Bank-Geheimnisse: Das Abendblatt lädt Stormarner zum Gespräch auf ihrer Lieblingsbank. Heute: Fotografin Gerda Michels

Barsbüttel. Gerda Michels hat Barsbüttel zum Fotomotiv gemacht. Die Bilder der Fotografin wurden mehrfach ausgestellt und in Büchern und Artikeln über den Ort veröffentlicht. Weil die bald 84-Jährige einen Umzug plant, suchen ihre Bilder jetzt einen neuen Platz. Einige der schönsten Motive hat sie nun der Bürgerstiftung Barsbüttel geschenkt, deren Mitstifterin sie ist. "Die Bilder werden im November in der Sparkasse Holstein ausgestellt und danach versteigert", sagt Detlef Bösch, Vorstand der Bürgerstiftung. Als Auktionator wird Stormarns Landrat Klaus Plöger agieren.

Ihre Leidenschaft für die Fotografie konnte die Barsbüttelerin erst spät ausleben. Zuvor half sie viele Jahre ihrem Mann, der mit seiner Firma in Barsbüttel Berliner Pfannkuchen produzierte - in Spitzenzeiten mehr als 20 Millionen Stück im Jahr. In der Hochsaison von Oktober bis März beschäftigte die Barsbütteler Großbäckerei West 50 Mitarbeiter aus zehn Nationen. Der Betrieb mit dem Hauptwerk in Frankfurt und den Filialen in Köln, Berlin und Barsbüttel war damals einer der weltweit größten Hersteller von Hefeteilchen. Als die gebürtige Westfälin 1948 in Lippspringe ihren Gesellenbrief als Fotografin mit der Note 2 machte, ahnte sie davon noch nichts.

Das begabte Mädchen vom Dorf, eines von acht Geschwistern, hatte es geschafft und das ganze Dorf kam zum Abschied an den Bahnhof, als sie anschließend in einem Fotoatelier in der Kreisstadt Euskirchen anfangen konnte. Als dessen Inhaber nach nur einem Jahr verstarb und das Atelier schließen musste, wollte sie nicht zurück nach Hause. "Dazu war ich zu stolz" , sagt sie. Statt dessen zog sie sie zu ihrer Tante nach Düsseldorf, fand Arbeit in einer Schuhfabrik und traf Erwin Michels.

"Er war ein Macher", sagt sie über ihren verstorbenen Mann, der damals Verkaufsleiter einer Hefefabrik war. Nach der Heirat 1954 zogen sie nach Hameln, wo sie Sohn Klaus und Tochter Claudia bekam und als Stadtführerin arbeitete. Sie liebte die Stadt und ihren Beruf. "Ich war jeden Tag mit anderen Menschen zusammen." Doch 1973 bekam ihr Mann das Angebot, in Barsbüttel eine Großbäckerei aufzubauen, die Betriebe in Norddeutschland, Berlin und Nordrhein-Westfalen beliefern sollte. Drei Tage überlegten sie, dann war der Umzug beschlossene Sache. Erst wohnte die Familie im Fabrikgebäude. Später spielten die Kinder nach der Schule in den Backstraßen, von denen jede pro Stunde 5000 gezuckerte oder glasierte Berliner lieferte. Jeden Abend verschenkten die Michels übrig gebliebenes Backwerk und versorgten damit die Menschen im Ort.

22 Jahre lang arbeitete Gerda Michels in der Firma mit, auch an Weihnachten und am Silvestertag, der ihr Geburtstag ist. Wurde ihr Mann krank, dann war sie es, die den Laden zusammen hielt. Ein einziges Mal war ein Urlaub drin: "Eine Woche auf Mallorca." Es blieb Gerda Michels einzige Auslandsreise. Heute sagt sie: "Es war ein reiches, aber auch ein hartes Leben."

1995 verkauften sie die Firma. Zwei der ehemaligen Backstraßen aus Barsbüttel stehen heute in Israel. Gerda Michels hatte nun Zeit, fing wieder mit dem Fotografieren an. "Eigentlich liege ich immer auf der Lauer", sagt sie über ihre Motivjagd.

Wenn sie sich einmal etwas in den Kopf gesetzt hat, ist sie geduldig bis zur Hartnäckigkeit. Für das Bild von den Entenküken auf dem Teich hinter der Katholischen Kirche musste sie zum Beispiel lange warten, bis Sonne und Entenfamilie sich endlich optimal präsentierten. Als alles stimmte, sie nur noch einen Schritt näher heran wollte, war es geschehen: Sie rutschte vom Uferrand in den Teich. Nur mit einem beherzten Wurf konnte sie die Kamera retten. Sie selbst kroch anschließend auf allen Vieren aus dem Tümpel. Heute kann sie darüber lachen. "Ich habe noch nie so viele Bekannte auf dem Heimweg getroffen wie an diesem Nachmittag", erinnert sie sich.

Die Barsbüttelerin engagierte sich auch ehrenamtlich und wurde für zwei Jahre Schiedsfrau der Gemeinde. Doch 1998 zog es das Ehepaar zurück nach Hameln und sie fing dort wieder als Stadtführerin an. Nur ein Jahr später erkrankte ihr Mann schwer und sollte in Hamburg operiert werden, also kamen sie wieder nach Barsbüttel. Auf der Suche nach einer Beschäftigung bot sie Gemeindearchivar Carsten Walczok ihre ehrenamtliche Hilfe an.

Auf die Zeit mit dem promovierten Historiker ist sie stolz. "Ich habe unendlich viel von ihm gelernt, ich durfte ja nicht studieren, weil wir acht Kinder waren." Bis 2006 arbeitete sie im Archiv und parallel als Reporterin für eine Lokalzeitung. Auch am Buch "Uns Barsbüttel", das der Bürgerverein und die Gemeinde herausgaben, schrieb sie mit. Die Gemeinde Barsbüttel dankte ihr 2006 mit einer Urkunde und der ersten Ausstellung ihrer Bilder im Rathaus für die ehrenamtliche Arbeit. Zwei weitere Ausstellungen mit dem Thema "Barsbüttel im Frühling, Sommer, Herbst und Winter" in der Sozialstation und im Bürgerhaus folgten. Zuletzt hingen ihre Bilder als Leihgabe im Senioren-Therapiezentrum. "Dort haben sie den alten Leuten viel Freude gemacht", sagt Gerda Michels. Als bereichernd erlebte sie auch die Zusammenarbeit mit Thomas Sello, dem damaligen Leiter der Museumspädagogik der Hamburger Kunsthalle, dem sie 2002 begegnete. Drei Jahre lang arbeitete sie ehrenamtlich auch für ihn, als eine Art Mädchen für alles. "Jeder Tag war für mich ein neues Erlebnis", schwärmt sie.

Als ihr Mann dement und schließlich bettlägerig wurde, gab sie alle Aktivitäten auf, um ihn bis zu seinem Tod im Jahr 2010 zu pflegen. Der DRK-Singkreis und ihr Hobby, die Fotografie, halfen ihr in dieser schweren Zeit. Jetzt würde sie gern reisen, doch ihre Gesundheit lässt es nicht mehr zu. Darum will sie bald in eine der betreuten Wohnungen ziehen, die bald in Barsbüttels Ortsmitte entstehen sollen. Gerda Michels sagt: "Hier ist meine Heimat und die Kinder und meine kleine Enkelin wohnen ja in der Nähe."