Vor dem Ahrensburger Schloss stecken Fähnchen - jedes für ein betroffenes Kind. Zahl der von Armut betroffenen Kinder ist leicht gesunken.

Ahrensburg. Vor dem Ahrensburger Schloss raschelt es. Nele Teichmann und Lena Glocker stecken kleine blaue Fähnchen in die Wiese an der Lübecker Straße. Michael Peplanski bohrt mit einem Unkrautstecher kleine Löcher in den Boden, in die Nele und Lena die weißen Halme stecken. Um die jungen Freiwilligen des Stormarner Kinderschutzbunds herum erstreckt sich ein Meer von Fähnchen. Kommt ein Windstoß, wird es laut. 6500 kleine Flaggen wehen im Wind. Mit der Aktion zum Weltkindertag will der Verein auf die Stormarner Kinder aufmerksam machen, die in Armut aufwachsen müssen. Jedes Fähnchen steht für ein Kind, dessen Familie Hartz IV oder andere Sozialleistungen bezieht.

Laut Kinderschutzbund lebt auch im vergleichsweise reichen Stormarn jedes sechste Kind in einer "andauernden Armutssituation". Nach offiziellen Statistiken ist jedes zwölfte Kind auf Sozialgeld (Hartz IV) angewiesen. Für den Kinderschutzbund sind auch jene Kinder arm, deren Eltern Transferleistungen wie etwa Wohngeld erhalten oder im Niedriglohnsektor arbeiten. Vor einem Jahr mussten die freiwilligen Helfer noch 7000 Fähnchen stecken.

Ingo Loeding, Geschäftsführer des Stormarner Kinderschutzbunds, steht am Rand der Wiese. "Die Zahl der in Armut aufwachsenden Kinder stagniert auch im so wohlhabenden Stormarn auf hohem Niveau", sagt er. "Vielleicht ist es hier für diese 6500 Kinder noch bedrückender, weil die Unterschiede so groß sind und der Druck zunimmt."

Warum es jedoch in diesem Jahr 500 Kindern weniger sind als im Vorjahr, vermag er nicht zu sagen. "Wir können das nicht erklären", sagt er. An der gesunkenen Arbeitslosigkeit liege es nicht unbedingt, so Loeding. "Als wir vor einigen Jahren noch deutlich mehr Arbeitslose in Deutschland hatten, lagen die Zahlen der in Armut lebenden Kinder auch nicht viel höher." Vielmehr könne es daran liegen, dass derzeit in Stormarn viele Neubaugebiete geschaffen werden, etwa in Bargteheide. Loeding: "Es kommen wohlhabende Leute nach Stormarn, die Mieten steigen, und die ärmeren Familien müssen in günstigere Gegenden ausweichen."

Es gibt laut Loeding noch einen weiteren Grund zur Besorgnis. "Das Vermögen der Mittelschicht ist laut Armutsbericht der Bundesregierung abgeschmolzen. Wir erleben da eine Verarmungstendenz auch bei Leuten, die in Lohn und Brot sind."

Kritik übte der Geschäftsführer an dem Bildungs- und Teilhabepaket, dass die Bundesregierung eingeführt hatte, um den Kindern etwa die Mitgliedschaft in einem Sportverein oder Nachhilfe-Unterricht zu ermöglichen. "Die Grundlagen zur Berechnung der Unterstützung entsprechen nicht der Realität und sind teilweise verfassungswidrig", so Loeding. Das Verfassungsgericht habe in einem Urteil angeordnet, die Unterstützungszahlungen müssten sich an den Realkosten orientieren und nicht an freihändigen Schätzungen. Doch werde sich genau nach Schätzungen gerichtet.

So gebe es zum Schulbeginn eine Hilfe von 70 Euro, für den Beginn des zweiten Halbjahrs noch einmal 30 Euro. "Wir führen selbst Elternbefragungen durch, in denen wir nach den Kosten fragen. Der Durchschnitt liegt in Stormarn bei 220 Euro", so der Geschäftsführer des Kinderschutzbunds. "Die für das sogenannte Bildungs- und Teilhabepaket zugrunde gelegten Schätzungen haben mit der Realität also nichts zu tun." Loeding sagt: "Das heißt, dass rund 120 Euro etwa von den Lebensmitteln abgezwackt werden müssen." Zudem hätte er sich gewünscht, dass die drei Millionen Euro, die in Werbemaßnahmen für das Teilhabepaket geflossen seien, für die Armutsbekämpfung aufgewendet worden wären, so Loeding.

"Erst habe ich gedacht, das Paket sei eine tolle Idee", sagte Christa Zeuke, Kreispräsidentin und Mitglied im Sozialausschuss des Kreistags. "Aber da habe ich auch noch nicht gewusst, dass es so schwer sein würde, an die Leistungen zu kommen." Der Sozialausschuss werde sich am kommenden Dienstag mit dem Teilhabepaket beschäftigen.