Die Hobbyschauspieler proben in der Scheune, nähen Kostüme und zimmern Kulissen. Seit 33 Jahren hat die Gruppe Spaß und Erfolg.

Hoisdorf. Wo bitte, geht's zur Probebühne? Man sieht nichts. Es ist stockdunkel auf der Dorfstraße. In Hoisdorf sind die Bürgersteine hochgeklappt. Und Scheinwerferlicht ist schon gar nicht zu entdecken. Es war von einer Außentreppe die Rede. Die da hinten im Hof? Also die Metallstufen hoch. Es ist kalt. Es regnet. Es ist ungemütlich. Mit einem Ruck öffnet sich oben die Tür. Als wenn sie es geahnt hätte, steht Heike Meyer da und lächelt den dunklen, kalten Herbstabend weg. "Sie haben es geschafft", sagt die Regisseurin vom Theater Hoisdorf, "hier sind Sie richtig."

Es geht rechts um die Ecke. Ein Gas-Heizstrahler pustet, was das Zeug hält. Lieber nicht dagegenkommen. Also zwischen einer Stellwand und dem Mauerwerk vorsichtig hindurchgeschlängelt. Nun links um die Ecke und schon mitten hinein in die Kulisse: ein Küchentisch, ein Kühlschrank, eine Spüle. Bei dem neuen Stück "Drei Kerle und ein halber" geht es um eine Männer-WG, die keine Frauen duldet.

Die Theaterfamilie ist versammelt. Überall Kisten und Kästen. Ein Sofa aus Omas Zeiten. Ein alter Wohnzimmertisch. In der Ecke ein Spiegel. Lager, Bühne, Garderobe, Aufenthaltsraum - alles geht ineinander über. Was ist das hier überhaupt? Heike Meyer: "Das ist Theater auf der Tenne."

Die Wände sind hoch. Richtige Fenster gibt es nicht. Dafür schlichte Glühbirnen - statt Bühnenlicht. "Der reinste Luxus", erwidert die Regisseurin auf den verwunderten Blick und zeigt mit ausgebreiteten Armen lachend auf das Domizil der Theatertruppe. "Das war ein offener Strohboden. Den hat man extra für uns vor drei Jahren zugemacht. Und statt Lehm haben wir Holzdielen bekommen."

Wenn das Luxus ist, wie war das denn früher? Das Theater Hoisdorf existiert schließlich seit 33 Jahren. "Wir haben in einer Tenne geprobt, die tatsächlich offen war. Es war lausig kalt", sagt Bühnenleiter Tim Kröger. "Wir haben in Skiklamotten geprobt", wirft jemand ein. Munter wird jetzt in Erinnerungen geschwelgt, von Handschuhen und der Wirkung des Glühweins geschwärmt und davon, dass Besuch kam: Fledermäuse, Wespen und Mäuse.

Und dann? "Dann kam ein Schweinestall. Und bis die Kulisse fertig war, sind wir immer in die Dorfkneipe gegangen, zu Maluche. Damit muss man rechnen, wenn man Theater auf den Dorf macht", sagt Heike Meyer und sieht alles andere als unglücklich aus.

Damit muss man rechnen. Aber warum tun sich die Schauspieler das schon Jahrzehnte an? "Weil ich Spaß am Spiel habe. Weil ich Spaß habe, Kostüme zu nähen. Und weil die Gruppe so klasse ist", sagt Dorle Krause, die kaufmännische Angestellte war, jetzt 65 ist und schon seit 26 Jahren beim Theater Hoisdorf mitmacht. "Weil Texte lernen Gehirn-Jogging ist", sagt die 62 Jahre alte Requisiteurin Christel Jark. "Weil ich total verschiedene Charaktere spielen kann. Als Halbtoter habe ich angefangen. Jetzt darf ich abnehmen", sagt EDV-Fachmann Andreas Lüthje. Und alle lachen. "Immerhin 125 Gramm", fügt der 53-Jährige hinzu, der den komischen Olli in der Männer-WG spielt.

"Ich mache mit, weil meine ganze Familie dabei ist", sagt die 53 Jahre alte Kinderkrankenschwester Gaby Niemann, "ich bin Co-Regisseurin. Mein Mann Detlef macht das Licht. Mein Schwiegersohn Dennis den Ton. Und meine Tochter spielt auch."

Die heißt Anika Käßler-Niemann und ist 25 Jahre alt. "Die Leute hier sind der Hammer. Und in andere Rollen zu schlüpfen, ist eine Super-Herausforderung. Auf diese habe ich mich schon total gefreut", sagt die Sport- und Gymnastiklehrerin, die als Alexandra versucht, in besagter Männer-WG ein Zimmer zu bekommen. Da nur Herren zugelassen sind, klebt sie sich einen Bart an und mimt als Alex einen halben Kerl.

Einen ganzen Kerl gibt der Bühnenleiter ab, als WG-Macho Mickey. "Ich bin dabei, weil mich meine Frau hergeschleppt hat", sagt der 48-Jährige. Wieder Gelächter. "Nein ehrlich", sagt Tim Kröger, "der Applaus ist der Lohn des Schauspielers, aber das gute Feedback der Kollegen ist das Schönste."

Der Heizstrahler gibt weiter Vollgas. Die Probe läuft. Die WG-Männer üben sich darin, eine durchzechte Nacht zu verkraften und die Anwürfe der Vermieterin zu ignorieren. Die Damen ziehen sich um. Eine Tür an der Seite gibt den Blick in einen prallgefüllten Fundus frei. In zwei Reihen hängen die Kostüme übereinander. Die meisten selbst genäht. Die Kulissen werden natürlich auch selbst gebaut und für die Vorstellungen nach Großhansdorf transportiert. Oft sind es vier Touren an einem Wochenende.

Heike Meyer hat sich ein Abendkleid geschnappt. Neben ihr wuselt Anika Käßler-Niemann herum. Das Umziehen auf engstem Raum wird zum Balance-Akt, so wie das Theaterspielen auf dem Dorf. "Dafür ist es superspannend, neue Stücke zu erarbeiten", sagt die Regisseurin, die auch Musicals wie "Sister Act" oder "Tanz der Vampire" in eigenen Versionen auf die Bühne gebracht hat. Spielen, Texte schreiben, singen, tanzen, nähen, Kulissen zimmern, "das ist es, was uns nicht loslässt und immer wieder hertreibt", sagt Heike Meyer, "und das neue Stück ist auch keine billige Tür-auf-Tür-zu-Komödie. Es lebt vom Wortwitz." So wie das Theater Hoisdorf von der Leidenschaft.