Tatjana Thiessen aus Ahrensburg hat Brustkrebs und zwei kleine Kinder. Die Krankenkasse hilft nur zögerlich

Ahrensburg. Die kleine Jonna ist auf der Suche nach dem Mond. Sie läuft zwischen ihrem Vater, der Mutter und dem Fenster hin und her. Dann bleibt die Zweijährige vor der Scheibe der Wohnung in Ahrensburg West stehen und blickt in die Dunkelheit. Ihr Vater sagt: "Den Mond kannst du heute nicht sehen. Die Wolken sind zu dicht."

Dunkle Wolken haben sich vor einigen Wochen auch über die Familienidylle von Jonna, Mutter Tatjana Thiessen und Vater Helge Cron geschoben. Das Paar erwartet sein zweites Kind. In der 16. Woche der Schwangerschaft wird bei Thiessen plötzlich Brustkrebs diagnostiziert. Umgehend bekommt die werdende Mutter eine Chemo-, Strahlen- und Hormontherapie. Noch in der Schwangerschaft ziehen sie, ihr Lebensgefährte Cron und die gemeinsame Tochter Jonna von Stralsund nach Ahrensburg in die Nähe von Tatjana Thiessens Eltern. "Das war der schnellste Umzug meines Lebens. Es hat kaum zwei Wochen gedauert", sagt die 36-jährige Thiessen. Die junge Familie ist auf jede helfende Hand angewiesen. Die von der Therapie geschwächte Schwangere muss sich auch um Jonna kümmern. Ihr Freund pendelt derweil täglich zur Arbeit nach Hamburg.

Ein Makler vermittelt ihnen eine ebenerdige Wohnung mit vier Zimmern in Ahrensburg. "Den haben wir eingeschaltet, damit es schneller geht", so Helge Cron. Die Krankenkasse von Tatjana Thiessen - die Techniker Krankenkasse - gewährt der Schwangeren eine Haushaltshilfe, die ihr fünfmal in der Woche acht Stunden hilft.

"Bis dahin lief es eigentlich ganz gut", sagt der 39-Jährige. "Wenige Wochen vor der Geburt hat uns die Krankenkasse dann jedoch in einem Schreiben angekündigt, dass mit der Geburt des Kindes die Haushaltshilfe nicht weiter genehmigt werde", sagt er. Begründung: Cron könne sich um den Haushalt, seine Frau, Jonna und die neugeborene Amelie Zoe kümmern. Denn mit der Geburt seiner zweiten Tochter tritt der Flugzeugkonstrukteur in Elternzeit, die er bis Anfang November beantragt hat. "Tatjanas Frauenarzt hat mir daraufhin ein Attest ausgestellt, dass ich nicht allein drei Personen versorgen kann", so Cron. Die Krankenkasse lenkt daraufhin ein und gewährt eine Haushaltshilfe, die zweimal in der Woche für acht Stunden kommt. Reibungslos läuft es laut Thiessen und Cron trotzdem nicht.

"Ärgerlich ist das Hin und Her", sagt Cron. Die Krankenkasse sende viele Formulare, die ausgefüllt werden müssten. Cron: "Teilweise kamen sie doppelt." Zudem sei die Geburtsurkunde für Amelie Zoe verloren gegangen. "Die mussten wir noch einmal nachreichen." Die Familie hat andere Sorgen. Tatjana Thiessen steht kurz vor ihrer ersten Brustoperation. "Gerade die Ungewissheit, wie es mit der Haushaltshilfe weitergeht, belastet uns", sagt Thiessen. "Das ist zu all den anderen Aufgaben sehr anstrengend. Ich kann mich in meiner Situation darum nicht mehr kümmern." Auch Maren Jänkel macht sich Sorgen um die junge Mutter. Die Hebamme betreut Thiessen seit Juli. "Sie ist körperlich sehr schwach. Es ist für sie wahnsinnig anstrengend mit zwei Kleinkindern", sagt sie. "Zuletzt war sie verzweifelt, wie es weitergehen soll", so Jänkel. Es sei klar, dass Thiessen keine Mutter sei, die sich nur mal ausruhen wolle. Jänkel: "Es wäre sicherlich das größte Geschenk für Frau Thiessen, wenn sie ihren Haushalt selbst bewerkstelligen könnte." Einen so dramatischen Fall habe die 50-Jährige, die seit 1990 als Hebamme arbeitet, noch nicht erlebt. "Es geht hier um Leben und Tod", so die Hebamme. Umso wichtiger seien klare Zusagen der Krankenkasse.

"Der Fall ist überhaupt nicht strittig", sagt Karla Frieben-Wischer, Sprecherin der Techniker Krankenkasse, auf Anfrage der Regionalausgabe Stormarn des Hamburger Abendblattes. "Frau Thiessen bekommt seit dem 14. Mai durchgängig eine Haushaltshilfe." Die Krankenkasse sei bei ihrer Hilfe sogar über das gesetzlich vorgeschriebene Maß hinausgegangen, so die Sprecherin. Thiessen und Cron bestätigen zwar, dass sie durchgehend von einer Haushaltshilfe unterstützt wurden. Doch sei es anstrengend gewesen, die Zusagen zu bekommen, so Cron. "Nach der Entbindung kamen sie immer nur für kurze Zeit. Das ging wochenweise." Diese Ungewissheit habe die Familie belastet, so der 39-Jährige. Frieben-Wischer sagt dazu: "Es ist erforderlich, dass gewisse Formulare ausgefüllt würden." Zudem müsse zwangsläufig eine solche Leistung befristet werden. Frieben-Wischer: "Wir hoffen und müssen davon ausgehen, dass es Frau Thiessen besser gehen wird." Vermutlich werde der Familie aber die Haushaltshilfe auch über den Krankenhausaufenthalt der Mutter hinaus bewilligt.

Einen Tag vor dem Operationstermin seiner Frau bekommt Helge Cron schließlich einen Anruf von einer Mitarbeiterin der Krankenkasse, der Vorgesetzen der zuständigen Sachbearbeiterin. "Sie entschuldigte sich bei uns und versicherte uns, dass die Haushaltshilfe auch weiterhin gewährt werden würde", sagt Cron. "Sicherlich hat auch die Nachfrage des Hamburger Abendblattes bei der Krankenkasse dazu beigetragen, dass uns nun unbürokratisch geholfen wird."

Bis zum Ende seiner Elternzeit am 5. November kommt zweimal in der Woche die Haushaltshilfe. Eine Lösung für die Zeit danach soll ebenfalls gefunden werden. Cron: "Wir werden sicherlich auch darüber hinaus auf eine Haushaltshilfe angewiesen sein, weil Tatjana ja noch bestrahlt wird." Und auch die Großeltern von Jonna und Amelie Zoe werden weiter mit anpacken. Cron: "Ab und zu werden sie in unserem Gästezimmer übernachten, damit Jonna das gewohnte Umfeld hat." So kann sich die Zweijährige von dort aus weiterhin auf die Suche nach dem Mond machen.