Im Tangstedter Ortsteil Wiemerskamp ist das Internet lahm und der Handy-Empfang schlecht. Wie Ole Feldmann leiden viele andere Bewohner.

Tangstedt. Paul McCartney fängt an zu singen. "Hey Ju...", dann bricht die Stimme abrupt ab, sein Gesicht erstarrt. Auf dem Computerbildschirm rotiert ein Kreis aus grauen und schwarzen Punkten. Nach einer gefühlten Ewigkeit verschwindet er und gibt den Beatle frei: "...de. Don't make it bad. Take a sad Song and ma..."

Ole Feldmann hasst den rotierenden Kreis. Und den knallgrünen Ladebalken seines Internetbrowsers auch. Er begegnet den Symbolen jeden Tag, wenn er sich ein Video im Internet anschauen möchte. Zu langsam ist seine Verbindung; steinzeitliche 46 Kilobit pro Sekunde seien es nur, sagt der 18-Jährige aus dem Tangstedter Ortsteil Wiemerskamp. Weniger Kilometer weiter in Bargteheide kann das Zweitausendfache erreicht werden. Statt lässig durch das Internet zu surfen, fühlt sich der Schüler wie auf einem Segelboot bei Windstille.

"Ich überlege mir zweimal, wo ich draufklicke", sagt Ole. Meist ruft er eine Seite auf und macht erst einmal etwas anderes. An Filme sei gar nicht zu denken. "Auch Online-Computerspiele kaufen mein Bruder und ich gar nicht mehr." Bitter für den begeisterten Fußballspieler, denn gegen seine Freunde kann er nicht "Fifa" spielen. Meist hakt sein Computer noch, wenn die Gegner schon über ihr Tor jubeln.

Ein paar Kilometer weiter in Tangstedt bekommen Oles Freunde bald ein Glasfaserkabel bis vor die Haustür gelegt. Doch im Ortsteil Wiemerskamp sind die Kabel so alt, dass es zu mehr nicht reicht.

240 Häuser, drei Bauernhöfe, eine Gärtnerei, weder Bank noch Supermarkt - das ist Wiemerskamp. Im Grunde gefällt es dem 18-Jährigen in seinem Dorf. "Aber die Internetverbindung nervt mich hier gewaltig", sagt er. Beim Versuch zu skypen ärgert sich der Gymnasiast am meisten. Das vergangene Schuljahr verbrachte Ole Feldmann in den USA. In Springfield (Missouri) fand er viele Freunde - und seine Freundin. Viele andere Paare sprechen per Internettelefonie täglich von Angesicht zu Angesicht miteinander. Bei Ole Feldmann endet der Versuch in gegenseitigem Geschrei. Statt eines Gesichts sieht Ole nur ein verpixeltes Etwas.

Der 18-Jährige nimmt es mit Humor. Ihm sei bewusst, dass sich vor Jahren wohl niemand über derartige Zustände beschwert hätte. Gestresste Manager würden wahrscheinlich sogar liebend gern mit ihm tauschen. "Aber wenn man sich erst einmal daran gewöhnt hat, kommt es einem komisch vor, auf die Möglichkeiten des Internets verzichten zu müssen", sagt er.

Tangstedts Bürgermeister Hans-Detlef Taube kann die Leiden nachvollziehen. "Das ist schon eine Katastrophe hier mit dem Internet", sagt er. Seit Jahren versuche er, die Versorgung mit Breitband zu verbessern. "Wiemerskamp ist einfach zu abgelegen", sagt Taube, "kein Anbieter hat Interesse, dort Kabel zu verlegen." Pro Kilometer würde das 50 000 Euro kosten - zu viel, um die Gewinnzone zu erreichen.

Doch ist die langsame Verbindung zum Internet nicht das Einzige, was das digitale Leben in Wiemerskamp erschwert. Kurznachrichten empfängt Oles Handy meist nur, wenn er aus dem Dorf hinausfährt. In seinem Haus hat er so gut wie keinen Empfang. "5000 SMS habe ich in den USA pro Monat geschrieben und war so immer mit meinen Freunden in Kontakt. Wenn mich hier jemand nach meiner Handynummer fragt, sage ich gleich dazu, dass ich die Nachrichten erst kriege, wenn es zu spät ist. Meine Freunde wissen das, ich schreibe ganz selten mit ihnen." Früher habe seine Familie einen Erdhügel im Garten gehabt, auf dem habe er dann oft gestanden und das Handy in die Höhe gehalten. "Dann hat es manchmal geklappt", sagt Ole. Mittlerweile stellt er sich auf den Gartentisch, damit sein Handy wenigsten einen der Striche für die Qualität des Empfangs anzeigt.

Für Jugendliche wie Ole Feldmann sind die Einschränkungen im Ort am größten. Der 18-Jährige hat zwar den Führerschein, aber kein eigenes Auto. Mehr als eine Stunde braucht Ole mit dem Bus bis zur Schule nach Harksheide. Mit dem Fahrrad wäre er schneller. Allerdings sind es 15 Kilometer durch den Wald. Seine Mutter Martina sagt: "Das wussten wir natürlich, bevor wir hier hingezogen sind. Aber in Tangstedt passiert ja auch viel. Manchmal denke ich: Wissen die überhaupt, dass es uns hier gibt?"

Derlei Vorwürfe hört Bürgermeister Taube öfter. Mittlerweile gebe es aber eine neue Möglichkeit, Wiemerskamp zu verbinden. In umliegenden Gemeinden stehen LTE-Sender. Durch den UMTS-Nachfolger ist es möglich, auch mit dem Handy vernünftige Internetgeschwindigkeiten zu erreichen. Der nächste Sendemast steht jedoch in sechs Kilometern Entfernung. "Das sollte trotzdem reichen", sagt Bürgermeister Taube.

Ole Feldmann würde es freuen. "Immerhin funktioniert das Radio", sagt er verschmitzt. Da laufen die Beatles ja auch manchmal - ganz ohne stotternden McCartney.