladen wird, dann ist das etwas, was von der Verwaltung ausgeführt wird. So wie es auch vom stellvertretenden Bürgervorsteher in Auftrag gegeben wurde. Er hat aber keinen direkten Zugriff auf meine Mitarbeiter.

Inwiefern Zugriff auf Ihre Mitarbeiter?

Denecke:

Dass meine Mitarbeiter diese Arbeiten für ihn ausführen. Das kann er ihnen nicht anweisen.

Wie würden Sie die Lage beschreiben? Als normal?

Denecke:

Ich habe nie gesagt, dass die Situation normal ist. Ich habe stattdessen in der Sondersitzung gefordert, dass die Situation normal wird, dass die Gemeindevertreter in den Ausschuss gehen und die Fragen im Vorfeld geklärt haben und dass die Ausschüsse nicht dazu benutzt werden, sich zu zerfleischen.

Noch eine letzte Frage: Haben Sie in den letzten Tagen an Rücktritt gedacht?

Denecke:

Nein. Ich bin angetreten, um diese Zeit hier in vollem Umfang auszufüllen. Ich werde auch weiterhin mein Bestes geben, egal, wie hier agiert oder nicht agiert wird. Ich hoffe aber, dass sich die Politik mit mir in eine gemeinsame Richtung bewegt, denn es war mir von Anfang an sehr daran gelegen, auf der Sachebene das Beste für Oststeinbek zu erreichen. Dass nun Dinge, die vielleicht über Jahre von der Bildfläche verschwunden waren, wie zum Beispiel die Statik des Rathauses, aufgegriffen werden, ist sicherlich nicht schön für die Politik. Mein Ziel ist weiterhin, Themen, die für Oststeinbek wichtig sind, gemeinsam mit der Politik und mit den Bürgern zusammen umzusetzen.