Die Kälte schreckt sie nicht ab: Eisbaden im Großensee ist für Manche auch bei Minusgraden pures Vergnügen. Sie schwimmen das ganze Jahr über.

Großensee. Das Thermometer zeigt minus fünf Grad Celsius. Feine Schneeflocken rieseln an diesem Morgen leise zu Boden. Noch ist es still am Großensee, den eine bis zu 30 Zentimeter starke Eisschicht bedeckt. Dann wird die Ruhe jäh gestört. Frank Schreiber, 49, Andreas Schulz, 43, und Stefan Obst, 39, hacken mit Beilen und voller Kraft auf das Eis im Nichtschwimmerbereich am Südstrand ein. Margrit Bohnhoff, 43, hält sich bereit, um zwischendurch die Eissplitter beiseitezufegen. Die vier sind Eisbader und wollen die frühe Stunde nutzen, um ungestört in den Großensee einzutauchen.

Die Kälte, die seit Wochen auch über dem Kreis Stormarn liegt, kann die vier Sportler nicht davon abhalten, ein Bad im Freien zu nehmen. Selbst bei Eis und Schnee hüpfen sie ins Wasser. Ein Vergnügen, von dem nicht jeder Zuschauer angetan ist.

"Vor sieben Jahren fingen wir an, regelmäßig gemeinsam im Großensee schwimmen zu gehen", sagt Margrit Bohnhoff und lacht. "Im Dezember stellten wir dann fest, dass wir immer noch schwammen: So sind wir zu Eisbadern geworden." Die 49-Jährige ist Ausdauerschwimmerin und durchquerte als schnellste Frau aus Deutschland den Ärmelkanal. Elf Stunden und 40 Minuten brauchte sie im August 2007 für die rund 32 Kilometer, wobei die tatsächlich zurückgelegte Strecke wegen starker Strömungen gut zehn Kilometer länger ist. Den Rekord hält Margrit Bohnhoff immer noch.

Mittlerweile lebt und arbeitet sie mit ihrem Partner Frank Schreiber in Berlin. Schreiber ist Senior Software-Architekt bei der Bundesdruckerei und hält sich ebenfalls mit Schwimmen fit. "Eisbaden sorgt für einen klaren Kopf", sagt er. "In Berlin ist es leider verboten, Eislöcher zu schlagen. Da müssen wir schon nach Brandenburg ausweichen. Am schönsten ist es jedoch im Großensee", sagt der Extremsportler, der seit vielen Jahren an Ultra-Marathons und Ironman-Wettbewerben teilnimmt. "Für mich ist rund um Trittau die beste Trainingsgegend mit schönen Lauf- und Radstrecken und natürlich dem See."

Nach zehn Minuten harter Hackarbeit kommt endlich das erste Wasser durch einen Eisspalt. Stefan Obst macht seiner Freude mit einem lauten "Yippie" Luft. "Lasst uns erst einmal eine Kante des Quadrats abschlagen", sagt er, und nach kurzer Zeit wird der erste Eisblock aus dem Wasser gehoben. Der Versicherungskaufmann aus Trittau schwimmt und läuft in seiner Freizeit. Wie sein Bekannter Andreas Schulz, Geschäftsführer einer Seniorenwohnanlage, nahm er an vielen regionalen Sportveranstaltungen teil. Die 14 Kilometer Schwimmen beim Wakenitz-Man in Lübeck, die sie im Vorjahr absolviert haben, haben sie sich auch für den kommenden Sommer wieder vorgenommen.

Nach einer knappen halben Stunde haben die Vier ihr Badeloch schließlich freigelegt. Bevor es ins kühle Nass geht, laufen sich die Sportler 20 Minuten auf der Südostseite des Sees warm. Nur ein einsamer Schlittschuhläufer überholt die Läufer zu dieser frühen Stunde unter dem bedeckten Himmel.

+++ Nichts für Warmduscher - Eisbaden auf Sylt +++

Zurück am Badeloch entledigen sich die Vier in Windeseile ihrer Kleidung. Stefan Obst ist der Erste, der barfuß durch den Schnee tapst und ins Wasser gleitet. Seine Mitstreiter folgen ihm rasch. Langes Zaudern gibt es bei Sportlern nicht.

Der Schlittschuhläufer bekommt schon allein vom Zuschauen eine Gänsehaut, doch den Badefreunden scheint die Kälte wirklich nichts auszumachen. "Das ist kein Geheimnis", sagt Stefan Obst, "wir trainieren unseren Körper durch das regelmäßige Schwimmen das ganze Jahr über. Beim Eisbaden gibt es jedes Mal einen Kick. Ich genieße die Körperreaktion. In den ersten Sekunden schmerzt das eiskalte Wasser, doch der Körper beginnt rasch, die so wichtige Wärme zu produzieren. Und hinterher fühle ich mich herrlich frisch." Die anderen drei nicken bestätigend.

Eisbaden findet immer mehr Anhänger. Mittlerweile gibt es in Deutschland nach Schätzungen 2000 bis 3000 Menschen, die auf den Kältekick nicht verzichten wollen. Beim Bad im eiskalten Wasser ziehen sich die Blutgefäße reflexartig zusammen, und die Hauttemperatur sinkt stark ab. Der Körper reagiert und verbrennt massiv gespeicherte Glukose, die er in Wärmeenergie umwandelt. Bauch, Brustkorb und die lebenswichtigen Organe werden verstärkt durchblutet. Das klappt mit entsprechendem Training maximal etwa fünf Minuten. Dann sinkt die Körpertemperatur, und die Eisbader müssen sofort aus dem Wasser.

Die Freunde am Großensee halten es knapp zwei Minuten aus. Nur Stefan Obst hält noch länger durch. Nach vier Minuten zieht auch er sich schnell aus dem Wasser. Nun heißt es, sich zügig abzutrocknen und warm anzuziehen. Im Anschluss sichern die Sportler in aller Ruhe das Eisloch ab, damit kein Schlittschuhläufer oder Spaziergänger versehentlich hineinfällt. Für einen Ungeübten wäre ein unverhofftes Bad im Eiswasser gefährlich.

Zu Hause sind alle vier Eisbader vom Großensee Warmduscher. "Kalt zu duschen kommt nicht in Frage", sagt Margrit Bohnhoff, "da habe ich es lieber mollig warm."