Auf dem Seegrund entdeckte eine Tauchsportgruppe zwei Fischerboote. Archäologen gehen jetzt der Frage nach, wie alt die Wracks sind.

Großensee. Die Großenseer kennen den See, der ihrer Gemeinde den Namen gab, als beliebten Badeplatz und als schützenswerte Naturlandschaft - aber bislang wohl kaum als Fundgrube für Schiffswracks. Doch nun ging kürzlich ein Hinweis beim Archäologischen Landesamt Schleswig-Holstein ein: Auf dem Grund des Großensees liegen zwei Boote, möglicherweise sind sie Jahrhunderte alt.

Entdeckt haben sie die Mitglieder der Tauchsportgruppe Ahrensburg, allerdings bereits vor Jahrzehnten. Da das Tauchen im Großensee offiziell untersagt ist, geriet der Fund immer wieder in Vergessenheit. Nun beschlossen die Sportler aus Ahrensburg, dem Geheimnis im Großensee buchstäblich auf den Grund zu gehen. Um die Wracks besser einordnen zu können, wurden sie zunächst vermessen. Für diesen Tauchgang im Interesse der Wissenschaft erteilte die Gemeinde Großensee eine Sondergenehmigung. Das Ergebnis dieser Aktion war überraschend: Zwar ist das eine der beiden Boote bereits größtenteils zerfallen, das andere jedoch gut erhalten und über neun Meter lang. Damit ist es deutlich größer als ein gewöhnliches Ruderboot.

Die Tauchsportgruppe Ahrensburg hat sich mit dieser Entdeckung an das Archäologische Landesamt Schleswig-Holstein gewendet, das weitere Schritte einleitete. "Es ist ja unsere gesetzliche Pflicht, solchen Hinweisen nachzugehen", sagt Ingo Clausen von der Außenstelle Neumünster, die auch für den Kreis Stormarn zuständig ist. In Zusammenarbeit mit den Tauchern der Kieler Scientific Diving Association (SDA), die ehrenamtlich wissenschaftliche Einrichtungen unterstützt, wurde einem der Wracks im Juni eine Holzprobe entnommen, mit der das Alter der Schiffe relativ genau bestimmt werden kann. Die Ergebnisse liegen noch nicht vor.

Ingo Clausen schätzt, dass es sich bei den Wracks um ein Relikt der Binnenfischerei aus dem 18. oder 19. Jahrhundert handelt. "Damit wäre der Fund zwar nicht von archäologischem, aber von volkskundlichem Interesse", sagt er.

Hubert Kraus, Pressesprecher vom SDA, kann das bestätigen. "Funde von neuzeitlichen Fischerbooten sind selten gut erhalten. Damit ist dieses Wrack etwas Besonderes. Einen historischen Wert hat es in jedem Fall."

Auch der Großenseer Bürgermeister Karsten Lindemann-Eggers vermutet, dass es sich um alte Fischerboote handelt. Seit vielen Jahrhunderten wurde auf dem Großensee Fischerei betrieben. Auf der Insel in der Mitte des Sees stand lange Zeit eine Hütte, die von den Fischern genutzt wurde. 1935 gab der letzte seiner Zunft auf: Hein Levermann. Dass das Boot ihm oder einem seiner Vorgänger gehörte, ist sehr wahrscheinlich. Andere Schiffe haben den Großensee seitdem auch kaum befahren. "Der See dient der Trinkwassergewinnung und unterliegt besonderen Naturschutzrichtlinien", sagt Bürgermeister Lindemann-Eggers. "Deshalb ist hier nicht nur das Tauchen, sondern auch das Fahren mit Schiffen grundsätzlich verboten."

An welcher Stelle die Wracks liegen, möchte er nicht verraten. "Um den Naturschutz gewährleisten zu können, wollen wir vermeiden, dass jetzt ein Tauchtourismus losgetreten wird. " Hubert Kraus von der SDA unterstützt den Bürgermeister: "Raubtaucher wollen wir nicht anlocken. Da gibt es immer ein paar Spezialisten, die solche Gelegenheiten ausnutzen. Deswegen werden wir die genauen Koordinaten der Wracks nicht freigeben", sagt er.

Zu sehen gibt es ohnehin nicht viel. Die Sichtweite im Großensee beträgt in der Regel nur wenige Zentimeter. Kraus konnte trotzdem schon feststellen, dass es sich bei den Booten um sogenannte Nachen handelt. Nachen waren Fischerei- und Transportboote, die man bereits vor 200 Jahren eingesetzt hat.

Wie es mit den Schiffswracks im Großensee weitergeht, steht noch nicht fest. Das Archäologische Landesamt will zunächst klären, ob das Landesmuseum in Schleswig Interesse an dem Nachen hat, bevor weitere Untersuchungen angestellt werden. Diese seien sehr kostspielig und könnten nicht ohne weiteren Anlass durchgeführt werden, erklärt Clausen.

Die SDA will unabhängig vom Archäologischen Landesamt weiterforschen. "Auch die Insel im Großensee hat unter archäologischen Gesichtspunkten viel zu bieten. Es wäre schade, wenn dieses Potenzial ungenutzt bleiben würde", sagt Pressesprecher Hubert Kraus.